Irland-Trails – eine never ending story? – Kerryway Ultra Nite 2019

… geschieben auf dem Weg nach Las Vegas zum Grand2Grand Utra an Bord einer Boing A340-300

Im letzten September entdeckte ich die grüne Insel im Atlantic. Irland. Vom ersten Zusammentreffen, ich umrundete die Iveragh Halbinsel wandernd und laufend, war es Liebe auf den ersten Blick. Keine 2 Monate später rannte ich schon wieder auf der Insel rum. Letztes Jahr im Dezember versuchte ich mich am Wicklowway 50 Meilen, die infolge Hagel und Blizzard nach 40 Meilen ein unverhofftes Ende fanden. Auch nach dem Marathon des Sables in diesem Jahr regenerierte ich ein paar Tage auf der Insel, um an Pfingsten endlich mal nicht allein dorthin zu fliegen. Gemeinsam, zweisam nahmen wir den Kerryway ab Glenbeigh unter die Füße. Was man eben so schafft in 4 Tage freier Zeit.

Besuch Nummer 5 hieß dann (endlich) wieder Kerryway-Ultra. Im vergangenen Jahr absolvierte ich den Light, mit knapp 60 Kilometern, in diesem Jahr gab es erstmals den Nite über 93 Kilometer und den Ultra für die großen Jungs gibts ja von Anbeginn an. 190 Kilometer misst das Brett und man hat dafür 40 Stunden Zeit. Zeit sich durch die irischen Highlands zu kämpfen bei (eventuell) Neben, Regen, Sturm aber garantiert die Moorgebiete der Iveragh Halbinsel. Für mich ein Traum, sich dieser Herausforderung zu stellen. Vielleicht nicht ein all zu ferner. Selfsupported und nur mit Notwasser an 8 VPs versorgt ist das Ding härter als … ähhh … Eiger-Nordwand-Free-Solo. 😉 Keine Ahnung. Alles andere als ein Kindergeburtstag. Der Sieger Brain, der uns das Ding in Chamonix ins Ohr geflöht hat, brauchte gut 24 Stunden dafür.

Ich hingegen stellte mich den 93 Kilometern als letzte Formprüfung vor dem Grand2GrandUltra. Knapp 25 Stunden hat man dafür Zeit. Klingt nach jeder Menge Spaß und wenig Stress, wenn man sich denn schadlos hält. Nach 55 Kilometern war der Ofen erst mal aus. Die Feuchtigkeit hatte meine Füße in einen undefinierten Aggregatzustand verwandelt. Ein Mischung aus nassem Waschlappen, Schrumpfkartoffel und Luftballon. Von jedem Etwas. An rennen nicht mehr zu denken. Wandern war angesagt. Nur noch 35 Kilometer. Alte Sch … was war da los? Abbruch? Never. Und wenn ich aufm Rucksack ins Ziel rutsche. Was war passiert?

Mitten in der Nacht versammelten sich an die 30 Läufer im wunderschönen Küstenstädtchen Waterville, um bis zum folgenden Abend das fast noch schönere Killarney zu erreichen. Gefolgt wird dem (ausgeschilderten) Kerryway entgegen dem Uhrzeigersinn. Das Wetter versprach „Wärme“ und regenfreies Wetter bis zum Ziel in der Metropole of Kutschgespanne. einige 200 Kilometerläufer hatten Waterville bereits passiert, bevor wir uns pünktlich um 21:01 Uhr auf die Socken machten. Ich hatte die Pflichtausrüstung auf dem Rücken, die dieses Mal peinlichst genau kontrolliert wurde. Zudem hatte ich mir die winddichte Puma über das kurze Laufshirt gezogen. Es war auf den Pässen, kleineren und größeren Hügeln immer windig und bei den 21 Grad Celsius Start Temperatur sollte es bei Leibe nicht bleiben.

Schnell war der Ort verlassen und wir näherten uns den Trails. Endlich. 2,5 Kilometer Asphalt, stetig ansteigend, sind dann auch genug. Alle rannten, wie es zu erwarten war, los als gäbe es kein Morgen. Mir war klar, es gab eines und so übernahm ich erst einmal die rückwärtige Absicherung. 6:30-er Pace empfand ich bei den ganzen Hügelei nicht unbedingt als langsam und so beließ ich es auch bei den angeschlagenen Startpace. Die roten Rücklämpchen verschwanden los langsam aus meinem Blickfeld.

Wir waren aufm Trail, die Füße das erste Mal nass. Ich hatte meine Petzl aufs Rübchen geschnallt. Programmiert auf 9:30 Stunden Licht im reaktiv lightning mode, wie der Petzlianer sagt. Alles gut zu sehen. Alles ausreichend ausgefunzelt. Die ersten Zäune waren auch überstiegen. Immer wieder nimmt man diverse Leitern, Leiterchen, Überbauten oder Steighilfen, um die bewirtschafteten, abgezäunten Felder zu erreichen. Türen: Fehlanzeige.

Das mit den Leitern kann ich offensichtlich richtig gut, war mir bereits im letzten Jahr aufgefallen, und so schloss ich ohne größere Tempoverschärfung auf die ein oder andere Laufgruppe auf. Schnell war auch der erste nennenswerte Anstieg genommen. Fünf Kilometer trennten uns vom Start, als der Atlantic im Halbmond erstrahlte. Ein traumhafter Blick hinunter an den schönsten Sandstrand Irlands. Sagt der Reiseführer.

Vor lauter Staunen verfehlte ich erst mal den richtigen Weg. Nicht immer sind die Markierungen gut zu sehen und nachleuchtend auch nur stellenweise. also erst mal auf ein Grundstück gerannt und mit dem Scheinwerfer auf dem Kopf die Schlafzimmerfenster der kleinen Bebauung gescannt. Mist. Ende, Gelände. Zurück. Natürlich hoch, was sonst.

Ich hatte den Track auf der Fenix. Diesen jedoch im Wettkampf- Modus gestartet. Dadurch sieht man zwar eine Art virtuellen Gegner, dem man vorauseilt, wie in meinem Fall, oder der einem voraus ist. Nicht jedoch sieht man den Track. Also erst mal Uhr umprogrammiert. Das Paradestück der Fenix-5-Plus. Ohne die Aufzeichnung zu unterbrechen auf Navigationsmodus umgestellt. Es erschien die Karte und auch die vorgefärbte Ideallinie. Na. Geht doch.

Meine Mitläufer wichen mir nicht mehr von der Seite. Wir waren als Doppelmixedteam unterwegs. Ab und an gab es mal eine kleine Korrekturansage, wenn ein nicht trackender Läufer vorauseilte. So im Übermut. Auf wunderschöner Strecke erreichter wir Caherdaniel. Den Ort mit dem ersten Checkpoint. Der schönste von allen auf meiner Distanz. Er befand sich innerhalb eines Gebäudes. Man wollte gar nicht wieder los. Es gab sogar warmen Tee. Traumhaft.

Weiter gehts nach Sneem

Wat mut, dat mut. Und so ging es nach 10 min dann wieder hinaus in die dunkle Nacht. Die nächsten 15 Kilometer waren wir wieder auf uns gestellt, bevor das nächste Depot auf uns wartete. Ich war läuferisch ganz gut unterwegs. Wogegen es nun auf dem „Planetenweg“ erst einmal etwas Langsameren voran ging. Anstieg, schmaler Pfad, dunkel sowieso, also eher stockrabennachtdunkel (Hier ist wohl der dunkelste Ort Europas gemessen worden) und wir musste mit zunehmender Nässe zurechtkommen. Bereits auf dem ersten Teilstück war für die Grunddurchfeuchtung der Schuhe gesorgt worden. Es wurde nicht besser, war aber und wurde auch so erwartet.

Ich konnte mich an die Strecke noch ganz gut erinnern. Vor knapp einem Jahr hatte ich diese Etappe bei herrlichen Sonnenschein am Tage absolviert. Heute überholte kaum jemand. Ab und an konnte ich jemanden erreichen. Auch die Zeit verflog irgendwie rasend schnell. Als es richtig wehte, wusste ich, wir hatten Windy Gap erreicht und nun gehts nur noch abwärts. Auch die Esel und Pferde waren noch da, die mir im letzten Herbst den Weg verstellt hatten. Wir erreichten eine Straße, die nach Sneem. Hier gab es wieder mal ein Leitern Konstrukt, welches uns auf einen nassen, schlammigen Wiesen Trail brachte. Ein Gerutsche und Geschmatze klang durch die Nacht, als wir uns, am Horizont bereits als „Lichtermeer“ zu sehen, dem nächsten Etappenziel näherten.

Auch hier gab es eine falsch ausgeschilderte Stelle, die den schilderhörigen Läufer vom Weg wegleitet. Sicher gibt es auch hier ein paar Scherzkekse, die dem ein oder andere Schild eine neue Richtung gaben.

Weiter „bergab“ bis in einen kleinen Wald hinein. Der Weg wechselte in einen kieseligen Fahrweg. Ein kleines Brücklein wurde passiert und der Asphalt nach Sneem erreicht. Ganze 2 Kilometer sollten wir noch tapfer durch die Nacht stapfen, bis der erste CP mit dropbag (für mich) erreicht werden sollten. Das DoppelmixedTeam war kurze Zeit mal wieder vereint. Ich ließ die jungen Damen vorlaufen … Quartier machen. 😉 Tee vor verkosten, Stühle bereitstellen, Mohrenköpfe auf Verträglichkeit prüfen. Was man eben so macht, wenn man vor allen anderen am Checkpoint eintrifft. 😉

Mann oder eher Frau hatten sich bereits umgezogen, neue Schuhe, trockenen Socken … eh ich eintraf und die Runde an der Feuerschale komplettierte. Ich beschloss, nichts zu wechseln. Neue, trockenen Socken in nassen Schuhen, die trockenen Schlappen warteten erst in Kenmare auf mich, machten in meinen Augen wenig Sinn. Tunnel eben. Also gönnte ich mir eine leckere Suppe, aß 3 Mohrenköpfe ala Irland und schon gings weiter durch die Nacht. Wir hatten knapp 29 Kilometer hinter uns gebracht, als ich nach 5 Stunden die wärmende Feuerschale in Sneem verlassen musste. Keiner folgte mir. Mann und auch Frau pausierten länger. Waren dafür dann aber auch ein Stück flotter unterwegs. Das folgende Teilstück, gut 21 Kilometer waren es bis CP Templenoe hatte ich als „einfach“ in Erinnerung.

Warum? Hier startet im letzten Jahr der KerrywayUltralight (mit mir) und natürlich auch in diesem Jahr. Aber erst um Acht. Die Läufer würden uns also jagen. Startstrecken sind eben immer einfach, hochmotiviert, wie man ist.

Ich schlappte vorsichtig um die Pfützen herum. Doch bereits bei km 32 meldeten sich meine Fußsohlen. Irgendeine Hautirritation, nasser Sock. Keine Ahnung. Zum Umkehren war es jetzt auch zu spät, um sich noch ein paar trockenen Socken zu holen. Im Rucksack hatte ich alles, nur keine neuen Fußkleider. Und die wasserdichten lagen im Wanderrucksack beim Zeitnehmer im Auto, der diesen ins Ziel nach Killarney bringen sollte. Danke dafür, mein Freund!!!

Es würde sich weglaufen, wie immer. Alles würde gut werden, wenn sich Füße und Socken trocken geschwitzt haben. Leider sollte immer wieder ein neues Fußbad hinzukommen und so war es nicht weit her mit der Möglichkeit der Selbsttrocknung.

Bergfest

Irgendwann, der Weg zweigte im steilen Downhill an die Wasserlinie der Bucht ab, war die Halbdistanz erreicht. 44 Kilometer gelaufen, Restdistanz 43,9 Kilometer. So wusste es die Garmin zu berichten. Bergfest! Ich feierte das mit kurzer Pause am See. Lampe aus. Es war nur das Schweigen der Nacht zu hören. Gut sechs Kilometer sollten es noch sein, die uns vom nächsten Zwischenziel: Wasserstelle Templenoe trennten. Unser Team war wieder kurz zusammen … die zwei Frauen verschwanden im Dunkel der Nacht. Wir würden uns am CP wiedersehen, so hoffte ich.

Mein Laufen war nicht mehr als solches zu erkennen. Irgendetwas war mit den Füßen los. Hinter Templenoe gibts 5 Kilometer Asphalt. Da kann ich rennen und ein bissl Zeit gutmachen. Mit dem Sonnenaufgang in Kenmare, dass ich nach 10 Stunden hoffte zu erreichen, war erst mal Essig. Thats Ultra. Man weiß nie, was man kriegt.

Zumindest war ein kleiner Ultra erreicht, als wir uns nach 50 Kilometern am zur Feuerschale umgewidmeten Grill versammelten. Ich ließ mir auf dem offenen Feuer einen Tee köcheln, kühlte ihn ganz irischlike mit Milch ab und musste mich einfach erst mal auf die Straße setzen. Ganze 10 Grad zeigte das Thermometer noch, dass ich an meinen Laufrucksack gefrickelt hatte. Wenig später maß der kleine Sensor die Lauftiefsttemperatur: 8 Grad. Ich hatte mir 4 Stunden bis hierher vorgenommen und auf fast eingehalten. Es wurde beschwerlicher. Der nachfolgende Abschnitt war mit 3 h anvisiert, man konnte viel schneller laufen. Allerdings gab es auch die 2 obersumpfigsten Abschnitte auf der „Nite-Distanz“. Die Älteren werden sich erinnern, dass ich hier im vergangenen Jahr bis zum Knie im Supf steckte.

Der Tee war ausgetrunken, der Checkpoint fast leer. Was wollte ich noch hier? Also weiter. Es dämmerte so langsam. Herrlich. Die verlorenen Lebensgeister einer durchlaufenen Nacht kamen zurück. Ein bissl bergan und dann wird gejoggt. Jeder erneute Versuch scheiterte kläglich. Es tat in der Seele weh, hier nicht rennen zu können. Dafür genoss ich den beginnenden Tag. Herrliche Blicke über die Bucht bis hinüber zur Beara-Halbinsel. In diesem Jahr völlig regenfrei und Aussicht gab es eine Unbeschreibliche.

Ungeplanter Zwischenstop

Hat man dann das bebaute Gebiet erreicht, geht es nur noch abwärts. Also Kerrywayabwärts. Bei mir heute spürbar schmerzhaft. Ich musste irgendetwas machen. Jetzt, wo es hell wurde und man auch etwas erkennen konnte, suchte ich nach einem guten Platz für einen trockenen Behandlungsplatz. Gut 5 Kilometer hinter Templenoe entdeckte ich ein Abwasserrohr. Das rollte ich mir an eine passende, trockene Stelle im morgenfrischen Gras. Ein perfekte Sitzplatz. Fußbeschau war angesagt.

Schnell noch wurde eine online-Verbindung zur Homebase hergestellt und das philosophieren konnte beginnen. Die Füße, einmal freigelegt, offenbarten ein schauerliches Bild. Blasen waren keine zu sehen, aber alles war aufgeweicht und zerfurcht. Austrocknen lassen, abtrocknen, bandagieren, weiterlaufen. So der gemeinsam ausgeheckte Plan. Wenn’s nicht besser geht, dann wieder ab den Kram.

Gut 30 min dokterte ich an meinen heute schwächsten Körperteilen herum, ehe ich mich frisch „besohlt“ wieder auf den Weg machen konnte. Hinein in die 2 Superfeuchtbiotope.

Schnell waren diese auch erreicht. Im ersten hatte man den Weg von quer durch nach außen herum verlegt. Dafür war der Anschlussweg zum zweiten Moor ein wunderschönen Schlammpfad. Ein paar Leitern (und Fotos von deren höchster Stelle) später gings hinauf. Hinauf zum letzten Hügel vor Kenmare, wo km 64,5 erreicht werden sollte. Ich hätte mir die Direktissima sehr gewünscht. Doch damit wars hier nichts. Wir sollten alle Moore dieses Hügels kennenlernen und so querten wir, wo es nur ging.

Es war ein ausdauerndes Geschmatze, Gespritze und Gequitsche, was die Schuhe auf dem Weg nach oben zu leisten hatten. Meine Fußsohlen ging es nicht wirklich besser, aber irgendwie anders schmerzsam. Wenigstens etwas hatte meine Abflussrohrsitzerei gebracht. Es war anders. Die 30 Kilometer schaffe ich auch noch. Immer wieder, Kilometer für Kilometer … Durchhalteparolen hatten Hochkonjunktur.

Da war er endlich, der Durchbruchsversuch zum Erdmittelpunkt. Irgendwann gab es dann keine Umgehung der Wasserflächen mehr und das letzte Grasbüschel entpuppte sich als Fata Morgana. Zack, war der Fuß im Schlamm versunken, die Kniescheibe bremste den weiteren Niedergang 😉

Nein, ich schimpfte nicht. Hatte ja irgendwie drauf gewartet. Endlich, der höchste Punkt war erreicht. Das Ziel, was der nächste CP war, bereits zu sehen. Ein Läufer in weiter Ferne, der offensichtlich noch langsamer humpelte, als ich es tat. Meine anderen Mitläufer hatten sich aus meinem rückwärtigen Blickfeld auch bereits seit geraumer Zeit verabschiedet. Neue Schuhe, neue Socken, Kaffee oder Tee. Das waren die Motivatoren, die mich den glitschig, schlammigen Hang hinuntertrieben. An seinem Ende konnte ich noch zum Vorauslaufenden aufschließen. Es war geschafft. Ein bissl Straße und ein bissl Straße und ein bissl Straße …. es nahm und nahm kein Ende. Zwischendurch ein kleiner Hückel. Und Zack. „Strecke verlassen“- Meldung der Zwiebel am linken Handgelenk.

Irgendwann erreichte ich dann doch den 64. Kilometer oder 65 und sankt neben der Kirche in den (natürlich extra für mich) bereitgestellten Stuhl. Der Volontär las mir alle Wünsche von den kaputten Füßen ab, die nun endlich wieder Tageslicht erblicken durften. Schuhe aus, Socken aus, Freiheit für die Lauflinge. Dazu ein warmer Kaffee mit viiiiel Zucker und ein paar leckere Kekse dazu. Ich wars zufrieden, saß da in meinem Stuhl und hätte noch ewig so sitzen können. Nur noch 23 Kilometer trennten mich vom Ziel. Noch 8 bis zum legendären Abzweiger der old Kenmare road, dann 5 Kilometer übers Hochplateau zum Torc Wasserfall und dann nur noch gerade aus ins Ziel rollen. Dann auch keine Steine, Steilstufen, Kletterpartien und keine Moore mehr bis ins Killarney. Meine Gedanken waren unterwegs. unterwegs zum Ziel und das war gut so. Finish war die einzige Option, die es heute gab. Durchbeißen und dabei möglich reparablen Schaden nehmen an Leib und Leben, wie sagt man?

Ich musste ein Aufbruchsziel festlegen. Irgendwann halb. Welches halb es war, wusste ich nicht. Ich hatte viel Zeit verloren, sehr viel Zeit. Aber es war egal. Ich war unterwegs, das war wichtig. Ich steckte die Füße in trockene Gewänder. Die neuen Schuhe fühlten sich so so so so … toll an, wie selten. Schnell noch den nassen, vermodderten Kram in den Dropbag gesteckte und ab ging es. Hinauf, Hinauf, Hinauf. Immer der Betonstraße entlang. Das war nervig, nach einer längeren Pause aber ganz erträglich. Das Ziel war greifbar nahe. Wenn’s gut läuft 4,5 Stunden. Wenn schlecht. 5 Stunden. So der Plan. Im Normalmodus rennst das Ding in 3,5 Stunden nachhause. Heute war aber ein wenig Ausnahmezustand am unteren Körperende, da musste Mann realistisch sein. Finish hieß die Aufgabe und die war groß genug.

Endspurt?

Empfunden schnell erreichte ich den Gipfel des letzten höheren Hügels. Wir wechselten auf Trail. Steiniger Weg wechselte sich mit Kieselweg ab. Ab und an ein wenig Kletterei über im Bachbett liegende Steinquader, wenn ein Bächlein mal wieder den angestammten Lauf verlassen hatte. Es zog sich endlos hin. Aber es ging vorwärts. Immer wieder schaute ich auf die Restdistanz, die die Fenix errechnet hatte. Bei 14,9 km Restaufgabe verließ ich endlich die old Kenmare Road und verzweigte ins Buschland. Eine der schönsten Hochebenen wartet auf uns. Zuvor noch schnell durch den Wald nach oben und anschließend durch einen anderen Wald nach oben und dann nach oben, oben, oben.

Ich kam immer schlechter auf dieses oben. Ich hatte das Gefühl, nur noch mit den Armen zu laufen. Stöcken sei Dank. 3 km/h war der schlimmste Alptraum. Mit Bewegung hatte das nicht mehr viel zu tun. Ich schleppte mich durch die Landschaft. UTMB-Pace sozusagen 😉

Mein rechter Fuß schmerzte jetzt auch am Außenrist. Jeder Tritt auf einen Stein schien es zu verschlimmern. Ein Gefühl von überdehntem Sprunggelenk nach einem gepflegten Umknicken. Doch das war nicht passiert. Zum Glück im Unglück nicht. Als endlich der Bahnschwellenpfad endete und die Kletterei wieder anfing war es dann passiert. Schmerz lass nach … durch pausieren. Es musste nicht nur pausiert weren, es musste generell was passieren.

Schuh aus, Socken aus, Fuß kühlen auf den Steinen, die mich umgaben. Das war angenehm, das tat gut. Aber woher kam dieser Schmerz am Außenfuß? Ich musste das Tape entfernen. Erstmal konnte ich mich am Fußschaden ausgiebig weiden. Neben tiefen Furchen am Vorfuß hatte sich eine wunderschöne, mäanderartige Blase unter der Fußsohle breit gemacht. Was tun damit? Nichts tun. Es waren noch ca. 13 km bis ins Ziel. Noch gut 6 bis zum Torc-Wasserfall. Noch 3 km trailig dann Kieselstraße. Das halte ich aus. Muss ja.

Schnell in den Socken geschlüpft, den fast trockenen Schuh wieder an und weiter auf dem Weg zum Ziel.

Je weiter ich kam, umso geringer wurde der Schmerz, das Humpeln hörte auf, die Blase war mir Wurscht. Das halte ich aus. Recht schnell, im Vergleich zu den letzten 2 Kilometern, erreichte ich festen Boden unter den Füßen. Am nächsten Wasserrastplatz würde ich auch den linken Fuß von seiner Bandage befreien. Es ging wieder besser. Die 30-minütige Pause hatte gutgetan. Die Lauflinge konnten sich ein wenig erholen.

So erreichte ich dann die begehrte Stelle am rauschenden Bach. Restdistanz 8,9 Kilometer. Schuh aus, Socke aus, Bandage ab, Fuß ins kalte Wasser. Das gibt recht flott. Die Erlösung befreiend. Auch diese Fußsohle war nicht mehr als solche zu erkennen. Was solls.

Frisch gekühlt gings auf die finalen und letzten Kilometer. Immer auf der Kieselstraße entlang. Die Garmin hatte eine Ankunftszeit (ETA) von 16:25 Uhr ausgerechnet. Das sollte zu unterbieten sein. Wenn ich noch mal ans laufen komme. Es sollte eine Zeit unter 16 Uhr machbar sein. Utopische Zeit, aber das war heute nicht mehr wichtig.

Schnell waren auch die letzten 4 Treppenabsätze zum TOC- Wasserfall genommen. Dahinter noch mal verlaufen und den Tunnel verpasst. Stattdessen den Touripfad zum Parkplatz eingeschlagen. Es wurde Zeit, ins Ziel zu kommen. Problemlos fand Mann auf den Track zurück. Die Jogginganteile werden höher. Die Pace wieder schneller als die ursprünglich geplante Rennpace. Auf ebenem Weg füllten sie meine Füße wieder wohl. So ohne Trail. Unglaublich, aber wahr.

Das herrliche Muckross-Schloss wurde passiert. Nun waren es noch knapp 5 Kilometerchen bis zum Ziel an der Tankstelle. Das Joggen funktionierte immer besser. Zielendorphine gesellte sich zur Schmerzverdrängung.

Der Weg durch den Park bis zur Hauptstraße schien kein Ende zu nehmen. Eine Ankunftszeit von 16 Uhr war nun sicher. Nur die Garmin glaubte nicht dran und verbreitete was von 16:10 Uhr. Technik. Tszzz. Endlich auf der Straße.

Knapp zwei Kilometer sind es noch bis zum Ziel. Ganz langsam joggen brachte mir jetzt Schmerzarmut und damit die Lauffreude zurück. Schnell noch den breiten Fluss überqueren. Wir liefen nun immer neben der Hauptstraße auf einem breiten Asphaltweg, den sich Läufer, Wanderer und Pferdekutschen teilen durften.

Noch 1 Kilometer und ich hatte noch 17 Minuten Zeit. Also genoss ich die letzten Meter einer langen Nacht und eines viel zu langen Lauftages. Es wenige hundert Meter vor dem Ziel machte ich mich grade und lief bis durch den Zielbogen.

Nach 18:54 Stunden hatte ich den weiten Weg geschafft. Es war ein schweren, aber am Ende zufriedener Weg auf einem der schönsten Wanderwege, die ich kennenlernen durfte.

Resümee des Laufes: Mann lernt nie aus und Alter schützt vor Torheit schon nicht.