Wird es nach 2015 endlich einmal wieder ein finish am Mont Blanc geben? – UTMB 2017

Nach einer tollen Woche am Mont Blanc, war es dann endlich soweit. Raceday, UTMB Nummer zwei für mich. Es begann spät, es war sau kalt und es wurde kürzer als erwartet. Nach 50 Kilometern war für mich klar. Das werden keine zwei Tage, die ich rund um den Mont Blanc verbringen werde. Nach knapp 70 Kilometern und nahezu 7830 Höhenmetern (kumuliert) war das Abenteuer Ultratrail du Mont Blanc für mich gegessen. Was war passiert?

Am Rennmorgen war dann zeitig der Wecker gestellt. Er klingelte um acht Uhr. Mein Hotel musste ich gegen 11 Uhr verlassen. Spätcheckout , Fehlanzeige. Auch die aktuellen Streckeninformationen sollten 10 Stunden vor dem Start verkündet werden, bei den Franzosen 😉 Wer’s glaubt? Nicht in diversen Postfächern und Nachrichtenkanälen. Die Offiziellen rätselten noch. Ich hatte eine Vermutung, wie es gehen konnte und so kam es dann auch irgendwann kurz vor Mittag.

 

Start um 30 Minuten verschoben und zwei größere Berge aus dem Programm genommen. Der Pyramidenberg kurz vorm Lac Combal wurde ausgespart und wie auch bereits beim am Morgen gestarteten CCC wurde der Tete du vents kurz vor Zielschluss umgangen.
Wenige Stunden vor dem Start kam dann die aktualisierte CutOff Tabelle. Lustig sind sie schon, die Jungs an den Schalthebeln des UTMB. Also schnell die Excel-Tabelle angepasst, einen Drucker und Lammeniergerät gekauft und das vorbereitete roadbook noch mal neu erstellt. 30 Minuten vor dem Start war ich fertig. 😉 Spaß beiseite.

Vorstart-Feeling … 46 Stunden machen nervös

Ich hatte es mir vorlesen lassen, im Chalet der deutschen Starter, bei denen ich kurz vorm Start zu Gast sein durfte. Danke noch einmal an alle Beteiligten für die Kurzweil vor dem Start. Besonders Ulf & Mathy sorgten für wohltuende Abwechslung. Danke ihr zawei. Corinna hatte mir die aktualisierte Tabelle per whatsapp geschickt. Reingeluschert hab ich trotzdem nicht. Irgendwie passte es schon. Kein Stress, 3 Stunden vor dem Start.
Viel zu zeitig machten wir uns auf den Weg in die Startaufstellung. Ein bissl die Anspannung rausreden und die Zeit verging wie im Fluge. 90 Minuten auf einem Fleck stehen können wirklich schnell vorbei sein.
Ich hatte mich für lange Laufhose, dickes Shirt und Armlinge entschieden. Die Winterausrüstung inclusive Daunenjacke auf den Rücken geschnallt. Der Rucksack war dann auch getestet und dem Weg zum Start. Mein alt bewährter Salomon hatte zwei Tage vor deadline den Geist aufgegeben. Reissverschlussverlust im großen Stil. Alles lief also wie am Schnürchen 😉
Endlich begann die partytime in der Startaufstellung. Dreißig Minuten vorher briefing und aktuelle Informationen zu Wetter und Streckenanpassung. Jetzt war eh nix mehr zu retten. Den Eliten war es eh Wurst und die Radiergummies, bei denen ich mich einreihen wollte, konnten es auch nicht schön reden.

Anspannung … wohin man schaut

Meine Vorbereitung auf DEN Ultratrail schlechthin auf Grund des Frühjahrsprojektes eher dürftig. 15 – 20 Tausend Höhenmeter hätten es schon mehr sein können. Aber zum durchkommen sollte es reichen, so die Annahme. In den Tagen vor dem Wettkampf hielt ich mich überwiegend in Höhen über 2000 Metern auf, um den Origanismus ewenigstens ein wenig an die dünnen Luft zu gewöhnen. Montag dann Halskratzen, Mittwoch war der Rüssel dann blockiert. Es passte einfach 😉 Die blutverdünnenden Medikamente mussten sein, um wenigstens halbwegs fit zu werden. Ich Schelm 😉
Pünktlich 18:30 Uhr fiel schließlich der Startschuß. Dreißig Minuten nach offizieller Startzeit und wir bewegten uns im Schneckentempo zum Startbogen. Vierzig Sekunden brauchte es in diesem Jahr. Sicher etwas „ungünstiger“ platziert. Lächerlich, bei solch einer Distanz. Was man eben so dahin schreibt.
Irgendwann dann rannte ich die Maty bald über den Haufen. Das sich Zuschauer und Läufer überhaupt irgendwie treffen, grenzt schon an ein kleines Wunder. In Höhe Bodenstation Aiguille du Midi kamen wir endlich ins kontinuierliche Traben. Es war warm, war man in Bewegung. Jedoch nicht schweißtreibend. Kaum waren die Gedanken an die falsche Zwirnswahl zu Ende gedacht, fing es an zu nieseln. Leicht, im Wald, der uns bis Les Houches für gröberem schützte, kaum spürbar.
Es lies sich ganz gut an. Natürlich wurde auf den hinteren Rängen, den ich angehörte, auf den leichten Anstiegen bereits gehiked. Mann konnte es nicht ändern und ein 5-er bis 6-er pace-Schnitt war es trotzdem 😉

Hinauf zum ersten VP – Col de voza

In Les Houches dann der erste Süffelstand. Mein Wasser- und Nahrungsverbrauch bis dahin gleich Null. Trotzdem gönnte ich mir einen Becher Wasser. Wer weiß, wann es wieder etwas gibt. Wir liefen nun die nächsten paar hundert Meter asphaltiert durch den Ort, bis es nahe der Seilbahnstation zum Bellevue zunächst auf ansteigenden Asphalt und später auf Schotterweg den ersten Anstieg zu bewältigen galt. Die Nieselei wurde nerviger, auch die Bewölkung zwang zu einer recht frühen Fürdienachtfertigmachpause. Die Regenjacke zog ich über und schnallte mir gleich die Petzl aufs Rübchen. Im Wald schon recht dunkel, schmarotzte ich mich aber zunächst in den Lichtkegel der Mitläufer. Sparen von Akkukapazität oberste Trailrunnerpflicht. Ich hatte zwar in diesem Jahr einen vollwertigen Zweitakku für die Reaktiv+ dabei. Aber man konnte nie vorsichtig genug sein.
Beim Umziehen schaute ich auf mein roadbook nach der letztjährigen Zwischenzeit auf dem Col de Voza. Nicht notiert. Hmmm. Mir war irgendwie, wie 2:05 Stunden. Also dauerte es noch eine Weile, bis die Lautsprecher zu hören waren, die erste Zwischenzeit genommen und damit auf die zuhause an den „Rundfunkgeräten“ sitzenden beruhigt und über den Rennverlauf in Kenntnis gesetzt wurden.
In diesem Jahr setzte ich von Anfang an auf die poles und das war auch gut so. Kaum jemand überholte. Die Doppelstocktechnik überlegen gegenüber die Wechseltechnik. Ich wars zufrieden. Irgendwann war es dann rabennacht und auch ich schaltete auf Teelicht. Ups. Das war ja wirklich diesig heute. Die dynamische Leuchtstärkeregulation tanzte sich zwar keinen ab. Aber so richtig taghell war es dann auch nicht. Aber so ist es, wenn man in den Wolken läuft. Am ersten Gipfel angekommen konnten wir nicht die 20 Gehminuten entfernte Seilbahnstation nach Les Houches kaum sehen. Schönes Wetter ist anders.

Korrigierte Cutoff-Tabelle (15:20)

Nach letztem Anstieg dann der immer noch präsente steile Abstieg. Irgendwann kreuzen wir dann die Bahngleise der Zahnradbahn auf die „Le Nid d’Aigle“, wo ich noch Tage zuvor Höhenluft geschnuppert hatte. Der Downhill in diesem Jahr schön glitschig und mit Achtsamkeit zu belaufen. Die Speedgot-2 mit Vibram-Sohle (nein, ich kriege nichts dafür 😉 ) kannten keine Schwäche. Nur bei vereinzelten Schlammpassagen hätte ein Traktorreifen geholfen. Immer wieder kam es zu kleineren Staus. Nichts aufregendes, aber in Summe schön manchmal beunruhigend.
Der nächste VP sollte nach gut 21 Kilometern erreicht werden. Hier dann auch der erste cutoff bei 4 Stunden. So lange wollte ich nicht brauchen. Ich fühlte mich wirklich gut. Nichts tat wirklich weh. Das linke Knie, mein Dauernörgler, hatte ich vorsorglich mit einer Kompresse ruhig gestellt. Alles gut, bis auf den Niesel, den es aber auszuhalten galt. Es hätte schlimmer sein können. Auch jeden Fall (noch) kein Regenhosenwetter. Auch auf die wasserdichten Socken hatte ich verzichtet. Die befanden sich im dropbag, die Füße ordentlich ein-ge-vaseliniert. Alles gut.
Nach endlosem Downhill auf wirklich schönen Pfad, wenn nicht grade nass, erreichten wir endlich Saint-Germain. Lange vorher hört man bereits die Moderation, sieht den erleuchteten Platz an der Kirche des Dorfes. Doch es dauert. Bei mir heute 3:20 Stunden, bis ich durch die livecam flog. Ich gönnte mir ein paar Getränke in die Flask. Dabei gab ich immer eine Nährstofftablette zu. Auf mein vorbereiteten Pülverchen verzichtete ich zunächst (und überhaupt). Banane gabs und ein wenig Suppe und keine 5 Minuten war ich wieder auf der Piste.
Schnell war der kleine Ort verlassen. Gut laufbar zunächst und auch zwischen durch immer wieder einmal. Nicht weit sollte es bis mach Les Contermines sein. Knapp 10 Kilometer sagte das roadbook. Dafür hatte ich im letztern Jahr 5:03 Stunden benötigt. Im ersten Stint hatte ich bereits 15 Minuten verloren. Ich werde das locker wieder rauslaufen. Fühlte mich fit und hätte sowieso den Mont Blanc hochrennen können, so stark die Motivation.
Der Niesel nahm zu, die Personen, die vor mir auf dem Kurs waren zu viele, um einen schlammfreien Laufweg vorzufinden. Immer wieder gab es kleinere Anstiege. Teils Kieselweg, teils Asphalt und irgendwie hatte ich die Strecke auch nicht mehr so ganz im Gedächtnis. In jedem Fall würde vor dem VP (offiziell bei km 30,7) noch eine längerer (nerviger) Anstieg kommen. An soviel konnte ich mich noch erinnern. Und an die lange Anspaltstraße, die es irgendwann hochzustiefeln galt, und an die Schuhmarkenzähler. Ja, alles war, wie ich es aus dem Vorjahr kannte. Nur, das es nieselte und es unangenehm frisch war.
Sollte ich die Regenhose anziehen? Ein Griff an die Oberschenkel verriet nichts Gutes. Alles war sacknass. Das war nicht gut. Die Kombination mit den niedrigen Temperaturen nicht gerade optimal.
Dann endlich der „ersehnte“ steile Aufstieg zum Ort. Schlammig und rutschig war es. Und es waren viele Lämpchen ganz da oben zu sehen. Mein linker Oberschenkel krampfte oder war unterkühlt. Ich musste dringend meine Regenhose anziehen. Oder die Beinlinge? Die würden auch nass werden. Beinlinge und Regenhose darüber? Ehe ich mich wirklich entscheiden konnte, war der VP erreicht. Endlich. Fast einen Kilometer mehr zeigt die Fenix. Ist halt so. Nach dem Auffüllen der Flasks aß ich ordentlich, nahm wieder Suppe und verkrümelte mich ins warme Assistenzzelt. Gaaaanz hinten war noch ein freies Plätzchen, den Rucksack zu öffnen. Hatte zur Vorjahreszeit „nur noch“ 17 Minuten minus. Das war perfekt, so redete ich mit mir.

Ich entschied, nur die Regenhose über zu ziehen. Geht schneller. Von Les Contamines konnte man zunächst locker bis nach La Gorge durch den Ort joggen. Da sollte ich die liegengelassene Zeit wieder wett machen (Selbstsuggestion klappte noch ganz gut).
Als ich kurze Zeit später das warme Zelt verließ wurde mir erstmals bewusst, wie kalt es war. Ich sockte die kleine Treppe zur Hauptstraße hinauf um schließlich loszutraben. Aber es ging nicht, zunächst. Links krampte der Oberschenkel. Verdammter Kram. Was soll das denn jetzt? Für solch einen Unsinn hatte ich jetzt keinen Nerv. Und Zeit auch nicht. Kurzes Nachdenken. Ich hatte den Oberschenkel vergessen zu massieren, zu erwärmen. Es würde sich warm laufen, die Regenhose war drüber. Neue Kälte konnte nicht ans Bein. Bewegung war wichtig, so zügig, als möglich. Und so zügigte ich möglichst schnell die Hauptstraße entlang. Bis zum VP Le Balme sollten es 8 Kilometer sein. An die 600 Höhenmeter waren hinauf zu stiefeln. Wobei der Löwenanteil auf die letzten 3 Kilometer entfällt. Klar war mir, dass dies nur das warmlaufen für Col und Crux de Bonhomme war. Wir würden uns auf knapp 2500 Meter hinaufschrauben müssen, dürfen. Wir wollten es. Ich wollte es. Gipfel Nummer 2 (von 10).
Die Cutoffs hatte ich im Visier. Meine Laufzeit auf. 6:35 Stunden war die magischen Zahl vom letzten Jahr bis Le Balme. Ich lief weiter meiner Wunschzeit hinterher und bekam es auch nicht in den Griff. Erste, wilde Gedanken kamen auf. Ihr wisst. Wenns unten krampft, kommt oben nix mehr an.
Natürlich maß auch dieses Mal die Fenix nicht 3D, sollte ich vielleicht mal umstellen, und so war es weiter, als dies 8 angegebenen Kilometer. Wie bereits im letzten Jahr begann der große Aufstieg bei einem Stimmungsherd mit Lagerfeuer. Schön warm wars. Ich erinnerte mich genau an die Stelle und auch die Steinplatten danach, wo kein Stock hielt, rutschen war angesagt. Die pace, erwartet niedrig. Noch ließ ich mich nicht verrückt machen. Ich wusste zwar nicht, wo im Feld iich mich befand, wurde aber wenig oder gar nicht überholt und das beruhigte mich.
Hat man endlich die Baumgrenze erreicht sieht man schon von weitem den beleuchteten VP. Lange, viel zu lange braucht man dann, bis man endlich da ist. Es nieselte gerade nicht. Am nächsten VP wollte ich die Daunenjacke überziehen. Über oder unter die Regenjacke? Das war die Frage. Da ich es aber nicht getestet hatte 😉 blieb eigentlich nur drüber.
Bei diesen Gedanken erreichte ich schließlich den VP Le Balme. Wieder hatte ich Zeit verloren,. viel Zeit verloren. Ganze 50 Minuten war ich langsamer als die Referenz und das beunruhigte mich erstmals sehr. Im nachhinein betrachtet völlig klar. Recht langsam und einen 85-er (HFmax) Puls zu haben zeugt von absoluter unfitness oder da steckte was im Körper? Ersteres schloss isch kategorisch aus. 😉

Zunächst aber galt es, die Daunenjacke über zuziehen. Schnell war dies im warmen Zelt erledigt. Getränke auffüllen und es ging weiter. Nun kam der erste wirkliche Anstieg. Es war zum Glück stock dunkel. Mann sah nichts. Nur ein paar Lämpchen vor und hinter mir zeugten vom Rennen. Es war windig, es war schlammig und es war diesig. Der Lichtkegel hatte Mühe, zwischen den Wolken den Boden zu erhellen. Langsame Fahrt voraus, so das Motto. Erste Widerkäuer pausierten. Die Gesprächsbereitschaft sehr gedämpft. Auch die typischen Schwatznationen 😉 waren nicht zu hören.

Aufstieg zum Col dee la Seigne – Nebel, Schnee, Kalt, Mistwetter

Wie ich im Nachhinein weiß, war ich wirklich bei den Radiergummies gelandet. Viele Läufer waren vor, nur wenige noch hinter mir. Es war unangenehm, die große Lauffreude wollte sich nicht einstellen. Endlich war der Col de Bonhomme erreicht. Wir befanden uns nun auf 23xx Metern und sollten noch bis auf 2460 hinauf. Die Querung über verblocktes, steiniges Gelände bei diesem Zauberwetter wirklich kein Vergnügen. Ich pausierte einige Mal, hatte mit der Höhe (wie ich jetzt weiß mit meiner Gesundheit) zu kämpfen. Nach der Akklimatisierung sollte die Höhe eigentlich keine Probleme bereiten. Doch ich hatte die Rechnung ohne die Kälte gemacht. Kilometerlang war ich bereits mit aufgesetzter Kapuze von Regenjacke und Daune unterwegs. So war es ganz gut auszuhalten. Das dieseige Wetter vernebelte mir buchstäblich den Spaß. Nicht nur einmal kam ich vom rechten Weg ab. Verrückt, bei dieser perfekten Beschilderung.

Schier endlos arbeitete ich mich über das Hochplateau. Die Zeit kroch, ich konnte ichts entgegensetzen. Nichts mehr. Erstmals geisterten Gedanken über das nicht erreichen der Cutoff-Zeit durch den Kopf. 5:45 Uhr hatte ich mir gemerkt. Zu dieser magische Zeit musste Les Chapieux, die ersten 50 km waren absolviert, wieder verlassen sein, wollte man im Rennen bleiben. Die entsprach einer Laufzeit von 11:15 Stunden. Irre langsam. Aber ich hatte meine liebe Not, die pace anzuheben. Endlich das ersehnte Rasthäuschen. Heute und jetzt gabs hier keine Rast. Lediglich eine Zeitnahme erfolgte und die obligatorische Frage nach der Fitness. Ich gab das „internationale Zeichen für Lügen“ (aus der Wüstenläufer) mit Daumen hoch und kroch weiter in Richtung Kilometer Fünfzig. 

Immer noch hinauf. Meine Finisherambitionen wurden genau hier begraben. Die Luft war einfach zu wenig, die die Lungen erreichte.

Nach gefühlter Ewigkeit stellte sich dann dann auch mal wieder meine Petzl scharf. Soll heißen, dass die Wolken verschwanden und es freie Sicht auf freie trailrunner, feutes Geläuf und viel zu tief unten liegende Tallichter gab. Ich joggte gelegentlich. War aber mehr um meine Sicherheit auf dem schmierseife gleichen Geläüf denn m,eine pace besorgt. Nach schier endlosem Gehoppel und gewander und geweißnichtwaseswar kam ich endlich wieder ans Laufen. Ans zägige Laufen. Die 7-er pace hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf der Uhr gesehen. Kilometer 51 wurde gespeichert. Wir hatte die grasbewachsene Serpentinenstraße erreicht. die uns dem nächsten, meinem letzten?, VP näher bringen würde. Irgendwann sah ich die Uhrzeit. Es war bereits nach 5 Uhr, als ich das naheliegende Ziel deutlich unter mir sah. Immer wieder entfernten wir uns und kamen auf der Gegengeraden näher. Nervig.

Nach 10:45 Stunden Laufzeit kehrte ich ein. Für großes pausieren war keine Zeit. Fix die Getränkevorräte aufgefüllt, die Riegel umgepackt, damit ich beim Laufen besser erreichbar waren und dann ging es auch schon wieder auf die Piste. 5:26 Uhr verließ ich den VP. Das waren gerade einmal noch 19 Minuten auf endofsales. Es beruhigte nur, dass sich die Zeit nicht verschlechterte. Allerdings war klar, ich würde wahrscheinlich noch langsamer werden. Am Ausgang des Zeltes dann der nächste cutoff. Hier stand in großen Lettern 10:00 Uhr. 4:30 Stunden für die nächsten 17 Kilometer mit knapp 1000 Höhenmetern hinauf. Das könnte klappen. Zur Sicherheit fragte ich noch einmal nach und im gebrochenen Englisch wurde mir gesagt, dass ich bereits 30 Minuten früher da sein musste. Dort, am Lac Combal stand die nächste Zeitpresse. 

Sturm auf den letzten Gipfel, meinen letzten Gipfel. Sturm war eher im Wetter, denn in meiner pace versteckt.

Uihhh. 4 Stunden für 17 km das waren schneller als 4 km/h. Klingt lustig aber in meinem momentanen Zustand, vor allem mental, waren das keine guten Nachrichten. Zum Glück nicht noch Ausrüstungskontrolle, wie sonst hier üblich. Ich machte mich mit mulmigem Gefühl auf den Weg und rechnete immer rum, als es den Asphalt hinauf ging. 30 Minuten später gestartet und 30 Minuten früher da sein macht 1 Stunde schneller sein. Unmöglich. Nur weil der kleine Pyramidenhügel rausfällt. 150 hm und geschätzte 2 km???  Das konnte nicht sein. Der Posten meinte bestimmt halb zehn? Ich versuchte, mich zu beruhigen.

Irgejndwann verschwanden die wirren Gedanken. Ich folgte dem Weg, dem alle zu dieser frühen Stunde folgten. Aufi war immer richtig. Also hinauf. Die Sicht wurde besser, denn der Tag erwachte. Eine Stunden nach Verlassen des trockenen, warmen, gemütlichen, so tollen und ersehnten Pausenzeltes konnte ich meine Lampe entdlich ausschalten. Der erste Akkusatz hatte die ganze Nacht gehalten. Super Leistung. Meine Programmierung passte also. Ich freute mich auf den erwachenden Tag. Dieser würde meine Lebensgeister wecken. Mir die Power geben, auf deren Suche ich die ganze Nacht war. Vergeblich. Wir liefen direkt aufs Mont Blanc Massiv zu. In Wolken gehüllt, der große weiße Klotz. Nur schemenhaft erkannten wir die Dimension dieses Riesensteins.

Wir verließen den Asphalt und wendeten uns wieder Trails zu. Vorsichtig musste agiert werden, wollte man sich nicht schaden. Die Laufgemeinschaft war stark dezimiert. Ich war wohl einer der letzten, die den übervollen VP verlassen hatten. Hinter mir kam lange nichts, musste ich mal wieder nach Luft schnappen.

Irgendwann werden dann auch mal wieder die 2000 Höhenmeter erreicht. Eine magische Zahl, die beruhigt, es geschafft zu haben. Nur noch 500 Höhenmeter und es fing an zu nieseln. Dieser Niesel ging in feinen Hagel und schließlich in Schnee über, je höher wir kamen. Wieder ein vermeintlicher Gipfel, der aber nur den Beginn eines neuen Hochplateaus ankündigte. Ich war angefressen, genervt. Wollte endlich da sein. Dieser verdammte Schnee nervte. Ich setzte mich ins weiße Gras. Trank, aß, weiter gings, die nächste Anhöhe hinauf. Meine pace war unterirdisch, wie die der anderen um mich herum. Irgendwie beruhigte mich das. Im nachhinein betrachtet waren wir das letzte Aufgebot einer langen Schlange von Läufern, die nur ein Ziel hatten. Den Mont Blanc umrunden. Heute, jetzt, hier!

Irgendwann war es wieder so diesig, dass man die Läufer vor sich nur erahnen konnte. Ich war genervt, fluchte. Ärgerte mich später selbst darüber. Es war kalt, nass, ungemütlich. Es war …. sch… Als ich schon fast nicht mehr dran geglaubt hatte, der Gipfel. Der Col de La Seigne war erreicht. Zwischenzeit, schnell noch ein Foto vom Gipfel und ab gings hinunter. Nun der neue unbekannte Weg. Der Streckenposten sprach irgendwas von 5 Kilometern. Es war wohl 8:40 Uhr, als ich auf dem Gipfel stand. In diesem Jahr kein toller Sonnenaufgang. Auch keine tolle Sicht. Nebel und Wolken. Zumindest hatte es aufgehört zu schneien. Irgendwas ist ja immer.

Oben: 2512 m – Col de la Seigne

Ich hatte vor wenigen 100 Metern auf die zweite Uhr umgeschaltet. Fenix Nummer 1 war leer gelaufen. So, wie ich auch. Nun ging es abwärts. Das sollte meine Lebensgeister wecken. 1:15 Stunden bis 10 Uhr oder doch halb zehn. Der Posten auf dem Berg sagte 10:00 Uhr cutoff. Hmmm? Wer wusste Bescheid. Die neue, heilige cutoff Tabelle hätte Klarheit geschaffen. Aber hätte es was genützt? Ich war leer. Hatte alle Restenergie im Aufstieg liegen gelassen. Ich hatte keinen wirklichen Plan, nur das ich zu langsam war und beschleunigen musste. Ein Wie? wäre ein passender Gedanke gewesen. Es spukte lähmend in meinem Kopf herum. Erst mal laufen. Ich joggle zeitlupenartig in Richtung Lac Combal.

Sicht! Jippijaho

Die Wolken rissen auf, als ich dem Tal näher kam. Ich erkannte den Weg vom letzten Jahr, den Originalweg. Der Lac Combal lange vorher auszumachen. Der VP wird ewig nicht gesehen. Einige Läufer überholte ich, wurde zurück überholt. Kampf der Radiergummies. 😉 Endlich am Refuge Elisabetta. Ich genoss den freien Blick aufs Tal. Das war es, was ich gesucht hatte. Landschaft, Aussicht, Sonne, Panorama. Der Rucksack wurde auf die Bank vorm Refuge gesetzt, ich setzte mich neben ihn und genoss das, was ich da sah. Fünf Minuten sitzen, fünf Minuten aufsagen, fünf Minuten abspeichern, was ich da sah. So viel Zeit nahm ich mir. Die mich Überholenden waren schnell aus dem Sichtfeld verschwunden. Meine Fotosession endete. Ich folgte dem steinigen Downhill ins Tal. Bis Courmayeur würde ich noch kommen. Dort müsste ich essen, mich umziehen für den langen Tag und die zweite Nacht. Ich muss kurz inne halten. Mindestens 30 Minuten veranschlagte ich für das Procedere, wenn es gut lief. Die Zeit würde nicht reichen können. Nicht, um von dort noch weiteren 90 Kilometer zu überleben.

Mehr Sicht …

Ich hatte meinen Frieden gemacht. Langsam nach Courmayeur und dann ist das Kapitel UTMB gegessen. Es sollte nicht sein.

Schluss, aus. Ende. Hier oben wars besiegelt.

Ich wanderte langsam den laufbaren Weg zum Lac. Endlich konnte ich die Zelte des VPs erkennen. Es war noch eine Wegstrecke. Ganze 1,5 Kilometer von meiner Bank. Es würde dauern. O.k, dann würde es dauern. Ich hatte Zeit. Ich nahm mir Zeit. Der letzte verblockte Abstieg brachte mich in die Seenlandschaft am Lac Combal. Weit vor der offiziellen Zeitnahme zeigte mir der Streckenposten die gekreuzten Arme. Das kannte ich. Ich war darauf gefasst. Es war also doch halb zehn? Ja, es war halb zehn. Ganze 12 Minuten war ich drüber. Hatte noch 31 Stunden Zeit, die 167 km zu laufen. 100 km in 31 Stunden. Aber die heilige Cutoff-Tabelle bereitet meinem Abenteuer hier ein Ende und das war gut so. Ich war alle, war kaputt, heute nicht in der Lage, den großen weißen Stein zu umrunden. Es war gut so, wie es war. Es sollte nicht sein, heute nicht und wann? Es steht in den Sternen, ob ich noch einmal einen Versuche wagen kann. In naher Zukunft jedenfalls nicht.

 Nach 15:11:37 Stunden war mein UTMB zu Ende

Der letzte Downhill zum Lac Combal

Zu kalt für mich … und andere.

VP Lac Combal

Nebel, Nebel, Nebel …

Wieder eine für die Sammlung …

 

 

Die Rückreise dann eine kleine Abenteuerreise, der Tag nach UTMB-Nagetier und die Nacht danach eine Geschichte für sich. Ich bin froh, dass es vorbei ist. Zu groß die eigene Erwartungshaltung. Nun erst mal klaren Kopf bekommen, was da passiert ist und warum und überhaupt. … Zeit für Besinnung.

Zahlenspiele

Technische Spielereien …

7 Kommentare:

  1. Lieber Kersten,

    Auch wenn Du es nicht hervorhebst, wird sehr deutlich, dass Du alles andere als gesund warst bei Deinem UTMB-Abenteuer in diesem Jahr. Umso krasser, dass Du es mit der Krankheit überhaupt so weit geschafft hast. Und nur gut, dass Du dann vernünftig warst und nicht auf Biegen und Brechen versucht hast die Cut-Off Zeit zu schaffen.

    Du bist eine unglaubliche Inspiration und ich kann nur immer wieder den Hut vor Dir und Deinen Leistungen ziehen. Auch, dass Du den Kopf nach vermeintlichen „Niederlagen“ nicht in den Sand steckst und immer alles absolut bodenständig analysierst. Du kannst unglaublich stolz auf Dich sein, auf all das, was Du dieses Jahr bereits geleistet hast und auch auf Deine Leistung beim UTMB. Unter den Voraussetzungen hätten die meisten es nicht so weit geschafft wie Du!

    Du bist ein großartiger Sportler!

    Liebe Grüße
    Hannah

    • Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und deine Zeit. Leider dieses Mal wieder nicht. Schade aber so ist trailrunning. Mann weiß, was man bekommt, aber nicht, was hinten raus kommt. Das macht es so spannend und immer wieder inspirierend. Scheitern gehört in dieser Kategorie dazu und ich musste lernen, auch damit umzugehen.

  2. Sehr schöner Bericht, bei dem ich mitgelitten habe. Schade, dass es nicht geklappt hat, aber so wie es sich las, war das mit einem Virus oder dessen Nachwirkungen im Körper, wenn nicht zu erwarten, so doch eine latente Gefahr.
    Und damit kein Grund zu hadern.

  3. Ach Kersten,
    Wie locker du dnf nimmst …
    Ich hätte geflucht, getobt, ge…
    Respekt für deine Entscheidung!
    Gesundheit geht vor und darum war die Entscheidung gut und richtig.

    Sehr spannender Bericht. Ich habe mitgefibert, gelitten, gefroren …

    Alles Gute für dicch und bis bald mal wieder
    LG
    Peter

    • Mit der Zeit muss man auch mit solchen Läufen leben. 100 Meilen sind hart, der UTMB mit seinem technischen Anspruch schon ne Hausnummer. Kommt dann noch widriges Wetter hinzu, dann wird es grenzwertig. Bist du dann nicht 100-%-ig fit, dann ist es fast unmöglich zu finishen. Damit finde ich mich ab. Manchmal ärgere ich mich nur, dass ich nicht 10 Jahre früher angefangen habe, zu laufen.
      Nun genieße ich jedes Jahr, das mir noch bleibt. Der Verschleiß wird deutlicher. Zipperlein bleiben … Ein paar Ziele gibt es noch. Hoffe, ich kann diese umsetzen.

  4. Pingback:UTBM 2020? –   Trailrunning nicht nur im Norden

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