Endlich war die heran. Die Zeit, die ich mir in diesem Jahr für den Kerry Way auf der Halbinsel Ivaragh nehmen durfte. Entgegen dem ursprünglichen Plan, das Eiland komplett laufend zu umrunden, dem sogenannten Kerry Way Ultra, war mein Körper nach dem intensiven Bergtraining rund um Brixen ganz anderer Meinung. Die Atemwege versagten mal wieder komplett den Dienst. Bereits bekannt aus dem letzten Jahr, als es 10 Wochen nach meinem 2. UTMB- Versuch dauerte, bis ich wieder hustenfrei laufen konnte. Ähnlich gestaltete es sich in diesem Jahr. An 200 Kilometer laufen war auch 4 Wochen nach dem familären Sommerurlaub nicht zu denken, will man vernünftig sein. Also musste eine Alternative her.
Ende des Monats August wechselte ich dann auf die light Distanz der Inselumrundung. Knapp 60 Kilometer sollten trotz Lunge aus dem Hals irgendwie machbar sein. Zu viel Vernunft ist ja dann auch keine Lösung. Denn auch die wollen gelaufen sein. Damit es nicht zu leicht wurde, legte ich die restlichen Etappen des Kerry Weges mit meinem 17-kg Zusatzgewicht auf dem Rücken zurück, um pünktlich am Samstag früh an der Startlinie zu stehen. Einen kleinen Zusammenschnitt meiner Wanderwoche gibt es hier
Samstag, 8. September: Kurz nach halb acht machte ich mich von der Coomassig-Lodge auf die Socken zum Start im nur 10 Gehminuten (mit 17 kg auf dem Rücken) entfernten Sneem. Danke Maureen für das fabelhafte Frühstück, das beste auf meiner ganzen Kerry-Way Runde, zur der für dich so frühen Stunde. Es war kööööstlich. Best breakfast, best B&B, but rained all time. Thats it.
In Sneem angekommen war der Checkpoint nicht zu übersehen. Ich sockte trotzdem erst einmal vorbei, um am Ende des Ortes dann zum gesichteten Pavillion zurückzukehren. Warmlaufen abgeschlossen! Ich war der erste Gast. Einchecken von 7:00 – 08:00 Uhr. Kurz vor acht gesellten sich noch 2 weitere Läufer in das gemütliche kleine Büro in dem Ort, kaum größer als unsere Wohnsiedlung. Aber das kannte ich ja bereits von den vergangenen Tagen rund um die Halbinsel. Halb neun wurde es voll, 46 Starter waren es am Ende der Volkszählung, als der Bus aus Killarney, dem Zielort des Ultras als auch des Lightultras, am Startpunkt eintraf.
Pünktlich zum Start setzte der Regen ein, ich wechselte von der winddichten Jacke auf die grobe Variante … 20000 Schmerbel kann auch der stärkste Regen nicht durchdringen. Kurzes Briefing. Die wichtigste Information: Die Wege sind sehr nass. Was dies in den Moorgebieten Irlands bedeutet, sollte ich noch erfahren. Mir wars irgendwie einerlei. Ich freute mich riesig, endlich wieder laufen zu können, nach 5 Tagen Rucksack schleppen und nicht laufen dürfen. Die Knie haben es mir gedankt. Kurz vorm Start noch schnell den Dropbag für Kenmare abgeben. Den Zielbag verstaute ich im Rucksack, deren Transport die Racedirektorin Eileen dankenswerter Weise im Vorfeld organisiert hatte. Dankeschön, eine wirklich nette Geste.
Fotos, Countdown, Stille … Es ging los. Endlich, laufen, nur 4 kg Gewicht auf dem Rücken. Zusätzlich 2 Flasks im Fronttaschen verstaut. Welch eine Wohltat. Die ganze Woche schon freute ich mich darauf. Nichts Neues, auch in Irland, dass erst einmal losgerannt wurde, als gäbe es kein Morgen. Langsam aber kontinuierlich übernahm ich die Absicherung des Starterfeldes nach hinten, bis ich zum Besenkamel wurde. Ohhh. Bei 46 Teilnehmern gehts ganz schnell. Mir wars Hupe. Erst mal einlaufen. Ab Kilometer 30 startet ein Ultra. Einlaufen war angesagt. Basecap und Kapuze der Laufjacke vermittelten ein trockenes Gefühl, obwohl es ununterbrochen vor sich hin pieselte. Der Ort war in Null Komma Nix verlassen und wir sollten nun der Ausschilderung des Kerrywegs folgen.
Ein bissl Kieselweg, ein wenig Panzerstraße und dann waren wir auch schon mitten drin in der Bachlandschaft des Kerryway. Mittelweile musste ich die rückwärtige Sicherung abgeben. Jacke, aus, Jacke an, Mütze ab, Buff auf. Das hielt einige doch ganz schön auf. Der ein oder andere hatte dann noch die zu viel aufgenommene Morgenflüssigkeit zu entsorgen. Zack, 3 Plätze gut gemacht. 😉 Wenn das so zügig weiter geht, gewinne ich das Ding noch ,-) Spaß beiseite. Die Cutoffzeit lag bei 13 Stunden für die knapp 60 Kilometer. UTMB-Speedgeschwindigkeit sozusagen. Dafür galt es heute aber auch nur 3000 hm (kumuliert) zu absolvieren. Ich hatte mir eine Zeit um die 10 Stunden ausgerechnet. In Anbetracht der unbekannten Strecke und des Dauerregens in der Nacht eine scheinbar machbare Zeit. Die letzten 14 Kilometer kannte ich vom Beginn meiner Wanderung. Hier war meine Stunde gekommen, noch mal richtig aufzuholen 😉 Bis dahin hieß es am Gas bleiben, keine Zeit verplempern und im Anstieg nicht zu viel Zeit zu verlieren. Downhill kann ich ja ein bissl.
Traue diese Angaben nicht, hat sich schon so oft bewährt. Die technische Schwierigkeit der Strecke lässt sich weder horizontal noch vertikal beziffern. Schon gar nicht in einem Land, wo trailrunning zuhause ist. Recht schnell waren auch die ersten Übersteigen erreicht. Kleine Leitern, die den Läufer und Wanderer auf die andere Seite eines Zaunes gelangen lassen. Ich weiß nicht, wie viele dieser kleinen Schikanen ich seit Montag früh geentert habe. Eine (gefühlt) dreistellige Anzahl wird es sicher gewesen sein.
Die, meine Kompetenz in Sachen Entering zeigte sich deutlich. Sowohl der verhaltene Start auch auch meine Übersteigtechnik ließen mich nach kurzer Zeit innerhalb eines größeren Läuferpulks wiederfinden. Es waren bestimmt an die 2 weiteren Läufer, die mir bis zur nächsten Kletterei entflohen 😉 Es war einsam schön. So mag ich es. Kein Gequatsche und Gequassel. Lediglich Marie entschuldigte sich von Zeit zu Zeit, dass sie mich wieder mal überholen musste. So putzig.
Was wird die Woche hiking gebracht haben, würde es meine Horizontalgeschwindigkeit signifikant verbessert haben? Es blieb spannend und ließ sich erst einmal vielversprechend an. Immer wieder querten mehr oder minder breite Bäche den Laufwerk. Nicht selten folgte das Wasser den Wegen. Versuchte ich anfangs noch, die Füße trocken zu halten, wurde es immer aussichtsloser, eine passende Umgehung zu finden, weniger Willens, diese zu suchen. Am Checkpoint (CP) in Kenmare hatte ich trockene Socken und Laufschuhe deponiert. Ich rechnete mit 5 Stunden für die erste Etappe. Wir durchquerte wunderschöne Landschaft, ohne sie infolge der Bewölkung vollends bewundern zu können. Es störte mich gar nicht, dass es zeitweise junge Hunde regnete. Endlich laufen zu können entschädigte für viele, kleine Widrigkeiten. Irland-Wetter eben. Grüne Insel wird nicht durch Farbe gemacht. Aber die lichten Momente, die ich in der Woche reichlich hatte, entschädigen für die paar Tropfen. 😉
Recht schnell war die erste Stunde vorbei. Acht Kilometer hatte ich absolviert. Es lief besser, als geplant, die Einlaufphase. Keiner der üblichen Verdächtigen an und in mir probten den Aufstand. Mittlerweile hatte die kaum noch Sichtkontakt in einer der Laufrichtungen. Marie tauchte erst am nächsten Anstieg in der Ferne auf, dann war sie auch schon wieder verschwunden. Noch 😉 Zeit, etwas Energie aufzunehmen. Nach gut 10 Kilometern die erste Steigung, Downhill, Steigung. Ein, zwei GELs wechselten den Aufenthaltsort. Wir waren fern von jeder Urbanisation. Trailrunning vom feinsten. Nicht zu viel Kletterei, die laufbaren Passagen ein Balanceakt zwischen Wegrutschen und doch nicht zu Boden gehen. Nasses Gras ist tückisch. Meine Poles die absolut richtige Entscheidung. Nicht zur Kraftersparnis sondern eher zur Wahrung des Gleichgewichts erfüllten sie klaglos ihren Dienst.
Nach 14 Kilometern erreichten wir die N70, die Kerryway-Road, die wir kurze Zeit später in einen Waldweg übersteigend wieder verlassen sollten. Wunderschöner Singletrail durch dicht beblätterten Wald ließ den Regen eine Pause einlegen. Zwei Wanderer begegneten mir. Dann lieber laufen, erst recht heute. Meine letzten 2 Etappen der Kerry Way Umrundung.
Wenig später, der Track auf der Uhr folgte einem Kieselweg, verwies eine Beschilderung (großer gelber Pfeil auf nassem Schild) an die Küste. War es ein Hinweis des Streckenchefs? Ich folgte der Beschilderung und gelangte direkt zur Küste. Der Weg folgte nun im steten Auf- und Ab der Küstenlinie. Wieder durch ein Blätterdach vom Regen abgeschirmt. Es muss noch traumhafter hier sein, wenn man den Kanal vollends bestaunen darf. Heute mussten wir uns mit weniger, dennoch mit nicht wenig zufrieden geben. Immer noch sah ich den Track auf der Karte meiner Laufuhr. Alles gut, verlaufen wollte ich mich in einem Rennen nicht. Der Weg endete mit einem kurzen Aufstieg zur Forststraße. Dieser folgte ich nun in Hör- nicht aber Sichtweite zur N70. Dort, wo der Track der Straße folgen sollte, wies erneut eine Beschilderung auf den idyllischeren Trail. Kurzer Downhill und da stand ich nun. Die wegweisende Linie hatte die Karte der Fenix verlassen.
Rechts oder links war hier die Frage. Oder Münze werfen? An einem Holzstapel ein nicht sichtbares Schild. Ich wendete es und rätselte? „Kerry Way Walk 1km ->“ war vermerkt. Doch mein optimler Weg ging nach Links, wollte ich nicht die erste offizielle Wasserstelle in Templenoe verpassen. Ich deponierte das Schild, wie vorgefunden und hielt mich links. Ohne Münze 🙂 Sicher eine angenehme Ausflügelei an der Wasserkante entlang. Waldweg war jetzt die bessere Wahl. Eine Schranke passierend wurde der Schmutz der letzten 20 km auf der N70 entsorgt. Wenige Meter später gab es dann Wassernachschub und eine erste offizielle Zwischenzeit. 2:50 Stunden hatte ich für die ersten 20,20 km gebraucht. Gute Zeit in Anbetracht der Zielstellung. Doch nach meinem Höhenprofil wusste ich auch, das Gute kommt zum Schluss.
Recht schnell verließ ich die Wasserstelle. Kurze Auskunft des nächsten CP. Meine fiveteen kilometers wurden bestätigt. Es hatte aufgehört zu regnen, ein paar Minuten wenigstens. Zeit genug, das IPhone zu zücken und einen kurzen Lagebericht an die Bodencrew in Deutschland zu vermelden. Immer wieder gern erschreckt (sorry), war die Erleichterung am Ende der Funkwelle zu verspüren, dass bei mir alles nach Plan lief. Hinter mir nur noch 3 Läufer so die Ansage. Es war noch früh am Tage. Die 10 Stunden Zielzeit war verkündete Zielstellung, alles andere Bonus. Wir folgten, ich telefonierte immer noch, einer langen Asphaltstraße in eine Siedlung hinein. Als es wieder leicht anfing zu nieseln verabschiedete ich mich bis zum km 40. Dort wollte ich erneut mit zuhause telefonieren. Die Steigung ließ nach, laufen war angesagt, überholen war angesagt. Zwei Läufer der Ultradistanz hatten schon ein paar mehr Hügel in der Muskulatur und ließen mich passieren. Am höchsten Punkt dieses kleinen Anstiegs dann die (fast) Traumsicht auf eine kleine Insel im Kanal. Schnell ein „nasses“ Foto und wieder hinein mit der Fotobox in die regendichte Jackentasche. Bild ist wichtig, Bild erinnert, Bild weckt Begehrlichkeiten und neue Sehnsüchte 😉
Es ging nun, ja, immer noch auf einer kleinen Siedlungstraße, asphaltüberzogen wieder hinunter. Fast 3 km konnte ich es rollen lassen. Ohne merkliche Anstrengung gab es mal wieder eine 5 auf der Laufuhr für den gespeicherten Kilometer. Durch den topfebenen Laufuntergrund konnte ich wunderschöne Blicke genießen. Startnummer 125 wurde locker überlaufen. Das Gefälle gerade ideal, um nur die Richtung halten zu müssen, ohne Kraftanstrengung taten die Beine den Rest von ganz allein. Ich liebe diese Downhills. Man schwebt förmlich dahin. Immer wieder verglich ich den Track auf der Karte mit meinem Laufweg. Alles gut, kein Grund zur Sorge. Die Ausschilderung gut, aber eher nicht all zu üppig. Kein Schild am Abzweiger heißt: „Weg weiter geradeaus“. Meistens jedenfalls 😉
Der 26. Kilometer war gespeichert, als es endlich zur Schlüsselstelle kommen sollte. Die 5 Kilometer, die dir tiefe Einblicke und Eindrücke von Irlands Mooren vermitteln 😉 Ein bissl Kieselweg, wieder eine Läuferin passiert. Ich war nun warm gelaufen und wollte ein bissl Oberschenkel spüren. Anlaufen, Pfützen springen, nassem Gras ausweichen, laufen und das immer im Wechsel. Es machte Spaß. Durch ein kleines Waldstück noch und der nächste Hügel kam in Sicht. Übersteige und? Wo ist der Weg? Eine Wiese? Ein Moor. Wie ein Fährtenleser bewegte ich mich auch dem mehr oder minder vorhandenen Weg. Zack! Falsche Fährte gelesen und ich steckte bis zu den Knien im Moor. Links im Moor, rechts aim Wasser. Das Wasser und der Schlamm warm. Der Schuh zum Glück noch am Fuß, als er 40 cm höher stand. Das war knapp. Ich drosselte mein „Tempo“.
Irgendwo im Nirgendwo … dort drüben eine Leiter über den Zaun. Der Weg erkennbar. Lautes schmatzen und quitschen. Meine Schuhe waren das Orchester. Endlich hatte ich die Übersteige erreicht. Kurzer Kieselweg. Schlamm abschütteln, Übersteige, ansteigender Moorweg. Marie kam mit ihrer weißen Laufjacke in Sicht. Es ging bergan. Das konnte ich, da war ich gut. „Reep Upper“ wird die Landschaft genannt, durch die wir uns „pflügten“. Die Zeit, verflog, die Kilometer nur am Piepsen der Uhr merklich. Abwechslung pur. Hoch, Pfützen ausweichen, nächsten Grasbüschel zum versenkungsfreien Laufen suchen. Weiter nach oben. Stöcke nicht versinken lassen. Marie kam näher. Bis zum Gipfel hole ich sie mir. Meine Mantra sorgte immer und immer wieder für Motivation „Ich bin da durch Harry“ (aus „Tage des Donners“). Ich war jetzt richtig „flott“. Eigensuggestion ist der Schlüssel 😉 Wo war der Gipfel. Noch ein kleiner Zwischenabsatz. Ahhh. Dort oben, das schaffe ich. Immer wieder laufen, wo es ging. Der Stockeinsatz nun wieder zur Entlastung sinnvoll. Ich hab Sie.
Kurz vorm „Gipfel“ war ich dran. Der Downhill nun über Schlamm und Geröll. Genau mein Ding. Schnell hatte ich 100, bald 200 m zwischen uns gebracht. Wanderer wurden passiert, vorsichtig, um sie nicht all zu sehr mit Schlamm zu verschönern. Die Stöcke wieder hervorragend für die Balance. Schon wieder ein Kilometer? Die Zeit hatte jegliche Dimension verloren, der Trail beschäftigte mich mehr, als irgend etwas anderes. Nicht mal für ein Bild war Zeit. Herrlich hier oben.
Upps. Hier gehts nicht weiter. Zwei schmale Pfade wiesen den weiteren Weg. Ich erwischte den ins Nirwana. Schnell zurück über „Kamelgras“ zum letzten schlammigen Downhill nach Kenmare hinunter. Zwei vorsichtig absteigende Langdistanzler konnten gefahrlos passiert werden. Liebe Grüße an die „Marathon des Sables“-Finisherin (Buff-Tuch machts möglich). Nun wieder ein wenig Schuhe anklopfen auf dem Asphalt in die Innenstadt. Kilometer 33 zeigte die Fenix, als wir das Feuchtbiotope verließen.
Schnell waren ein paar Verbindungswege überlaufen, das Zentrum der kleinen, quirligen Stadt erreicht. VP/CP nicht in Sicht. Ich folgte dem Track, Ich konnte den Ortsausgang bereits sehen. Kein CP. Oh, schöne Church. Gleich mal ein Bild machen. Na sowas. Was steht da 50 m hinter dem Zaun? Ein Pavillon, Wanderer mit Startnummern? Yes. Checkpoint.
Trockene Sachen, trockene Schuhe. Herrlich. Noch 22,4 km bis zum Ziel zeigte die Fenix. Halbmarathon ist ja überschaubar. Erst mal setzen. Ein Stuhl, ein luxeriöser Stuhl. Wunderschön. Flask auffüllen, Socken wechseln, Schuhe wechseln. Sachen lasse ich an. Zuviel Gerödel. Keine sieben Minuten später war ich wieder, wie aus dem Ei gepellt 🙂 , auf dem Track. Nur noch 7-8 km unbekannter Strecke und dann kanns los gehen. Oder jetzt schon? Mal sehen.
Zunächst gings auf Asphalt den Ort hinaus. Ich konnte gut joggen, hiken, joggen, laufen. Der finale Anstieg. Nichts schlimmes. 400 hm hinauf zum höchsten Punkt der Strecke. Im Uphill war ich recht recht kraftvoll unterwegs. „Ich bin da durch Harry“ Immer und immer wieder, gedanklich, nicht laut. So weit war ich noch nicht. Es ging noch so ganz gut. Marie hatte mich am CP zurück überholt. Diese schlaue Füchsin. Dafür hatte ich trockene Füße, noch, und konnte jetzt pace machen. Noch einmal sollte sie nicht an mir vorbei. Ich musste jetzt durchlaufen. Zwei Läufer konnte ich noch kassieren am leichten downhill bevor es das zweite mal hinauf ging. Sie standen da und haben sich umgezogen 🙂 Das war easy.
Brombeeren am Wegesrand. Ein paar musste ich mir holen. Pflücken im vorbeilaufen geht hervorragend. Im Wandertempo zur Perfektion getrieben, war jetzt Beerenpflücking im Jogging Tempo dran. Ging. Die Ausbeute trotzdem eher mager. Dafür Hände und Mund um so farbenfroher.
Schluss. Ich hatte die nächsten zwei Läufer vor mir. Schnell kam ich näher. Im Downhill waren sie wieder weg. Nächster Hügel, gleiches Spiel. Dann joggten sie auch noch bergan. OK. Kann ich auch. Wenigstens den Abstand halten bis zu meiner bekannten Strecke, Kilometer 44,6 wird dort gespeichert, wie ich jetzt weiß. Bis dahin war es nicht mehr weit. Downhill, herrlich. Den kann ich besser. Geröll, Pfützen, groooße Pfützen hinderten am gedankenlosen downhillen. Wieder waren sie verschwunden, meine zwei Magneten. Was war das? Ein See? Ein Weg voller Wasser. Oh, dort eine Umgehung, auf Steinen. Leider waren diese nicht hoch genug. Abgerutscht, meine Vorhut. Rein ins Wasser, schnell ein Bild knipsen und weiter.
Auch ich erreichte den „See“. Jetzt und hier wars endgültig vorbei mit trockenen Füßen. 16 km vor dem Ziel. Ich musste hinein ins warme Wasser. Sie würden sich trocken schwitzen, meine Suggestion. Weiter laufen, Anschluss halten. Wieder durch einen Bach, der sein Bett im Weg suchte. Keine Umgehung. Mitten durch. Noch 15 Kilometer zeigte das Tracking der Fenix. Der Abzweiger musste kommen. In der Ferne die kleine Kirche. Endlich, meine zwei Vorläufer bogen ab in den von kniehohem Gras gesäumten Weg. Jetzt gehts los …
Ich freute mich auf die Stelle, endlich kannte ich den Weg, wusste, was mich erwartete, wo ich Tempo machen konnte und wo ich mich regenerieren sollte. Recht schnell war das erste Waldstück erreicht. Ich erkannte deutlich die Schwächen meiner Partner. Uphill war nicht ihr Ding. Aber meins. Meine Stöcke hatte jetzt ganze Arbeit zu leisten. 2 paar Beine sind besser als eines. Es wurde viel gejoggt, auch hinauf. Im „Korkeichenwald“ werde ich sie mir schnappen. Zügig hinauf zum höchsten Punkt des bekannten Weges und dann gehts los. Abstand zwischen uns bringen. Ich war so beschäftigt, merkte wieder keine Zeit.
Was nun kommt ist feinste Eisenbahnschwelle. Fast die komplette Hochebene ist jeweils mit 2 von ihnen nebeneinander als Weg verlegt. Nasse Holzbohle, ein Traum? 🙂 Aber der Ire ist ja schlau und hat ein Drahtnetz darüber genagelt. Das schafft Sicherheit. Neben der trainroad heißt ganz nasse Füße und eventuell Schuh weg. Ich habe und wollte es nicht testen. Ich lief nun nur noch. Kein Blick zurück. Die beiden waren fix im Downhill. Aber offenbar ich fixer auf dem Eisenbahnschwellentrail 😉
Weiter laufen. Downhill nur nächsten Hochebene oder Tiefebene. Egal. Eisenbahnschwellen mit grobem Gestein. Ich hatte die Vibram Sohle der Speedgoat 2 gegen die Wüstenslicks getauscht. Der Grip nicht wirklich supi. Also kurze Schritte Körperschwerpunkt unter dem Körper halten. Und „Lauf, Forest, lauf“ 😉 Ich lief und lief. Kein Blick zurück. Doch, ich genoss es. wenn du 4 km hinter 2 Läufern läufst und kriegst sie nicht … Aber dann.
„Ich bin da durch Harry“ passte wieder perfekt. Eine orangefarbene Jacke war am letzten Hügel des Kerryway zu sehen. Langsam schleppte er sie den Anstieg hinauf. Ein Langläufer. 34 Stunden war er bereits unterwegs. Über 175 km in den Beinen. Da darf man etwas andächtiger schreiten. Wir grüßten uns wortlos. Ich lief nicht bergan an ihm vorbei. Gab ihm meinen Daumen. Am Gipfel traute ich wieder zu laufen, Respekt!!! Ganz großer Sport.
Ich musste nun durchlaufen. Noch gut 10 Kilometer. Ein paar kleinere Hügelein. Am Wasserfall werden es noch 7 km sein. Ich lief. Joggte. Downhill, Ebene, mehr Downhill. An der Brücke gerade aus hinab. „Trackabweichung“ meldete die Fenix. OK. Passiert ja immer im downhill. Klar.
Schnell noch ein GEL und einen Nuss-Riegel mit viiiiel Schoki hab ich ja auch noch. Über die Holzbrücke, stimmt, so bin ich vor 6 Tagen gewandert. Kurzes Blackout zwischendurch. Nun war ich wieder hellwach. Am Ende der Forstpiste ein Helfer, regennass, der uns den Abstieg zum „Torc-Wasserfall“ wies. Ich merkte den Regen nicht mehr. Er war zur Gewohnheit geworden. Gute Kühlung 😉 Füße eh nass. Noch eine Stunde bis ins Ziel, so der fromme Wunsch. Mein Mantra „Harry“ musste wieder herhalten, bis ich die Stufen zum Wasserfall erreichte. 3 Absätze, dann biste unten. Das letzte Stück voller Touristen, die unbedingt herabfallendes Wasser fotografieren müssen. Unterwegs hatte ich eindrucksvoll(ere temporäre) Wasserfälle gesehen, die es in 2 Tagen nicht mehr geben wird. Dafür viele neue. Der „Torc-Wasserfall“ gibt es immer. Extra für die Touristen, die bis 400 m davor mit dem Auto fahren können. Ich passierte die Menschenansammlung verletzungsfrei. Viele Ausländer unter ihnen. Der Ire fährt und geht links. Der Tourist rechts. Ich war heute Ire.
Schnell war das zweite Ausflugsziel hier erreicht. Am „Lough Leane“ See entlang erreicht man das Anwesen von Muckross. Nein, kein Bild. Mein IPhone war frisch gewässert und zu keinem Aufwecken zu bewegen. „Siri“ wäre die Lösung gewesen. Das nächste Mal. Kurzer Verläufer auf dem Asphalt. Trail geschont. Ich musste jetzt konstant ein 7-er Schnitt laufen. Sollte machbar sein, wäre es denn Trail gewesen. Meine Motivation sinkt etwas, wenn ich 4 km auf Asphalt laufen muss. Und das musste ich. OK. Ich hatte in „Muckross“ erstmals auf die Endzeit geschaut. Mit den 10 Stunden das wird wohl nichts.
Ich war zu schnell. Eigentlich nicht, aber doch schneller, als gedacht. Es war an der Zeit, über ne geile Zeit nachzudenken, 4 km vor dem Schluss. 8:64 wäre cool. Nee, ich war schnell und unter 9 Stunden sollte es dann doch sein. 8-4-0 würde ich nicht schaffen. Egal. Ich lief irgendwie jetzt unter 9 Stunden und mal schauen, was dabei raus kommt. 7 min-Tempo oder kurz drüber war total ok für mich. So vor mich hin schluppern 7:16-7:06-6:58-7:06-6:40. Zum Ende dann noch eine Langstreckler überholen müssen, den auch nur noch wandern konnte. Macht man nicht, ich weiß. Aber das wäre mir zu langsam gewesen. Sorry. Und ich denke 2 km vorm Ziel ists ok.
Nach 8:55 Stunden
erreichte ich die Tankstelle in Killarney. Erblickte das Finish-Schild am Straßenrand. Setzte eine entspannte Miene auf und jubelte ins Ziel.
Danke Eileen und ihr vielen fleißigen Helfer für ein wirklich tolles Erlebnis. Ob ich in diesem Leben noch einmal die komplette Runde renne? Ohne Support aus meiner Sicht kaum machbar. Kommt Zeit, kommt Eingebung.
Irland ist ein trailparadies. Nicht zu steil, vieles laufbar, sehr abgeschieden und lärmfrei. Zack, im Dezember geht’s auf den Wicklow-Way. Next step on a new island
Fortsetzung folgt nicht mehr, alles gesagt 🙂