Trans Gran Canaria 2016 – wie soll das gehen? (Jetzt darf ich es ja sagen)

Dann war er endlich da. Der Tag der Tage. Das große Rennen. Mein längstes von der Distanz, mein bergigstes vom (angekündigten) Höhenprofil her. An die 17000 Höhenmeter sollten auf und ab gelaufen, geklettert, gekrochen werden. Immer öfter stellt man Vergleiche an. Vergleiche mit Rennen, die ich bereits erfolgreich gefinished habe. Es war der TDS mit 1300 Höhenmetern im Anstieg mehr. Den hatte ich in knapp unter 30 Stunden gefinished. Wie sollte das funktionieren. Ich hatte Keine Ahnung.

Natürlich darfst du dir das nicht eingestehen. Der Kopf muss frei sein. Ich kann es. Yes. Ich hatte trainiert. Hatte zwei längere Inseltestläufe in den Beinen. Doch es gab Unbekannte. Aber die gibt es ja immer. Woran ich nichts ändern konnte, waren ein paar (ewige) Zipperlein.

Linke Knieinnenseite, rechte Achillessehne, rechter Hüftbeuger, leichte Reizung Plantar Sehne. Vor der Abreise leichte Verschnupfung und somit der Puls etwas hoch bei des Testläufen. Beim letzten Testlauf dann noch den rechten Ellenbogen geprellt. Wie man sieht …

Beste Voraussetzungen, um die dickste Berta zu finishen. 😉 Aber gejammert wird im Ziel und das ist gut so.

Atmosphäre aufsaugen

Am Donnerstag, ein letzter Berglauf stand auf dem Plan, ging es dann am frühen Nachmittag nach Meloneras. Ich hatte keine Ahnung, wo das genau war. War allerdings vor Jahren mal dort. Klar, alles wie immer 😉 Welch Schelm. Ich habe es trotzdem gefunden, all zu klein ist die Hütte ja nicht und wider Erwarten hatte man sogar schon spaliert und der Zielbogen stand auch schon da. Ich war begeistert über so viel Vorarbeit.

Die Trail-Zone, eine kleine Messe, eine viel zu kleine Messe, war schnell abgearbeitet. Mehrere Runden füllten meinen Beutel mit Unwichtigkeiten, die Mann unbedingt hier und heute kaufen musste. Klar, wie auf jeder Messe. Das 5. Paar Reservearmlinge muss sein. Und die 7. Und 8. Flask ebenfalls. 😉 Ihr kennt das. Die Hersteller könnten endlich mal Produkte anbieten, die sich nach 2-3 Jahren selbst auflösen. Der geschaffene Platz im Sportzimmer unvorstellbar.

Startnummernausgabe ... Schnell, professionell ... mit 90 dB Rockn Roll auf den Ohren

Startnummernausgabe … Schnell, professionell … mit 90 dB Rockn Roll auf den Ohren

Nützlichkeiten, die man eigentlich doch nicht braucht ;-)

Nützlichkeiten, die man eigentlich doch nicht braucht 😉

Der Starterbeutel recht schnell empfangen. Was hatten die wieder alles rein gepackt. Unfassbar, was die Sponsoren hier locker machen. Endlich mal ein Funktionslaufshirt mit Kompression, ein Buff und einen Visor. Endlich hatte Mann was anzuziehen. Alles sehr sinnvolle Dinge, ich meine es wirklich so. Meine Startnummer die 837. Eine Glückszahl. Ganz klar. Die erste Ultratrail-Startnummer war die 867. Sowas merkt man sich und assoziiert Glück, liegt man im gleichen Nummernkreis. Mental kann ich, oder?

Irgendetwas haben wir noch mit den Dropbag-Beuteln besprochen. Die Lady von der Startnummernausgabe und der BET, also ich. Aber AC/DC aus den Hallenlausprechern war einfach lauter. Ich hatte nur so viel verstanden, dass ich keinen Beutel im Ziel abgeben wollte und wenn, dann sind sie morgen bis ein Uhr da, Warum sind die bis nachts um eins da? Komisch. Egal.

Noch mal über die Messe …

Immer wieder ein Anlaufpunkt für schwierige Fragen .... Infopoint des Veranstalters am Eingang (auch in deutscher Sprache auskunftsfähig)

Immer wieder ein Anlaufpunkt für schwierige Fragen …. Infopoint des Veranstalters am Eingang (auch in deutscher Sprache auskunftsfähig)

Der Abend im Hotel in Taurito verlief dann wie immer. Nix auffälliges. Alkoholstop seit Tagen. Mach ich meistens so. Essen tue ich, wie immer. Dennoch hatte ich es am nächsten Morgen nach dem Frühstück recht eilig, zum Porzellan zu kommen. 😉 Was war denn nun schon wieder. Es lief aber auch wie am Schnürchen. 😉 Nicht verrückt machen. Alle sind ein bissl Aufgeregt. Zu Füssen und Beinen nun noch der Magen. Jetzt reißt euch doch mal zusammen!!! Merke! Wieder keine „Kohlen“ im Überlebenstäschchen.

Noch vor dem Frühstück hieß es auschecken. Also Koffer packen. Mann hat einfach immer zu viel mit. Rein intuitiv packte ich schon mal mehrere Häufchen. Ich sagte mir, wie schon der halbe Hausstand im Hotelzimmer liegt, kannst du ihn auch gleich mundgerecht portionieren.

Klein aber sauber

Klein aber sauber

Mein gebuchtes Zimmer in der Nähe des Ziels war wirklich nur eine Notunterkunft. Sachen abstellen, bin ja eh nicht da und am Tag danach bewusstlos aufs Lager sinken. Dafür sollte es reichen. Mit Gemeinschaftsdusche und –bad würde ich klar kommen. Back to the roots, sozusagen. Ja, manches Mal kommt schon der (an der falschen Stelle) Sparfuchs durch. 😉

Somit war dann auch gleich der Dropbag-Beutel tutti completto. Einer mit den Startersachen und einer mit dem, was an so braucht den Tag über. Einen Koffer und einen Cabin.bag gab es ja auch noch. Buttler bitte! Ich bekam es trotzdem die 700 Schritte, 50 hm, 50 Treppenstufen und 4 Fahrstühle zum Auto.

Schnell war die Anreise zum Liegeplatz erreicht. Ja, das Hotel entsprach dem, was ich auf dem Bild gesehen hatte. Nur einen Parkplatz fand ich (zum Glück) nicht und so fuhr ich noch einmal zur ExpoMeloneras. Ich hatte noch einmal die Entfernungen zur Unterkunft zu checken und die Parkmöglichkeiten. Bei der Gelegenheit kann man gleich noch mal über die Messe schlendern. Fast beiläufig, fragte ich nach dem Abgabepunkt für die Dropbags. „You must stay it here. But only 30 minutes“ Das beruhigte ungemein. In 20 Minuten war ich am Auto und  wieder zurück. Schnell noch alle verlierbaren Teile beschriften und ab dafür. Irgendwas ist immer. Oder wie sagt man. Nichts passiert aus Zufall. Oder warum gab es am Hotel keinen Parkplatz, der mich darauf hin zur Expo fahren ließ? Aber sicher wäre es auch irgendwie anders gegangen. Na so ohne dropbag 😉

Alles muss rein ...

Alles muss rein …

... und alles passt rein.

… und alles passt rein.

Es geht endlich los mit dieser Busrundreise

Pünktlich 20 Minuten vor Abfahrt der Transferbusse war ich schon wieder an der Expo. Das Auto hatte ich am avisierten Parkplatz abgestellt. Keine Parknot. Der absolute Geheimtip, nur 10 Gehminuten vom Zielpunkt entfernt. Eine kleine Gruppe deutscher Starter wurde gesichtet. Mann kennt ja kaum jemanden. Rolf, Tom und Klaus kannte ich bisher online. Nach Austausch einiger Unwichtigkeiten, es wird geflaxt, ganz klar. Jeder versucht, seine Anspannung, so gut als möglich zu verbergen. Diese tagesfüllenden Ausflüge lassen keinen kalt. Erste Ausreden werden erdacht. Zielzeiten werden genannt. Es wird gefrotzelt. Alles war, wie immer. Verrückte, schöne Welt.

Die etwas andere Bushaltestelle ... Vorstratstimmung ... Expo Meloneras bei Nacht

Die etwas andere Bushaltestelle … Vorstratstimmung … Expo Meloneras bei Nacht

Viiiel zu zeitig ging es in die bereitgestellten Busse. Nicht, ohne zuvor noch einmal die Startnummer gescannt wurde. Hier war der Abfahrtsort des Busses vermerkt. Sehr professionell gemacht. Die Startnummer war ein Meisterwerk. Alles drauf, alles dran. Ich Bus durfte ich dann neben den Ultralegenden Jan Prochaska und Michal Vanicek Platz nehmen. Wenn das kein gutes Omen ist 😉 Zuvor noch ein paar nette Worte mit Rolf Kaufmann. Der die Strecke in all seinen Ausprägungen kannte. Seine wohl 6. Teilnahme. Ein alter Hasi auf den Geröllwegen. Natürlich konnte ich die Aussagen nicht bewerten, sollten sich aber alle bestätigen. Lediglich der Downhill nach Tunte hätte ich schlimmer erwartet. Den fand ich sehr cool. Vielleicht auch des Ausblicks wegen oder weil ich diese Art Wege mag und deshalb gut kann?

Nach kurzer Reise waren wir auch schon in Agaete angekommen. Die Hafenstadt mit dem Finger Gottes, den es jetzt nicht mehr gibt. Irgendwann in 2007 oder 2008 hat ihn sich ein Sturm geholt. Nachdem wir noch einmal ein Foto machen durften. Wie erwartet, war es kalt im Küstenstädtchen. Die kleine Minimus war genau die richtige für diese knapp 2 Stunden vor dem Start. Die Kneipiers des Ortes machten an diesem Abend den Umsatz ihres Lebens. Ich hingegen schlenderte durch den Ort. Zeit totschlagen, war angesagt. Getränke hatte ich mir mitgebracht. Auch noch ein leckeres Baguette und einen Kaffee hatte ich in San Fernando, meinem Liegeplatz für die Stunden nach dem Zieleinlauf,  in mich hinein gestopft. Mann hätte etwas eher dran denken können.

90 Minuten vorm Start

90 Minuten vorm Start

Dahinter nur noch Meer

Dahinter nur noch Meer

Alles war fertig und komplett. Dennoch warteten wir pünktlich bis um 23 Uhr. Bis der Startschuss fallen sollte. Wenige Minuten vorher war Unruhe im Teilnehmerfeld. Alle liefen irgendwo hin. Keiner wusste, wohin. Sicher erging es nur den newbies so. Hier empfand ich es als chaotisch. Viel zu weit hinten hatte ich mich eingereiht. Gefühltes Letztes Viertel. Nach Infos vom Rolf sollte es eh erst mal 1300 hm nach oben gehen. Hinaus zum ersten Checkpunkt, der nach 3 Stunden erreicht werden sollte

Es gehet endlich lohos

Meine Fenix hatte überhaupt keine Not, das GPS Signal zu finden. In der unmittelbaren Startaufstellung ging es sehr ruhig zu. Keine Gedränge und geellenboge. Wenn man hinten steht, bei den Radiergummies 😉 Sorry. Das ist nicht bös gemeint. Solch ein Rennen ist anders, hier geht’s um überleben. Zumindest bei der Majorität.

Zu weit hinten eingeordnet ...

Zu weit hinten eingeordnet …

... doch der Blick ging ja eh nach vorn.

… doch der Blick ging ja eh nach vorn.

Punkt 2300 ging es irgendwie los. Es wurde heruntergezählt. „Ariba“. Schnell kamen wir ins Traben. Ein paar hundert Meter auf der Zufahrtsstraße dann ging es auch schon hinauf. Ein breiter Kieselweg reihte das Feld vernünftig auf. Ein paar staustellen,  ganz klar. Es blies ein kalter Wind. Immer noch hatte ich meine winddichte Jacke an und das sollte auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wir waren im Rennen. Es ging los. Das Warten hatte ein Ende. Ich kam ganz gut in Tritt. In Kombination von traben, speedhiking und rumstanding 😉 ging es stehts bergan. Unter uns die Lichter der verlassenen Stadt. Über uns die schier endlose Zahl von kleinen, blinkenden Lämpchen. Manchmal auch ein paar weiße. Eine Serpentine stand an.

Hinter mir nur recht wenige Lämpchen. Man war ich weit hinten. Warum mich das so beunruhigte? Die Cutoff Zeiten waren recht eng gestrickt, so zumindest hatte ich das Gefühl. Also musst du gut in Tritt kommen und nicht im Verkehr stecken bleiben. Ehe man es sich versieht hat man eine halbe Stunde Zeit verloren und merkt es gar nicht.

Immer hoch, hoch, hoch ... erst einmal 1300 hm lang

Immer hoch, hoch, hoch … erst einmal 1300 hm lang

Es ging jedoch gut voran. Die Garmin speicherte tapfer jeden Kilometer. Ich war gut unterwegs. 3 Stunden für 10 Kilometer können viel oder auch wenig sein. Als Straßenläufer hat man davon immer gar keine Vorstellung. Mann kann auf dem Trail nur rennen und hüpfen und kommt mit einem 8 min/km Tempo raus. Du kannst, also ich, kannst speedhiken und kommst auch mit einem 8 min/km raus. Und du kann eine 65%-ige Steigung im Geröll haben und kommts mit einem 23 min/km Tempo raus. Das macht es so unkalkulierbar und gerade zu Beginn solch einer Aufgabe etwas schwierig.

Ich war aber gut unterwegs. Irgendwann überholte mich der Rolf. Der alte Geröllhase. 😉 Sein Schritt war länger. Er machte mehr Meter. Ok, seine Zielzeit des letzten Males war nicht mein Masterplan. Hier ging es zunächst ins Rennen hinein zu finden. Ich kam mit dem Geröll und dem Stein ganz gut zurecht. Alles war meist angewachsen. Die inov8 Schlappen machten einen guten Job. TDS geprüft 😉

Lange hatte ich über die Schuhwahl nachgedacht. Da meine Füße mein neuralgischer Punkt sind, muss ich da besonders Acht geben. Meist sind die Füße nach diesen langen Dingern Start aufgequollen, Blutergüsse an den Sprunggelenken und die Fußsohlen schmerzen. Das kann man bis zu einem bestimmten Punkt alles ausblenden. Irgendwann wird es lästig. Die „Ultraracer 290“ haben schon beim TDS in Chamonix einen guten Job gemacht. Nur die Ferse ist etwas hart für mich. Erstmals habe ich heute dickere Einlegesohlen in den Schuhen. Das Original laufe ich seit meiner 20-monatigen Plantarfasziities nicht mehr. Diese heben die Ferse etwas an und schaffen mehr Dämpfung am Ballen. Je nach Stein- und Gerölllage kann das viele Schmerzen lindern und das tat es bisher tadellos.

Es war stock dunkel und auch kalt. Immer wieder schaute ich auf meine Fenix, die mir aktuelle Höhe, kum. Anstieg, kum. Abstieg und Neigung anzeigte. Die Gesamtdistanz war eh Hupe, das die Zwiebel ah jeden Kilometer brav meldete. Bei diesem Bergrennen ist aber (für mich) lediglich die Höhenmeterangabe die entscheidende. Es wurde steiler. Mittlerweile hatte sich das mit der Joggerei erledigt. Zwischen 30 und 60 % Steigung zeigte die Laufuhr an. Der Stockeinsatz schwieriger. Immer wieder mussten ein paar Steilstufen genommen werden. Vielleicht ohne die Stäbchen manchmal besser. Man weiß es nicht.

Erste Zeitkontrolle – Gewissheit

Irgendwann piepste die Garmin den 9. Kilometer und eine Zeitkontrolle kam in Sicht. Die bewährten Nummernscanner, die bei allen großen, internationalen Rennen mittlerweile zum Einsatz kommen. Parallel dazu wird elektronisch an diversen Süffel- und Schnabbulierpunkten gemessen. Funktioniert aus meiner Sicht nahezu perfekt. Schwachstelle immer noch die notwendige Internetverbindung. Mir ist es eh total Banane. Ich kenne die Distanz und die Höhenmeter, die es zu schaffen gibt. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Nur die aufgeregte Gemeinde zuhause an den Hibbelbords macht sich natürlich so ihre Gedanken, wenn mal eine Zahl nicht kommt. 😉

Musik drang durch die kalte Nacht. Wir hatten mittlerweile den Trail verlassen und sockten auf einer Forstpiste entlang. Nur zu hören war der erste VP. Partymucke vom Feinsten mitten im Wald. Nachts nach eins auf Gran Canaria. Kein Haus, nur Zelt. So gefiel mir das. Auf die Cutoff hatte ich bereits knapp 50 min heraus gelaufen. So hatte ich mir das vorgestellt. Ich war drin. So kann es weiter gehen. Natürlich ging es nicht so weiter. War doch klar. Aber das gesteht man sich nicht ein, darf man nicht. Never!!!

Am Süffelstand trank ich gar nichts. Aß, glaube ich, etwas? Eine Banane. Gab es die da? Ich weiß es nicht mehr. Auf alle Fälle war es kalt hier üben. Wir waren auf über 1200 Metern. Kurze Hose war ok aber oben herum war es schon recht frisch, trug man ebenfalls kurz. Ich war nicht so hitzig.

  • Erste Zwischenlandung in Barcelona, kurze Pause –

Am VP war die Distanz bis zum nächsten Check- Verpflegungs- und/oder Getränkestand vermerkt. Leider keine Höhenangaben im Auf- und Abstieg. Man kann nicht alles haben. Aus Gründen hat man es bestimmt nicht angebracht 😉

Das folgende Teilstück ein Traum von Trail. Zunächst ging es ein kurzes Stück die Forstpiste weiter, die ein paar Meterlein asphaltiert oder irgendwie befestigt war. Dann umrundeten wir einen Barranco auf einem schmalen Pfad, Zum Glück war es nachts und auch meine NAO schaffte es nicht, den Grund zu erreichen. Immer dicht am Abgrund liefen wir entlang. Es war traumhaft schön. Als es einen Massenverläufer gab, durfte ich mal kurz die pace übernehmen. Der Trailzug rollte. Es war traumhaft, hier oben zu laufen. Die Lichter vor unter hinter dir markierten den Weg. Ganze 9 Kilometer sollten wir bis zum nächsten Checkpoint unterwegs sein. Ich hatte die Cutoffzeit von 5 Stunden im Kopf. Mit dem Puffer auf dem ersten Stint konnte ich es also entspannt angehen. Kräfte galt es trotzdem zu sparen. Ich wusste nicht was kommt. Nur das es kommt, war klar.

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Seilversichert … Mit dem richtigen Grip aber auch ohne Handarbeit machbar … 😉

Wieder wurde per Handscanner erfasst, als wir nach 19 Kilometern der 18 km Punkt erreichen sollten. Irgendetwas habe ich gegessen und glaube auch Wasser aufgefüllt zu haben. Da schreit mich jemand von hinten an. Wie man es so empfindet, wenn dein Name, mitten in der Nacht, mitten in den Bergen Gran Canarias gerufen wird. Es war der Andi Haverkamp, der mit seinen Schuhen Probleme hatte. Also mit HOKAs meine ich 😉 Ein paar lustige Bemerkungen später war ich wieder ontrail. Andreas überholte mich wenig später. Nicht, ohne sich mit einem Spruch zu revanchieren. Wer Andi kennt, weiß das zu bewerten 😉

Es ging nun steiler hinauf. Besagte 60% im Anstieg wurden erreicht. Die Flachanstiege gingen mit 30% weg. Das war mal was. Allerdings nichts Unbekanntes. Ich musste immer schön am Gas bleiben. Nicht verlaufen …

Kleine Staustelle ... Das Iphone im Bauchgürtel ist da fix gezückt.

Kleine Staustelle … Das Iphone im Bauchgürtel ist da fix gezückt.

Bis zum km 33 sollte es nun ohne Zwischenpause weiter gehen. Das ist weit, weit am Anfang eines Rennens dieser Kategorie. Ich hatte am letzten VP meinen Puffer auf die Cutoff-Zeit nicht verbessern können. Eben doch eng gestrickt die Kiste und keine geführte Wanderung. Immer wieder musst du rennen, wenn es geht. In meiner Leistungsklasse war das nicht so einfach. Aber machbar. Mein Kopf war klar und frei. Knie und Achillessehne hatten sich an die Aufgabe gewöhnt. Keine weiteren Auffälligkeiten. Das Rennen begann so langsam.

Wir musste im Tamadaba Nationalpark unterwegs sein. Gelegentlich sah ich einen roten anstatt des dunklen, schwarzen Himmels. Der Wind gab alles. Die Temperaturen nicht. Zeitweise konnte man seinen Atem sehen. Es wellte sich so hin. Mal hinauf, dann wieder hinab. Auf Grund der technischen Schwierigkeit holt man im downhill nicht wirklich viel heraus. Es sei denn, man geht bei Kilians in die Lehre. Solch ein Lehrling überholte uns quer durch den Wald. Während der gemeine Trailrunner die Serpentine des Singletrails nimmt, nimmt er die direkte Linie. Nachts im rabenschwarzen Wald. Respekt.

Die Kilometer verronnen. Der Höhenmeterzähler steigt und steigt. Immer wieder musste ich an den erwachenden Tag denken. Schaute nach der Zeit. Die Kilometerzeiten, die Garmins Meisterstück fleißig speicherte beruhigten mich. Irgendwann, gegen 7 Uhr musste ich in Artenara durch sein. Das war einfach zu ermitteln. Gegen 7:10 Uhr geht um diese Jahreszeit hier die Sonne auf. Perfekt. Doch noch war es nicht soweit. Dennoch stand die Dämmerung bevor. Immer mal wieder konnte ich den Bentayga Felsen sehen. Ein markanter, alleinstehender Gipfel. Das Wahrzeichen von Tejeda.

Wir kreuzten eine Straße. Hier war ich vor wenigen Tagen mit dem Auto unterwegs. Hatte den Pfad gesehen, den wir jetzt (fühlbar) senkrecht den Wald hinauf mussten. Mittlerweile wurde km 30 aufgerufen. Es zog sich, wie Kaugummi. Die Kletterstücke überwogen. Der nahende Getränkestand wirkte magnetisch. Alle fünf Kilometer tauchten diese demotivierenden Schilder im Wald auf. Diese, die kein Mensch sehen will. Klein wie ein A4 Blatt aber die Zahlen umso größer.

Es wird die Restdistanz angezeigt – Psychoterror in Reinkultur. Das will doch keiner sehen 😉 Ich kann mich besonders an das erste erinnern. „115 km to meta“ stand drauf. Zumindest konnte ich meine genaue Distanz mit der Restdistanz abgleichen und fühlte mich in der Annahme bestätigt, dass hier nach 123 oder gar 125 km nicht Schluss ist. Aber so ist Ultra. Es ist vorbei, wenn’s vorbei ist. Immer wieder tauchten Ortschaften auf, kleine Weiler. Die aber nicht der nächsten mentale Zielpunkt waren. Dann endlich. Ich konnte die markante Statue hoch über Artenara sehen. Auch der Bentayga tauchte auf. Noch eine kleine Runde durch den Ort und km 35, der km 33,4 war, war Geschichte.

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Erster großer VP – es war sau kalt

Wieder warf ich eine Elektrolyt-Tablette in die geleerte Trinkflasche und füllte mit Wasser nach. Einen kleinen Kaffee habe ich mir noch abgefüllt. Zucker fand ich nicht. Für mein Empfinden der (einzige) schlechte Verpflegungspunkt. Aber vielleicht war ich nur übernächtigt und kaputt und froh, dass das Dunkeltapsen bald ein Ende hatte.

Zwei kleine Bananen, eine halbe Minute sitzen und weiter ging es. Hier oben war es Schweinekalt. Einige Läufer hatten sich die kleine goldene Zauberdecke über geworfen, um sich vor der Kälte zu schützen. Körperfettanteil unter 6 ist also auch nicht immer praktisch 😉 Spaß beiseite. Ich hoffe, alle kamen wieder auf die Beine. Der Kümmerfaktor war irgendwie … niedrig.

Ich sah zu, dass ich wieder auf die Piste kam. Während des Laufens gönnte ich mir einen halben Beutel Süsskramkonfekt. Bring an die 300 kcal. Mann ist beschäftigt und hält den Fettstoffwechsel am Laufen. Als wir den Ort leicht ansteigend (also unter 30% 😉 ) verließen, konnte ich die Kirchturmuhr sehen. Es war viertel sieben. Irre. Wieder hatte ich die vorgesehene, vom Veranstalter erdachte Laufzeit gebraucht. Ich sprach mit mir, war gut im Rennen. Kein Grund zur Sorge. Ist erste einmal die Nacht zu Ende, die Verletzungsgefahr durch eventuelle Stürze minimiert, dann wird es besser.

Bislang hatte ich noch nicht einmal auf mein Roadbook gesehen. Hatte ich es eigentlich im Kopf. Die wichtigen Orte, die Zeiten, wann ich da sein musste, oder eher wieder weg. Für den ersten Marathon war alles präsent. Meine Wunschpace für diese Distanz die des „Mont-Blanc-80“ mit um die 8,5 h. Klingt irre. Ich weiß. Thats Trailrunning, wo es am Ende die bisher höchste ITRA-Bewertung gibt. Da wird schon was erwartet.

Wir liefen jetzt auf dem Straßenstrich. Immer wieder musste auf asphaltierten Verbindungswegen gerannt werden, die zwischen schmalen Ortverbindungswegen verliefen oder umgekehrt? Es dämmerte langsam. Aber Sonne gab es keine. Auch keinen spektakulären Sonnenaufgang hoch über der Insel. Es war einfach diesig, kalt und wölkte (leichter Sprühregen). Für das Laufen perfektes Wetter. Für die Seele war es nichts. Dieser Abschnitt sollte uns nur 9 km bringen. Mit teils wunderschönen Ausblicken auf die Vegetation. Diese wächst nun mal nicht im strahlenden Sonnenschein. Kleine Grüppchen bildeten, so schnell verloren sie sich wieder. Dennoch traf man sich über zig Kilometer ständig wieder. Irgendwie. Es war verrückt.

Kurz vor Fontanales erreichte ich meinen ersten Marathon. Gemeinsam mit einer spanischen Läuferin unterwegs zückte ich erstmals das IPhone für ein Lebenszeichen. Ich war erstaunt, dass ich fast meine Wunschzeit erreichte. Verrückt. Über 3200 hm waren bereits gelaufen. Das war heftig. Mehr als am MB80. Na gut, sagte ich mir. Es sollen ja auch 8500 Höhenmeter im Anstieg zusammen kommen und die letzten 30 km ist man ja flach unterwegs (flach heißt unter 500 hm in den Bergen).

Es rollte. Im Downhill war ich einfach effektiver unterwegs. Der Abschnitt mit "Röckchen" zusammen hat wirklich Spaß gemacht. Leider war sie irgendwann im Rückspiegel verschwunden

Es rollte. Im Downhill war ich einfach effektiver unterwegs. Der Abschnitt mit „Röckchen“ zusammen hat wirklich Spaß gemacht. Leider war sie irgendwann im Rückspiegel verschwunden. Es dämmerte.

Der VP selbst völlig unspektakulär. Ich hatte, da es der Startpunkt der 85k-läufer ist eine mittelschwere Party erwartet. Nix dergleichen.

Die Advanced-runner waren seit 45 Minuten ontrail. Es sollte also nicht zum gefürchteten Stau kommen. Es war sogar recht einsam auf der Strecke. Man konnte nicht glauben, dass 750 Läufer auf der Strecke waren. Oder wie viele waren es noch. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass alle mit diesem engen Zeitfenstern klar kamen. Oder war ich so schlecht. Hatte ich mit zu viel zu gemutet. War das hier meine Leistungsgrenze? Hatte ich sie endlich gefunden? 😉 Nein, nein, nein. So leicht kriegt ihr mich nicht. Meine Pufferzeit wuchs, wenn auch nur minütlich. Es folgten jetzt mehrere Orte mit kurzen Zeitabständen. Als wir nach 50 Kilometern Valleseco erreichten, war es taghell. Die Sonne hatte sich immer noch nicht aufraffen können. Klar, war Wochenende. Das schläft man länger. Wir waren bereits an die 10 Stunden unterwegs. Zeitmessungen gab es keine

Dafür eine geöffnete Tankstelle. Völlig unterhopft 😉 suchte ich meine Geld. Im Trinkrucksack. Ich hatte mich dann trotz der defekten GEL-Tasche für den Soliman-12 entschieden. Aber das Geld war trotzdem nicht am erwarteten Ort. Schade. Kein Dorade-Lemon. Ein Verwöhnprogramm sondergleichen nach all diesem Süßkram. Am VP gab’s auch kein Bier, dafür aber Bänke zum Sitzen. Eine Wohltat, mal eine Minute von den Füssen geholt zu werden.

Bevor ich anwuchs ging es auch schon weiter. Hatte eh nix großes vor. Außer Wasser auffüllen mit der üblichen Tablette. Ein GEL hatte ich auch schon mal wieder eingespritzt. Alles nicht so spannend. Hingegen ging mir die ganze Zeit die Geldfrage durch den Kopf. Da ich das eigentlich immer ganz gut plane, wollte ich es gar nicht verstehen. Bis es mich beim nächsten Speedfoto wie Schuppen, das IPhone hatte ich einer separaten Bauchtasche, des schnellen Zugriffs wegen, aus den Haaren fiel. In der Bauchtasche war der 10-er. Perfekt.

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Man kann sich vorstellen, wie das beflügelte. Wo ist hier der nächste Ort. Ich hatte eine super Ablenkung von diesen „Noch 75km to meta“ Schildern. Wir bewegten uns immer wieder auf herrlichen Verbindungswegen. Der Straßenanteil beschränkte sich nur noch auf den Ort. Hier liefen wir zum VP und parallel wieder zurück, so mein Gefühl.

Der schönste Ort der Insel – und es gab neue Getränke

Bis 13 Uhr sollten wir Teror, der angeblich schönste Ort der Insel, wieder verlassen haben. Es war ein wirklich beklopptes Stück der Wegführung. Als wir am oberen Ortsende einliefen, wechselte der Belag nach Asphalt. Im Ort liefen wir entlang einer viel befahrenen Straße. Rechts oder links. Je nach Gusto. Nur die wirklich hervorragende Streckenausschilderung markierte den Weg.

Das Beste an dem ganzen Ort war der kleine Supermercado an seinem Ortseingang. Kaum wäre ich vorbegrannt. Zwei Tropical-Lemon wurde nach endlosen 2 Minuten im Lager noch gefunden. Während ich bezahlte, packte eine offensichtliche Stammkundin die 2 Biere in einen Beutel und verabschiedete mich.

Was mögen die zwei wohl gedacht haben? Kaum aus Sichtweite, ein Knack, ein Zisch, ein Ahhhh. Trailrunner, was willst du mehr. Man kann sich das nicht vorstellen, wie lecker das war. Nach knapp 11  Stunden dieses Geschmackserlebnis. Der Doseninhalt überlebte das erste (und letzte) absetzen nicht. Weiter ging es durch den Ort auf beschriebene Art und Weise. Mit einkaufstüte in der Hand. Ein Bild für die Götter. Natürlich kannst Du in dem Laden nicht so unfreundlich sein und die Bolsa ablehnen. Geht nicht. Also gab ich den Ultrarunner mit Einkaufsverpflichtung.

Der VP war dann schon fast nebensächlich. Dennoch gab es wieder Stühle zum Hinsetzen. Mein Wasserritual wurde fortgesetzt. Am VP habe ich meist nichts getrunken, da mir das mit dem Faltbecher zu nervig war. Die Wetterlage lud auch nicht gerade zum Trinken ein. Ich tat es, weil es sein musste.

Die Abstände der VPs lagen jetzt wieder bei ca. 9 km und kürzer. Totales Verwöhnprogramm. Wo man aber auch viel Zeit liegen lassen kann. Sollte es aber knackig warm sein, sieht die Sache schon anders aus.

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Teror verließen wir aaaansteigend, steil ansteigend auf einer herrlichen Treppe. Gleiche Stufenhöhe. Ein Genuss für die zwickende Hüfte. Ab und an gab es einen Salzstick. Ich glaube über die Gesamtdistanz habe ich aber nur 3 genommen. Bin nicht so der Salzmann und von der Wirkung bin ich in meiner Leistungsklasse auch nicht wirklich überzeugt. Es war kühl, optimales Laufwetter, die Landschaft ein Traum. Langsam klarte es auf. Wir konnten bis nach Las Palmas hinunter blicken mit seinen vorgelagerten Inseln.

Was nun kam war der dritte große Anstieg. Bis auf 1600 Meter ging es hoch. Bei knapp unter 600 waren wir gestartet. Es waren diese langen Anstiege. Nicht die kurzen, knackigen, die dir die Achillessehnen abreißen. Immer wieder hoch 20 – 25%. Manchmal ein ebenes Stück. Du hängst stetig am Gas und musst aufpassen, dass du das Rennen nicht verbummelst. Ich war mental noch gut aufgestellt. Mein nächster großer Zielpunkt war die Dropbag-Station bei km 82, was nach bisheriger Messung ca. bei km 84,xx sein musste. Vielleicht auch ein Kilometerchen mehr. Wer weiß das schon so genau.

Blick zurück

Blick zurück … Wir hatten schon ein wenig Insel überquert

Die Höhenmeterei hielt sich in Grenzen. Alles nichts dicket. Auf 8500 Höhenmeter Anstieg kommen die hier nie und nimmer, so meine feste Annahme. Das hat wohl jemand mit dem 80 cm Zollstock gemessen. Wenn ich diesen Anstieg geschafft habe, ist es eigentlich durch. Dann noch ein kleinerer von Tejeda rauf und das war’s das. So meine innere Stimme. Es war wirklich ein traumhafter Pfad, der da hoch ober entlang führte. Immer wieder schöne Talblicke. Manchmal ein bissl eben vorausführend. Es schien der offizielle Wanderweg zum Cruz de Tejeda zu sein. Nach 600 hm Anstieg war ein kleiner Versorgungsposten eingerichtet. Wasser, Cola und Iso gab es wohl. Mir reichte Wasser und ein GEL wechselte seinen Aufenthaltsort. Alles war optimal.

Cruz de Tejeda

Kurz nach dem VP wechselten wir auf eine Fahrstraße, die uns zum Cruz de Tejeda herüber führte. Menschen ohne Ende, Autos ohne Ende. Aber sie hatten alle ihre Hände vergessen. Schade.

Mittlerweile hatten wir die Inselseite gewechselt. Die Sonne kam heraus. War es hier oben auf 1600 Metern doch noch recht frisch war klar, dass es im Talkessel auf 1000 Metern recht kuschlig werden kann. Dennoch genoss ich solange es ging den Downhill in meiner kleinen, winddichten Minimus.

Irgendwann aber musste ich dann doch den Trailstrip machen. Jacke aus und rein in den Rücken. Ein frischer Wind versuchte Kühle zu suggerieren. Jetzt begann das gefährliche Wetter. Ehe du dich versiehst bist du verdorrt, ohne es zu merken. Mein Wetter. Ich liebe diese Hitze … Erstmals habe ich auch beide 500-ml-Trinkflaschen gelehrt, als ich bei km 74 (offiziell 71,9) Tejeda erreichte. Das war wieder einer dieser luxuriösen VPs. Alles, was das Herz begehrt. Nur mit Stühlen und Bänken (vielleicht sogar noch im Schatten) sah es schlecht aus. Man kann nicht alles haben.

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Konzentriert bleiben … tunneln …

Ich fand trotzdem einen freien, plastenen Gartenstuhl im Schatten eines kleinen Puppentheaters oder war das eine Figur, wo jemand rein schlüpfen konnte? Egal. Schatten.

Zeit, sich etwas Gutes zu gönnen. Es folgt noch ein größerer Anstieg. Der zum Dropbag-Verpflegungspunkt und anschließend auf den höchsten Punkt der Insel, den „Pico Nieves“. Nutella bewirkt Wunder, nein, auch im Kopf. Die Packung Nutella-Sticks hat nicht lange gelebt. Das Auffüllen der Wasserreserven dauerte etwas. Habe ich auch noch die Reserve-Flask mit 500 ml Wasser befüllt. Somit sollte ich für die große Hitze gerüstet sein.

Den VP verlassend ist erst einmal wieder Muskulatur lockern angesagt. Auf der Ortsverbindungsstraße wird leicht abwärts gelaufen. Um schlussendlich, ein keines Bachbett querend, zum wunderschönen Anstieg abzuzweigen. Das Bachbett lädt zum Bade, nicht aber zum Trinken. Schnell das Buff nass gemacht und das Rübchen ein wenig vorkühlen. Es wehte eine frische Brise und bald wurde es auch schattiger. Nach viel zu kurzer Zeit erreichten wir eine Ortszufahrtsstraße. Auch hier könnte wieder gepflegt gelaufen werden, ohne sich zu überfordern. Vorsorglich kaufte ich mir an der nächsten Bar noch eine eiskalte Cola, die den Weg bis zur nächsten Müllbox auch nicht überlebte. Das war „richtige“ Cola 😉 Zuviel davon, ist ja auch nicht gut.

Alsbald verließen wir die Fahrstraße wieder und folgten dem offiziell ausgeschilderten Wanderweg zum Roque Nublo. Gepflegter Weg mit nur wenigen Kletterstellen aber immer schön ansteigend. Kaum kam man an laufen, war wieder steigen angesagt. Die pace im Schnitt dann auch nicht der Brüller. Man kann einfach nirgendwo ein bissl an seinem Cutoff-Puffer arbeiten. So als alter Trailsack.

So richtig wusste ich in diesem Abschnitt nicht Bescheid. Das ausgegebene Höhenprofil suggerierte hier etwas anderes. Vom Rolf wusste ich, dass wir erst auf den nublierten Roque, dann den VP und dann den Steilaufstieg zum Nieves machen. Na denn. Immer wieder nutzte ich die Bachquerungen, um meine Füße zu kühlen. Ich war nun bereits 18 Stunden unterwegs. Der Tag neigte sich schon wieder dem Ende. Zumindest mit dem Sonnenlicht war nicht mehr lange zu rechnen. Ich stiefelte tapfer weiter den Berg hinauf. Alles keine Steigungen, die wirklich wehtun. Aber 10 km ziehen sich in die Länge.

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Einmal nur noch umrunden und dann geht es hinauf …

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… zum 80 m hohen Monotithen.

Wir umrundeten den großen Steinklotz und stiegen anschließend zu seinem Plateau auf. Hier befand sich eine offizielle Zeitmessung. Gern wäre ich um den Roque drum herum gelaufen. Aber das geht leider nicht, wie ich mich an frühere Ausflüge hier hoch erinnern kann.

Rüber zum großen Kullerfelsen

Und nix wie wieder weg. Essen ruft.

Und nix wie wieder weg. Essen ruft.

Also schnell den Scanner „ertragen“, hat auch gar nicht weh getan, das böse Schild („45 km to meta“) nicht ignorieren könnend liefen wir auf gleichem Weg wieder vom Hochplateau herunter. Nun war mir der Weiterweg völlig unklar. Alles war, wie die ganze Zeit auch, perfekt ausgeschildert. Wenn man beim Laufen nicht einschläft, kann man sich auch nicht verlaufen. Zusätzlich wird an gefährlichen Stellen, auch an Kreuzungen zur Fahrstraßen, mit zusätzlichen „Achtung“sschildern agiert. Das ist schon sehr vorbildlich. Wobei man sich an manchen Stellen fragt, ob der Ausschilderer nach verarbeitetem Sponsorenband, bezahlt wird 😉 Lieber zu viel als zu wenig. Da die Jungs und Mädels die ganze Sache bereits einige Jahre erfolgreich tun, hat man sicher seine Erfahrungen damit.

Sieht schöner aus, als es war. Die Staudamm after Roque nublo.

Sieht schöner aus, als es war. Die Staudamm after Roque nublo.

Ich lief der Meute hinterher. Noch mal eine Biege und noch mal hoch und wieder runter. Ich hatte keine Ahnung wann wir ankommen. Zwischenzeitlich speicherte ich meinen Doppelmarathon mit +D5800 hm nach meiner Messung. Und wieder eine kleine Schneise entlang. Dann endlich Helfer. Das sichere Zeichen, dass hier gleich was passiert.

Wir erreichten eine Zona Recreativa. Auch das blindeste Licht würde hier den Weg ins Umkleidehäusl finden. Was bei Tag betrachtet etwas überbeschriftet wirkt … aber kann bei dem cuttoff (1900 Uhr) …

Egal. Ich war drin. Erhielt meinen Beutel und ab ging es auf die Gymnastikmatte. Frische Sachen anziehen. Der Beutel war im perfekten Zustand. Danke für den schonenden Transport!!!

Schnell waren sauber, trockene Sachen am Körper, die Füße durften noch ein wenig Luft tanken, bevor sich mit Fußbalsam versorgt in duftenden Socken verschwanden. Es sind die kleinen Dinge im Leben. Das war so eins. Am Roque Nublo musste ich mir wirklich auf die Zunge beißen, als ein Wanderer, wohl eher Autotourist zu seiner Begleiterin sagte: „Na wenn die glicklisch aussähn“ Er würde es eh nicht verstehen. 😉 Schade. Ich würde viele Momente, die ich in den vergangenen 18,5 Stunden erlebt habe nicht wieder hergeben wollen. Runnershigh passiert hier laufend. Und bisher ging es mir gut. Mein letzter großer Mentalunkt war erreicht. Aber erst 2 Marathons. Merkt ihrs? Es musste was passieren. The final countdown war noch zu weit.

Nach dem Strip dann noch schnell das Notwendige. Einen Teller Nudeln und eine Handvoll Kartoffeln. Ich hatte keinen Hunger, doch ich musste. Immer wieder wurde an die bevorstehende Verlassenszeit um 19:00 Uhr hingewiesen. Jahaaa. Ich habs gehöhert. Es nervte. Anhand meiner Reaktion war schon klar. Die Stimmung kippte. Vor der Tür dann das Wasser für das Auffüllen der Trinkflaschen. Danke für die Hilfe.

Schnell noch ein kurzer Schnack mit der Cuttoffnervensäge (Sorry, aber hast es ja gut gemeint) und ab ging es durch den Wald. Ich fror, wie ein Schneider. Trotz übergezogener Jacke. Mein Rucksack war extrem leichter geworden. Kein Ladegerät mehr. Ich hatte die Fenix noch einmal auf 90% aufgeladen während der Pause. Zuvor hatte sie sich schon einmal bei km 60 gemeldet, sodass ich sie eine Stunde später mit 17% Restladung am Arm auflud. Das funktioniert ganz gut während des Betriebes. Bei TDS erstmals getestet, funktionierte es heute perfekt. Der ganze Track ist auf der Uhr.

Überflüssiges wurde alles im Dropbagbeutel verstaut. Auch meine zweite Lampe brauchte ich nicht. Die NAO mit Reserveakku hat über 14 Stunden im reaktiven Modus funktioniert. Hammer!!!

Besonders unangenehm waren meine kalten Füße. Durch die Bachquerungen waren sie nass und ausgekühlt. Bei nächsten Mal werde ich sicher wieder durch das Wasser laufen. Aber gleich etwas Warmes anziehen. Durch die nun folgenden 250 hm auf geschätzten 1000 Meter machen nach kurzer Zeit warm. Es ging fast direkt den Berg hinauf. Mann hab ich geflucht. Es kippt. Alter Mann die Stimmung kippt. Nein, ich habe es nicht gemerkt. Dieses langsame Anschleichen tückisch. Da muss man gegen steuern. Ich hätte Musik anschalten sollen. Hab ich übrigens die ganze Zeit nicht gemacht. Sicher und trocken steckte der MP3 Player samt Kopfhörern in der Bauchtasche.

Immer und Immer höher ging es den Berg hinauf. Was war dann der hässliche Downhill, von dem der Rolf am Start sprach. Ok. Erst mal hinauf. Irgendwas mit 1950 m üNN hatte ich mir aufgeschrieben. Eine Leitplanke zu einer Straße wurde überstiegen und dann sollten die Stalker mit ihren Scannern auch schon wieder präsent sein. Neee. Es wurde elektronisch gemacht, da mit dem Auto zu erreichen.

Das war’s dann also mit heavy Anstiegen. Nur noch schnell 40 km Downhill und das Ding ist im Kasten. Na das war ja einfach 😉 Nein, ich hatte einen Höllen Respekt von der Restdistanz. Zumal es mit den 123 km Gesamtdistanz nun auch Essig war. Wie GPS ebenso misst oder nicht. Aber im Nachhinein hat sie fast perfekt gemessen. Wie viele zusätzliche km würden kommen? Durch meine Luxuspause mit Sachsenwechsel war meine Pufferzeit auf 1:40 Std. geschrumpft. Wenn du dich einmal im Downhill um 3-4 km verfranzt und wieder zurück musst. Viele böse Gedanken kamen auf.

Aber erst mal ging es abwärts. Downhill, wie ich ihn liebe. Nichts dicket. Alles gut zu laufen. Die LaSportiva Ultra Raptoren kamen trotz mangelnden Profils ganz gut mit den etwas rutschigen Passagen zurecht. Hier hätte ich mit was salomonisches, softgroundiges gewünscht. Aber die sind für meinen Quadratlatsch, den ich mir jetzt angelaufen hatte, einfach zu eng. Keine blauen Zehennägel mehr, kein verrutschen im Schuh seit der Absage an Salomon für die langen Dinger. Für mich eben nicht der optimale Schuh, leider. Aber für die kurzen Distanzen, bis 5 Stunden, oder wenn es wirklich nass und glatt wird, geht’s schon. Watt mutt dat mutt.

Ich kann ganz gut runter, nur die Nase nicht. Kein Taschentuch dabei. Warum läuft die denn mit einem Mal so. Ich schaute an mir herunter. Rote Pünktchen auf blauer Windjacke. Das ist Mist. Nasenbluten. Ich musste aber weiter. Konnte mich nicht mit solch einem Nebenkriegsschauplatz befassen.

Mann versucht erst einmal, das Thema zu ignorieren. Kennt man ja. Irgendetwas ist immer. Also Hirnströme umlenken. Klappt nur bei dem Thema nicht, die Suppe läuft Dir trotzdem aus der Nase. O.K. Ich höre schon auf. 😉

Es läuft, aber oben

Also kurzer Stopp. Meinen Erste-Hilfe-Kasten aus dem Rucksack geholt und einen Mullverband opfern. So ein Tampon Verkäufer am Wegesrand wäre jetzt wirklich toll gewesen. Wenn man sie schon mal braucht. Spaß beiseite. Die Stöcke in der einen Hand, mit der anderen Hand versuchte ich die Blutung zu stoppen. Nicht so einfach in der Downhill Bewegung. Aber irgendwie ging es. Immer mal ein Test, läuft noch. Ein Theater am Pico Nieves sage ich euch. Das gute war, ich war beschäftigt und der Kopf kam wieder frei. Die schlechte Nachricht. Jetzt fing die andere Nasenseite auch noch an. Sicher irgendsolch eine Kreislauf Geschichte oder Adern geplatzt. Nichts Genaues weiß man nicht.

Ich ersann einen Nasenverband, Hatte ja noch eine Binde mit. Außer der adhäsiven natürlich 😉 Der Weg wurde steiniger, ich lief vorsichtiger, die Blutung ließ nach. Besser war es auch für die Kompresse. Noch eine hatte ich ja nicht, Was soll man denn noch alles mit schleppen. Als wir den Karrenweg erreichten, eine aus meiner Sicht wunderschöner gepflasterter Weg, war die Nase wieder in Ordnung. Ich stellte vorerst auf Mundatmung um. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Herrliche Weitblicke ... das nächste Mal bin ich etwas eher hier ... ;-)

Herrliche Weitblicke … das nächste Mal bin ich etwas eher hier … 😉

Diese Felsnase ist bereits aus Meloneras (Dünen von Maspalomas) auszumachen

Diese Felsnase ist bereits aus Meloneras (Dünen von Maspalomas) auszumachen. Unser Abstieg.

Die Landschaft zum nächsten VP nach Tunte ein Traum. Zum Glück durfte ich das noch bei Tageslicht erleben. Wunderschöne Felswände. Wir sahen einen Stausee. Wahrscheinlich der von Ayagaures, der irgendwann bei km 106 (nach meiner Rechnung km 110) erreicht wird. Ich passierte den Großteil des Weges bei wunderschönem Sonnenuntergang. Endlich mal was fürs Auge. 😉 Es ging wieder weit hinunter. Ich glaube bis auf 800 m. Ich zog es dann doch vor, noch vor Tunte die Lampe aufs Rübchen zu schnallen. Wenn die Sonne verschwunden ist, geht es hier im Süden ja recht zuging. Und dann ist Dunkeltuten angesagt. Alles war vorbereitet. Das Buff bereits seit dem letzten VP auf dem Kopf. Die Lampe im Außenfach des Laufrucksacks. Es wurde um Millisekunden gekämpft. 😉 Spaß beiseite. Lampe suchen im Dunkeln macht keinen Spaß, deshalb bin ich das lieber gut vorbereitet. Auch den neuen, vollen Akku hatte ich drin. Getestet. So bin ich eben.

Mein Weg. Karrenwege vom Feinsten. Die kommt Fahrt auf. In Formation downhillte ich mit zwei spanischen "Downhillern". Das war eine Freude.

Mein Weg sollte folgen. Karrenwege vom Feinsten. Die kommt Fahrt auf. In Formation downhillte ich mit zwei spanischen „Downhillern“. Das war eine Freude.

In Tunte dann hat man den VP recht schnell erreicht. Einen Kilometer rennt man durch den Ort, dann ist man auch schon da. Und hier passierte es nun, was passieren musste. Mein Tiefpunkt wurde erreicht. Dieses blöde Schild … 31 km bis zum Ziel stand in kleiner Schrift drauf. Und ich hab es trotzdem gelesen. Sooo weit. Noch 400 hm Hoch, dann nach Ayagaures runter, dort noch mal 250 hm runter ins Flussbett und dann ist man auch schon fast da. In dann noch mal 19 Kilometern.

Ich konnte es nicht fassen. Noch 31 km. Es war wieder dunkel. Stockdunkel. Ja, ich habe meine Schwachstelle erkannt. Nachts übern Trail rennen muss dringend trainiert werden. Wenn’s geht noch hundemüde. Ich arbeite dran.

Na dann trinke ich erst mal einen Tee, um das Gemüt zu beruhigen. Gibt’s nicht? Nicht mal eine Beutel und heißes Wasser? Nix. Nur Cola, ISO, Wasser und irgendwas zu essen.

Ich musste mich hinsetzten. Kein Stuhl. Ahh. Da hinten am Ende des kleinen Platzes eine Steinbank. Meine Steinbank. 31 km noch. Das darf doch nicht wahr sein? Es ist vorbei, wenn es vorbei ist. Wenn es vorbei ist!!! Am Ende. Ich redete mit mir. Noch leise. Aber ich kann auch laut. Obwohl ich das schon sehr, sehr lange nicht mehr gebraucht habe. Habe das mit dem inneren Anschreien ganz gut im Griff. Ich kehrte zur Tagesordnung über. Kopf frei. Weg mit den Gedanken. Mit dem Cutoff blieb alles irgendwie konstant. Na wenigstens was.

Was mache ich jetzt. Keinen Tee. Keine Lust. Noch nicht im Ziel. Meine Nase läuft? Zum Glück nicht wieder das, was ich befürchtet habe.

Eine Mullkompresse hatte ich noch. Zum Nase putzen reicht es. Ärger rausputzen. Nagetier du musste jetzt einfach ins Ziel, Dann ist es geschafft! Dann biste durch! Nur noch 3 Stunden als Trainingsjog oder hier eben 5. Ist doch total Banane. Ins Ziel musst du. Ich muss wohl sehr bedürftig ausgesehen haben. Zumindest sprach mich eine Helferin mehrfach mit „Are you ready“ an, was ich irgendwie mehrfach und erfolgreich ignorierte. Hatte mit meiner Looserseite zu tun 😉

Alles gut. „I’am ready, I‘am o.k., Great race, thank you“. Antworte ich. Sie ging einfach nicht. Ich packte meinen „Sanikasten“ wieder in den Rucksack … Jetzt fangen die hier auch noch zu tanzen an. Mann und Frau waren wirklich sehr bemüht. Ich hatte aber (leider) keinen Kulturbedarf. Im Nachhinein betrachtet hätte ich vielleicht mittanzen sollen?

Auf geht’s. Ich folgte meinem Lieblingsflucher. Bereits in Tejeda war er mir aufgefallen. Er fluchte von Zeit zu Zeit immer auf Spanisch. Motivationssprüche, die ich nicht verstand. Dann rannte er immer wie ein geölter Blitz los, um sich weniger später wieder überholen zu lassen. Ein wirklich lustiger Kerl. Im Ziel lief er kurz nach mir durch und schimpfte bei Schuhe ausziehen, wie ein Rohrspatz. Wir lächelten uns an.

Wir stapften eine Straße hinauf. Asphalt. Na prima. Ich war noch drin, in diesem tiefen, tiefen Tal. Jemand sprach mich auf Deutsch an. Ich verstand nix oder hörte nicht hin. Ging einfach weiter. Was mache ich jetzt? Ich wanderte zügigen Schrittes das Dorf hinauf. Es war angenehm zu gehen. Ich kam gut rein. Suchte mir immer wieder eine Lampe, zu der ich aufschließen konnte. Es konnte auch getrabt werden, Geröll kam auf. Wieder eine knochentrockene, staubige Straße. Irgendein Sandstaub. Ich hatte sowas mal in seiner Endform beim Bluetrail erlebt. Ich dachte, ich laufe im Zement rum. Es war einfach nur staubig. Endlich ein Abzweiger nach endlosem Auf. (so dick war es gar nicht, aber was der Kopf draus macht), Es ging auf schmalem Pfad nach Ayagaures hinunter. Ausgeschildert. Hier muss ich schon mal gewandert sein. An dem Stausee waren wir schon mal. Meine Lampe suchte die Felswände ab. Bei Tageslicht musste das hier ein Traum sein. Ich sagte mir das. Es half.

Ich perfomte wieder auf dem Trail. Immer mehr rote Lämpchen durften sich meines ansehen. Sollte ich mal zuhause anrufen? Und dann? Ein bissl jammern? Hilft ja manchmal in extremen Situationen. Mein „Freund“, der fluchende Spanier mit seinen roten Kompressionsstrümpfen kam mal wieder vorbei. Ich sah schon den Ort. Endlose 12 Kilometer, für die ich wohl 2,5 Stunden gebraucht hatte. Ja, es gab auch laufbare Passagen. Mein Kniehub, über einen Kronkorken wäre ich sicher gestolpert.

Erste Häuser tauchten auf. Eine Gruppe erfahrener Einheimischer feuerte jeden an, der hier vorbei kam. Keine Ahnung, wie spät es war. Für mich war es nur noch Nacht, dunkel, aber warm. Ich hatte die Jacke wieder im Rucksack und lief kurz, auch oben. Oder erst am VP. Ich weiß es nicht mehr. Die Stirnlampe drückte. Ich ruckelte sie an meiner Stirn herum, machte sie lockerer. Mann beschäftigte sich. Nur nicht einschlafen. Nur nicht verlaufen! Bleib wach.

Es war verdammt einsam hier. Wir erreichten den Staudamm. Endlich. Der Ort konnte nicht mehr weit sein. Die Erstanfeuerer waren von weitem noch zu hören. Wir liefen an einer hohen Mauer entlang. „Campo de futbol“ oder so etwas. Vielleicht gab’s die Mauer auch gar nicht. Hatte im Downhill ja schon USB-Sticks am Boden liegen sehen. Hmmm. Teilweise Straßenbeleuchtung. Einige Lämpchen gingen einen Berg hinauf. Die Strecke teilte sich hier. Wenige Augenblicke noch. Der (für mich letzte) VP war erreicht. Kleine Jungs wurden gemaßregelt, dass sie mir nicht die richtige Gasse zum Einlaufen zeigten. Ein letztes Mal elektronische Messung. Eine Mauer hinterm dem Fressstand war meine. Rucksack ab, Lampe ab. Kopf in die Hände. So saßen hier einige. Ich wollte Tee. Oh, schade. Nix mehr da. Kanne leer.

Kein Problem, sie holt neuen. Daaaanke. Teeee. In Windeseile war neues Zauberwasser in die Thermoskanne gekommen. Welch ein Geschmackserlebnis. Mein Rachen glich einer Raspel. Ich konnte die ISO Tabletten auch nicht mehr sehen.

Nur noch 19 km. Oder 20 oder 18. Konnte man endlich mal wieder am Stück was rennen. Diese Intervalle nervten. Aber ich sah wieder Licht am Ende des Tunnels. Eine lange Durststrecke ging zu Ende. Ich glaube wohl die Hälfte des Weges … Alles wird gut, am Ende. Wenn’s scheiße läuft, ist es nicht das Ende. Gehen, bis es wieder läuft. Gehen wenn’s nicht mehr läuft. Immer wieder antraben. Immer wieder. Routine reinbringen. Nicht nachdenken!

Ich war wieder fit, mental zumindest. Jetzt noch 14 km und dann kann ich richtig renn. Vielleicht wird das irgendwie um 2 werden. Das wären dann immer noch 3 Stunden vor Zielschluss. Ich hatte aufgeholt? Gut.

Ich verließ den Rastplatz mit 2 weiteren Läufern oder 3. Viele. Eigentlich brachen wir alle auf und der Rest des Dorfes mit 😉 Ich hab keine Ahnung. Ich musste los. Hatte noch ein date, in Meloneras, Die warteten mit ihrem Zielbogen … Wir hängten uns aneinander. Wechselten uns ab. Bis keiner mehr überholte. Plötzlich war ich mutterseelenallein. Hoch, hoch. Noch 250 hm und dann noch in das Flussbett. Hoffentlich kann ich da vernünftig renn. Ich will ankommen. Ich will ins Ziel. Es ist dann genug für heute. Mein Trailbedarf ist erfüllt. Endlich, es geht runter. Ja, schön geröllig. Aber für das ein oder andere Intervall reicht es.

„Japanischer Steingarten“ – Lustige Bezeichnung aus dem FB-Beitrag von Klaus Dahlbeck, die es sowas von trifft.

Endlich. Ich bin im Flussbett. In DEM Flussbett. Das hat die Welt noch nicht gesehen. Ich fluche. Immer noch leise. Hier kann ich doch nicht laufen. Grobe Kiesel zwischen Schilf. Haben die das hier extra gemacht??? Acht Kilometer soll das so gehen? O.k. Mein Kopf fuhr Achterbahn.

Das kann doch nicht wahr sein? Bin ich falsch hier. Neee. Überall markiert. Ich hatte die Laufuhr auf Distanzmodus geschaltet. Die haben einen Vogel. Ich suchte die Felswände mit meiner Lampe ab. Irgendetwas Tolles muss doch hier sein. Diese Geröllhalde war es nicht.

Ich war durch, am Ende. Der Kopf musste aus. Was soll ich tun. Ich suchte den Boden nach etwas tollem ab. Einen Hühnergott. Da, eine verrostete Stalllaterne. Sah jedenfalls so aus. Oder wieder nur eine Fatamogana. Die Kilometer zogen sich. Ab und an wechselten wir die Bachseite. 20 m vielleicht. Eine Fahrspur. Intervalle waren angesagt. Wenige Meter später wieder Geröll. Unglaublich. Wer hat das ganze Zeug hier her gekippt. Nach endlosem Alleingang hörte ich Stimmen, sah Licht. Läufer saßen am Geröll, den Kopf in den Händen. Es war das letzte Gericht, was uns hier erwartete. Ich traute mich kaum zu traben. Teils Knöchelhoch die Kiesel. Wollte mich nicht noch verletzten. War bisher ohne Sturz durchgekommen. Wieder laufen. Oh, lange laufen. Das Geröll hörte auf. Nur noch wenige Passagen auf einem staubigen Fahrweg. Immer wieder laufen. Doch? Was war das.

Wieder hatte der Veranstalter mehrere Wagenladungen Kiesel hier abgekippt 😉 Böses Gestürze setzte ein. Und ich dachte, ich bin durch. Wieder diese zermürbenden Kiesel. Ich konnte das Klackern nicht mehr hören. Oh, ein Licht. Eine Straße, eine beleuchtete Halle am Horizont. Oder doch nicht?

Eine „Zement“piste tauchte auf. Ich liebte jetzt diese staubigen Wege. Herrlich. Nur keine Kiesel mehr. Nein, keine Steine mehr. Ich konnte laufen. Meine Muskulatur feierte. Laufen. Wandermuskulatur ade. Ich sammelte Läufer ein. Doch das war mir eigentlich egal. Ich konnte laufen.

Wir kamen an einem Kassenhäuschen vorbei. Eintritt für die Zielgerade? Bei näherer Betrachtung war es ein aufgestelltes Abflussrohr, in dem ein Stab mit einer Streckenmarkierung steckte. Wieder tauchte eines dieser bösen Schilder tauchte aus dem Dunkel. „4 km to meta“ Ich sollte in 30 min durch sein oder 35 oder … egal. Land in Sicht. Gaaaas. Gas hieß 7 min/km Tempo 😉 Viele weitere Läufer kamen ans laufen.

Wir kamen in ein luxuriös ausgekleidetes Bachbett. Die neue Wegstrecke. Kein Asphalt. Wir laufen durch eine trockene Flutrinne. Geniale Idee. So kannst Du dich durch die Stadt bewegen, ohne Straßen sperren, auf Fahrzeuge Rücksicht nehmen zu müssen.

Wir verließen kurzzeitig den Kanal. Ich lief eine Treppe hinauf. Der letzte VP, offiziell bei km 120, tauchte auf. Wir wurden jubelnd begrüßt. Ich spendete eine leere Trinkflasche, traf nicht mal das Scheunentor damit und lief die nächste Treppe wieder hinab ins Flussbett. Ich brauche nix mehr. Ich will nur noch ins Goal. Lasst mich in Ruhe. Macht den Weg frei. Ich habe genug.

Ein Rechtsschwenk und dann hinauf auf eine Fußweg. Immer geradeaus bis zum Ozean. Absperrungen kamen in Sicht. Ich konnte das Ziel hören. Ich hatte einen verlassenen Zielbereich erwartet. Hier war Party. Das „Depa“-Double begrüßte jeden. Als ich den Zielbogen für die lange Schleife passierte, wurde mein Name genannt. Ich schwitzte in den Augen. Es war fertig. Ich war durch. 125 km mit 6700 hm im Anstieg (offiziell 8000 hm).

An der Wende noch mal die Sachen gerichtet. Das Zielfoto ist das Wichtigste. Nach all der Rennerei.

Einhundert Meter noch, 50 m noch. Ich lief an der Tribüne vorbei. Wurde bejubelt. Der Torbogen nah. Ich lief die Rampe hoch. Der Schweiß tropfte aus den Augen. Ich war im Ziel, hatte gefinished. Nach

26:41 Stunden

Hatte ich die Trans Gran Canaria 2016 ins Ziel gebracht. Fertig!

drin, im goal

drin, im goal

TGC 2016 HP Dist

Ebene Abschnitte … Fehlanzeige

 

Mehr als verdient

Mehr als verdient

 

Der Sammler ... ;-)

Der Sammler … 😉

4 Kommentare:

  1. Gän-se-haut!!!! Danke, Kersten, dass Du uns mitgenommen hast auf Deine unglaubliche Reise! Großen Glückwunsch nochmal!

  2. Ganz großes Kino – Glückwunsch und mega Respekt!!!

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