Transvulcania 2014: Bergziegenpfad oder 1. Vertikal Kilometer La Palma am 08.Mai 2014

Kurz vor km 1 geht es natürlich nicht runter. Man läuft hier si dicht an der Felskante, da kann ein GPS schon mal verrückt spielen.

Kurz vor km 1 geht es natürlich nicht runter. Man läuft hier si dicht an der Felskante, da kann ein GPS schon mal verrückt spielen.

Ich kann es heute nicht mehr genau sagen, was ich mir bei der Anmeldung zur „Vertikal Kilometer“ gedacht habe. Es kann nur der Restalkohol eines schönen Weinabends gewesen sein.

Fertig zum Angriff

Fertig zum Angriff

An sich ist der Norddeutsche ja nahezu dafür geboren, in den Bergen zu laufen. Rein landschaftlich gesehen. Aus diesem Grunde stand ich dann am gestriigen Tage, pünklich war ich mit der Liniengaleere aus Los Llanos zum Kämpfen angereist. Ja ich war zum Fighten hier. Am Vortag hatte ich ja noch einmal die Originalstrecke entdeckt und war diese, völlig deprimiert danach, noch einmal abgewandert auch abgeklettert.

Thats vertikal„, sagte Kilian im Bus auf der Rückreise zum Startort.

Ich war pünktlich in EL Puerto angekommen und der Einpeitscher war bereits anwesend und sorgte für Stimmung ohne gleichen. Man kennt ihn ja. Bei allen Veranstaltungen der Skyrunning Federation vor Ort. Die Startzeit rückte näher. Ich hatte mein race-outfit mit Armlingen und Nackenschutz komplettiert. Auch Kilian war bereits vor Ort, zumindest stand er plötzlich neben mir. Ich nahm es irgendwie war, war bereits völlig auf die Aufgabe fokusiert.

der Einpeitscher ... und er macht das richtig gut!!!

der Einpeitscher … und er macht das richtig gut!!!

Der Start erfolgte in mehreren Wellen. Ich war in der ersten. Startplatz 19 (TRV_informacion_kv_ENGLISH), immer im Abstand von 30 Sekunden wurde hier losgerannt. In Welle 2 und 3 und bei den Frauen gab es dann 1 Minute Vorsprung. Besonders typisch wieder die ausgehängten Listen. Men 1 war Welle 3 – Men 3 war Welle 1. So sind sie, die Spanier. Mit spitzen Ohren verfolgte ich die aufgerufenen Namen. Mein Mund bereits wieder ausgetrocknet, ehe ich dran war. Fehler sind zum begehen dar. Zu wenig Wasser mitgeschleppt. Die Soft-Flask im Startnummerngürtel sollte aber für unterwegs bleiben. Kluge Entscheidung.

Der Einpeitscher rief die Starter auf die Startrampe und die sich vorbereiten sollten auch. Ich war viel zu früh an den Start gestürzt. Mein Name klingt nicht nur im deutschen … „Quattro minutos, Kersten“ Persönliche Ansagen wurden getroffen. Ich „quittierte“.

Startrampe El Puerto

Dann gings endlich los, die Startrampe vom Strand hinauf, über die Zeitmessmatten durch ein Spalier jubelnder Zuschauer. Hier war jeder ein kleiner Held. Gigantisch. Das Adrenalin ließ mich locker werden. Meine Taktik hingegen musste ich gleich auf den ersten Anstiegsmetern begraben. Langsam angehen. Puls niedrig halten. Alles Käse bei so einer Kulisse.

Menschenmassen ohne Ende. Da kannst Du nicht speedwandern. Kommt dann noch dein vor dir gestarteter Läufer in Sicht, tippelst Du bis der Oberschenkel brennt. Musste mal über ein Geröllstück gegangen werden, gabs gleich wieder (gefühlte) hunderte Anfeuerungsrufe und wenn du dann wieder am Laufen warst … Beifall. Irre.

Meinen MP3-Player schaltete ich aus … es war heute to much. Die Zielpace gleich beim Start unterschritten und auch die 2.Runde (bei mir hat eine Runde immer 500 m) war viel zu schnell. Ich merkte es deutlich. 5000 Puls und die Beine … würden sich erholen. Die ersten 250 Höhenmeter waren im Sack, nur noch 900. Das geht ja 😉

An so etwas denke ich aber unterwegs gar nicht, da gehts von Gipfel zu Gipfel. Das ganz Dicke sollte ja noch kommen. Momentan fand die Erwärmung und das reinfinden ins Rennen statt. Die es eigentlich nicht nötig hatte (Mensch, gar keine Erwärmung gemacht, fällt mir ein … vergessen) Wir hatte an die 28° im Schatten und den gab es heute mal ausnahmsweise nicht. Na gut, die ersten 200 Meter in „The Wall“ waren schattiert.

Den ersten Läufer hatte ich überholt. Das beflügelte und gab das notwendige Selbstvertrauen. Auf dem Asphalt angekommen durfte endlich mal gespeedwandert werden. Durch den ebenen Untergrund war ich fast genau so schnell, wie tippelnd durchs Geröll und über die kleineren Felsen.

Wieder kamen ein paar Läufer in Sicht und ich kam, es ging hier nur „leicht“ bergan, wieder ans Laufen. Gleich drei Läufer konnte ich überholen. Aber auch ich wurde überholt. Man sah ihm das Leistungsvermögen an …

Der erwartete Abzweiger ins „Gebüsch“ fand nicht statt, der GPS Track war also auch nicht vollkommen. Mir war es recht und nach einem fast 200 m ebenem Stück, welch Wahnsinn, gings in glühender Hitze und praller Sonne nach El Time hinauf. Einen Tick zu warm vielleicht, so windstill, wie es hier war.Meine Flask musste ich bereits vor dem ersten (und einzigen)  Süffelstand bemühen. Es war brütend heiß auf dem Asphalt.

Da oben, am Horizont … ein Stimmungsherd. Dazwischen endlich mal keine „Antreiber“. Ihr ward die Geilsten. Ein Wasserschlauch wurde gereicht. Oh, angenehme 35° 😉 Ich konnte den Mund ausspülen das reichte. Und ich konnte wieder weiter tippeln. Irgendwann muss man hier doch mal oben sein. Ich sah den Mirador. Ein letzter steiler Anstieg hinauf und dann war er erreicht, der Trinkstand. Wie ich später erfuhr, war ich unter 30 Minuten hier hoch „gehetzt“. Unglaublich

Man hat ja bei solche Rennen eigentlich überhaupt keinen Plan. Wie schnell kannst Du, ohne dich zu überfordern? So rein herztechnisch gesehen. Wie wird die Muskulatur das überhaupt wegstecken. Wie schnell kriegst Du das Laktat wieder aus den Beinen, um den nächsten Steilanstieg zu meistern. Was machst, Du, wenn Du die Sternlein siehst in der Affenhitze. Tausend Fragen und noch keine Antwort. Doch es klärte sich einiges, so unterwegs bei meinem ersten „Bergsprint“

Am Wasserstand gabs auch ISO, also ISO sind hier „Aquarius“ oder „Powerrade“. Hauptsache kein Wasser. Ich benahm mich ordentlich an der Wasserstelle 😉 , man will ja nicht ins Gerede kommen und griff ordentlich von jedem Getränk einen Becher. Alles angenehm kühl.Wohltuend, wenn auch sofort auf der fiebernden Körpertemperatur.

Das folgende Steilstück hinauf zum Funkmast nutzte ich für die Getränkeversorgung. Alles fühlte sich wieder wesentlich besser an und ich kam wieder ans Laufen. Kilometer 3 wurde gespeichert. Nur noch 4, diesen Gedanken hatte ich schon.

In der Ebene gab es keine Zuschauer. Es folgte das wohl längste „ebene“ Stück. Da ich hüpfen und springen konnten, rein verletzungstecjhnisch gesehen, war es eine wahre Freude. Auch den nächsten Stimmungssherd konnte ich auf meine Seite ziehen, komplett hochgerannt bis zum „Schweineohr“-Abzweiger.

Vor Jahren, wir kamen wandernd vom Muchachos zurück, lag hier mal ein fettes schwarzes Hausschwein. Ich wäre fast auf sein Ohr gelatscht. Schwarz das Ohr und schwach meine Körper. Man war das ein Schreck, damals, als wieder noch gewandert sind 😉

Ein schattiges Stück, wohl an die 100 m lang, bereitete den nächsten Anstieg vor. Die Zuschauer wurden wieder zahlreicher, es wurde steiler. Ein junger Läufer überholte mich hier. Die Technik wirklich perfekt. Lerne ich sicher auch noch, wenn ich mal groß bin (Startnr. 91).

Beschilderung am Wegesrand ... perfekt. Flatterbänder und Sperrungne mit Trassierband ließen keine Irrungen aufkommen.

Beschilderung am Wegesrand … perfekt. Flatterbänder und Sperrungen mit Trassierband ließen keine Irrungen aufkommen.

Weiter gings. Irgendwann erreichten wir das Refugio Cabezados. Ein gepflasterter Weg führte dort hin und wir durften am ihm ein kurzes Stück laufen, downhill. Ein Traum. Stufen existierten für mich nicht. Ich flog förmlich den Weg hinunter. Keine Anzeichen von Schwäche. Alles stabil beim Hüpfen und Springen. Es machte wirklich tierischen Spaß, hier runter zu knallen.

Die Anstiege nahmen nur zu, vor allem die langen. Die, die richtig weh tun. Mir war das bewusst, je öfter ich nach vorn schaute. Wolkenfreier Himmel. Die Laufstrecke säumten jetzt Menschen ohne Ende. Hier, wo das Leiden richtig anfing gab es natürlich was zu sehen. Und auch was zu tun, denn das Anfeuern nahm kein Ende. Wasserflaschen wurden gereicht … es war Hammer.

Auf was achtet man überwachungstechnisch. Auf Höhe und Rundenzeit. Doch irgendwann auch das nicht mehr. Da gehts ums ankommen. Ich hatte mir im Vorfeld, natürlich, einige gute Videos zum Thema vertikal Rennen angesehen und es war wirklich so. La Palma ist da sicher immer noch einen Zacken schärfer. Hier lebt man ja, bekanntlich, Transvulcania. Selbst im Bus wirst Du gefragt „Vertikal? Tazacorte?“ Und das sind keine Sportskanonen, die das fragen!!!

Ich sockte den nächsten Anstieg hinauf. Die Muskulatur arbeitete mittlerweile im Grenzbereich. Da traf ich Xavier Thévenard, den UTMB Sieger 2013 und gleichzeitig Streckenrekordhalter. Ich vergaß alle Schmerzen, kurze Zeit, dann überwältigten sie mich wieder. Ich drängte ihm meine Hand auf … musste sein! Wenn das mal wirkt 😉

The North Face Ultra Trail du Mont Blanc 2013 - Xavier Thévenard - Chamonix, France (c) Damiano Levati/The North Face®

The North Face Ultra Trail du Mont Blanc 2013 – Xavier Thévenard – Chamonix, France (c) Damiano Levati/The North Face®

Es war so unglaublich. Weit konnte es doch nicht mehr sein. Und war das schon der fette Anstieg? Hoffentlich. Erst einmal gegangen, noch dazu geschwächt hoffte ich es. Auf seinem Gipfel angekommen wusste ich es. Nein, er war es noch nicht. Aber ich sah ihn bereits vor mir. Der Weg mit Zuschauern gesäumt. Der Kletterberg. Die dicke Berta. Hier gabs nur noch kämpfen. Ich wurde wieder überholt. Ich konnte nicht dagegen halten. Aber der Abstand blieb auch irgendwann konstant.

Ich schaute zum zweiten Male auf die Uhr 1:08 Std. Hammer. Ich würde meinen Plan A locker unterbieten können. Nur noch so weiter machen. Immer hochklettern, Stein für Stein.

Ich hatte, es konnte wieder ein Stück Singletrail durch die Kakteen gerannt werden, den Fuß es letzten großen Berges erreicht. Weglos ging es übers Gestein. Geröll setze nicht nur dem Schuhwerk zu. Es war der Hammer. Und immer wieder Zuschauer ohne Ende. Ich ließ die CALFs herunter. Irgendetwas muss man tun, um sich von dem Gedanken abzulenken, das man ganz da hoch muss. So hoch konnte ich gar nicht mehr gucken. Wollte ich nicht mehr. Immer tapfer weiter steigen … es wird enden … es wird gut enden … Die Hände wurden zu Hilfe genommen. Die Pace muss unterirdisch gewesen sein (19 min/km im Nachhinein) und ich kriegte die Beine nicht mehr hoch.

Streckenimpressionen . Menschen ohne Ende (Copyright by Anna Frost - @annafrosty)

Streckenimpressionen . Menschen ohne Ende (Copyright by Anna Frost – @annafrosty) Den Weg, den man sieht ist natürlich NICHT unserer. Wir kletterten an der Abbruchkante entlang.

Ein blaues Salomon Kleid vor mir. „Nur noch ein kurzes Stück“ vernahm ich auf Frostys Mund. (Anne Frost Siegerin Transvulcania 2012). Hammer. Ich nahm ihre Hand. Wir gaben uns Five und es ging weiter bergan. Die Hälfte hatte ich geschafft. Man war das ein Berg. Geschwächt, wie ich war, wirkte es doppelt schwer.

Mein Vorläufer hatte das selbe Leiden und die Anderen, die ich noch sehen wollte, auch. Irgendwann hatte ich es geschafft. Ein Aufschrei und eine erhobene Faust wurden wieder mit Befall und Anfeuerungsrufen bedacht. Das Laktat verließ langsam die Beine, als ich das Flachstück zur Originalen GR131 hinüberlief. Nur noch 600 m bis zum Ziel Wir hatten bereits über 1000 Höhenmeter absolviert. Ein bissl Steigen-auf-großen-Steinen war angesagt, bevor noch einmal gelaufen wurde. Unter jubelnden Zuschauern. Meine Anblick war bestimmt kein ästhetischer mehr. 😉

Endlich, der Forstweg war erreicht und aus dem letzten Speedwandern wurde ein Traben. Nicht ohne vorher die CALFs wieder standesgemäß hochzuziehen. Grade machen vor dem Ziel. Erste Bürgerpflicht! 🙂

Die letzten xx Höhenmeter wurde durchgejoggt. Die Zielsprecher war zu hören. Fahnen säumten den Weg zum Ziel. Da war es endlich. Überglücklich lief ich nach

1:22:xx Stunden ( 7,05k mit 1160 hm )

durchs Ziel. Etwas orientierungslos anfangs. Ich war so hinüber. Konnte nicht mal den Süffelstand finden und zweigte erst mal auf eine Pritsche in Medicalcenter ab. Man war ich geschafft.

Die drei Erstplatzierten am Torre del Time. Die Dematteis-Brüder und Kilijan

Die drei Erstplatzierten am Torre del Time.
Die Dematteis-Brüder und Kilijan

Nach ein paar Unstimmigkeiten gings dann mit dem Bus zurück nach El Puerto. Nicht ohne zuvor den Zieleinlauf der Eliten zu erleben. Großes Kino. Bilder ohne Ende. Und zur Krönung durften sich Kilian neben mich im Bus setzen. Alles „Eliten“ in einem Bus und das „kleine“ Nagetier da mitten drin. Was war ich doch für ein Glückspils.

Siegerehrung nachdem alle da waren.

Siegerehrung nachdem alle da waren.

Am Zielort angekommen, Kilijan verließ uns vorher, um mit einem Lauffreund von Mirador El Time zum Strand ein bissl auszulaufen. So sind sie, die Trailrunner. Immer für einen lockeren 520hm Downhill zu haben.

Beine locker machen.

Beine locker machen. Ich kriege noch raus, wer du bist.

Ein bissl was zur Erinnerung gabs auch

Wichtig!

Wichtig!

Mein Lauf aus der Sicht eines Brustgurtes.

Ein auf ab ab. So habe ich mich auch gefühlt. Wenn Berglauf nur Puls wäre, dann könnts ja jeder.

Ein auf ab ab. So habe ich mich auch gefühlt. Wenn Berglauf nur Puls wäre, dann könnts ja jeder.