Die dicke Berta – Ultratrail du Mont Blanc 2016 – raceday

FullSizeRenderEr wird das größte in meiner bisherigen Lauf-„karriere“ werden. Eine große, steile Runde um den Mont Blanc. Um den großen weißen Klotz, um den herum die Berge von Schnee und Eis befreit sind. Jetzt, im August. Am 26. August 18:00 Uhr stehe ich am Start. Am Start zu Europas größter Trailrunning Party.

Tage danach … Seit 2 Tagen kann ich wieder festes Schuhwerk tragen. Nur noch ein fettes Tape an der rechten Fersenregion erinnert an großes. Auch der normale Verdauungsprozess hat sich vor 2 Tagen wieder eingestellt. Im Kopf immer noch die Bilder und Gedanken an die Nächte, die schmerzhaften, die schönen, die heißen, die emotionalen. Nachts, wenn ich schlafen soll, „laufen“ ich noch über die Berge, sehe den Schein der Stirnlampe vor mir. Mann kommt nicht zur Ruhe. Der Artikel soll das Kapitel abschließen. Endgültig! Aber geht das?

 

IMG_8112-25%-010_SOLARISATIONChamonix – Le Mont / Les Bossons Mont Blanc: 16:20 Uhr. Ein Trailrunner macht sich mit seiner „Bodencrew“ auf den Weg zum Zug. Wir fahren mit dem „Chamonix-Express“ von Les Bossons zum Startbereich nach Chamonix. Am Hauptbahnhof der kleinen Bergstadt steigen sie aus, schließen sich der Karawane anderer dropbag-Beutel-Träger an und schlendern in 5 min/km pace zum centre de sportif. Der Trailrunner gibt seinen Beutel ab, sucht seine Begleiterin, sie ihn. Ahhh. Gefunden zum Glück. Sie gehen zum Startbereich an der kleinen Kirche im Zentrum der Start. Er ist nicht mehr in dieser Welt. Er ist bereits unterwegs, nimmt alles nur noch schemenhaft war. Aufwachen!!!

Haben wir noch einmal einen Kaffee getrunken, vor dem Rennen? Oder wollten wir es nur. Auf jeden Fall haben wir noch einmal auf einer Bank gesessen. Die Flipflops gegen die XWings-8 getauscht und den Rücken mit atmungsaktiver Vaseline eingekremt. Ja, ich habe noch einmal einen Strip auf dem Strip von Chamonix hingelegt. Eilig hasteten die bewaffneten Krieger bereits zum Aufstellpunkt für die große Schlacht. Wenig später folgten wir Ihnen. Die Uhr war kurz vor halb sechs, als wie die Startaufstellung an seinem hinteren Ende, der Startbogen nur über die riesige Leinwand zu erkennen, erreichten. Immer wieder gab es einen kurzen Ruck, im 10-minütigen Abstand. Corinna verabschiedete sich … nun war ich für die nächsten Stunden allein. Wie man so allein ist unter 2500 Startern beim UTMB-2016.

Anspannung ... Alles qualifizierte Trailrunner, die bereits mindestens 3 schwere Bergrennen absolviert haben, um hier stehen zu dürfen

Anspannung … Alles qualifizierte Trailrunner, die bereits mindestens 3 schwere Bergrennen absolviert haben, um hier stehen zu dürfen

Die Zeit verging wahnsinnig schnell. Die 30 Minuten sind vergangen ohne Langeweile. Zu viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wilde Gedanken aber auch Sicherheit. Ich war gut vorbereitet, fühlte mich ganz gut. Einzig und allein der Rucksackwechsel, den ich einen Tag vor dem Rennen vorgenommen hatte, beunruhigte. Macht man ja auch nicht. Komplett neues Modell. Es hatte sich beim letzten Anschwitzen, 3 km lang mit 200 hm am Vortag, hervorragend verhalten. Kein rutschen, kein drücken. Na wenn das nicht perfekte Voraussetzungen für einen 40 Stunden Lauf mit dem Ding sind 😉 Aber. Es war ein Soliman. Anziehen, passt, sitzt, darauf kann ich mich verlassen. Und so war es auch. Das perfekteste Stück Rucksack was ich je auf dem Rücken hatte!!! Danke Mirko für das Anfassen in 2014, mir hat das Ding schon vor 2 Jahr gefallen. 🙂

Wiedermal ein Ruck, der das Starterfeld nach vorn brachte. Die Sonne schien, aber eine große, fette Wolke hatte ein einsehen und war unser Schattenspender. Ein eindeutiges Zeichen.

 

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Unser Sonnenschirm. Stand wie angenagelt bis zum Startschuss vor der Sonne!

Es ging los, der Conquest of Paradies . Spätestens jetzt war es passiert. Die Emotionen übermannten Dich. Auch jetzt, da ich den Link eingefügt habe und der Song noch im Hintergrund düdelt stehe ich wieder dort, Freittag … 17:59 Uhr … 40 Sekunden. Der Countdown wird herunter gezählt, Uhren werden gestartet, wird gehen langsam los, ich durchquere den Startbogen nach nur 40 Sekunden. An Laufen nicht zu denken. Gut, dass die Sonnengläser meinen schwitzenden Augen verdecken. Das ist es, das größte, wenn du schon beim Start feuchte Augen hast.

Wir bahnen uns den Weg durch ein Zuschauerspalier, das nicht enden will. Immer wieder schaue ich auf die vereinbarte linke Seite, nein. Unmöglich. In 5-er Reihen hintereinander stehen die Zuschauer. Ich kann meine liebe Begleiterin, erstmals, seitdem ich auf den Ultrattrails unterwegs bin begleitet sie mich, nicht sehen. So hat jeder seine Premiere. Ein tolles Gefühl, erwartet zu werden unterwegs, nach Stunden der „Einsamkeit“. Immer noch hiken wir die Einkaufsmeile von Chamonix hinunter. Immer mal ein kurzes antraben. Nein, wieder gehen. Vor mir eine Läuferin, die sich immer mal wieder einem bekannten Hals an denselben wirft. Mensch, Mädel, du wanderst doch nicht aus. Sonntag Nachmittag sind wir zurück. Mein Gott, welche Dimension 🙂

Wir erreichen den Kreisverkehr am Ende der Mall de Chamonix. Endlich. Es wird gelaufen. Gleich der obligatorische Check. Alles ok. Nur der Magen krampft. Was war los. Habe ich die letzten Nudeln, die ich 45 Minuten bei unserer Banksession gegessen habe nicht vertragen? Sicher nur so ein letztes Aufbegehren des Körpers. Der Astrale zickt ja immer rum. Der Druck verschwand nicht. Mist. Was ist da los. Jetzt schon in den Busch. Busch-en war nicht geplant. Sowas macht man nicht aufm Trail. Das was weggeschwitzt und ausgeatmet ;-).

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the mission

Ach die Bauchtasche. O.k. Bissl viel Zeugs drin? Vorm Start noch mal verstellt? Klar. Also rauf auf die Beckenknochen mit den Taschen und siehe da … wenige hundert meter später war alles in Butter. Wir liefen. Meine Stöcke waren sicher im Rucksack verstaut. Der Beutel war wie angeschweißt auf meinem Rücken. Die pace viel zu schnell. Mit 5:50-er pace sockte ich an der L’Arve entlang. An den wenigen Anstiegen wurde gehiked. Körner sparen. Eigentlich renne ich die kleinen Wellen hier hoch. Doch wer sich an Position 2000 befindet, muss mit den langsamen wandern. Immer wieder konnte ich überholen. Das kniegestützte Aufsteigen klappte perfekt. Ohne es wirklich zu bemerken, erreichten wir Los Houches, 8 km waren hier bereits erreicht. Das anfängliche allgemeine Unbehagen verschwand langsam. Mittlerweile brauche ich bei den langen Dingern meine Stunde Laufzeit, bis alles gut ist. So auch heute.

IMG_8361_smallDer neue, kurze Laufzwirn zickte ebenfalls an keiner Stelle. Gut, den hatte ich bereits Stunden getestet. Aber Mann weiß ja nie. Zum ersten Süffelstand, ein Becher Wasser wechselte ins Körperinnere, wurde auf Asphalt erreicht. Der halbe Ort war auf den Beinen. Erste give-five-Hände wurden bedient. Es ging bis zur Seilbahnstation, die auf den Bellevue fährt, und dann hinauf. Immer hinauf. Bis auf knapp 1800 m sollte das jetzt so weiter gehen. Vorwiegend Forstpiste und Schotterwege brachten uns nach Le Délevret (findet man in keiner Karte) hinauf. Unterwegs immer mal ein spontaner Süffelstand der Anwohner. Sehr schön. Besonders gut in Erinnerung sind mir die Gummibärchen asiatischer Spontanverpfleger geblieben.

Ich hatte die ersten drei Stationen meines Roadbooks im Kopf, noch. 😉 Auch die cutoff Zeiten hatte ich mir eingeprägt. Lediglich den Zeitpunkt des Erreichens hatte ich nicht im Kopf. Das große Ziel A hieß Sub 40. Somit waren die geplanten Zeiten schon ein weinig zwingend. Und es passte bei CP-1 fast perfekt. Nach 2:12h überquerte ich den ersten Messpunkt. Das Laufgefühl hatte mich nicht getäuscht. Ich war im race. Die ersten 1000 hm standen kurz bevor. Alles hatte sich eingelaufen. Ich holte auf. Ich überholte. Der downhill sollte zu meiner Paradedisziplin dieser Nacht werden. Schnell ging es steiler hinab. Immer noch ohne Stöcke knallte ich die Skipiste hinunter. Mit ungekannter Sicherheit flog ich über die Trails. Ein Hochgefühl sonders gleichen. Der alte Mann war im flow.

Immer mehr Läufer pausierten und wechselten zum beleuchteten Laufen. Ich hatte alles Griffbereit, holte aber dann doch noch die Stöcke aus dem Depot. Besser war es auch, als es immer steiler zum ersten großen VP nach Saint Gervais hinab ging. Schon von weitem hörten wir die „sprechende“ Stadt. Doch erst kurz vor dem ersten Verschnaufen war die „Zielarea“ auszumachen. Nach 3:14h überlaufe ich die allgegenwärtige Killermatte. Immer noch super im Plan. Das gab Auftrieb. Schnell füllte ich meine Trinkflasche. 600 ml hatte ich bisher verbraucht. Passt. Einen Becher Cola hinunter gestürzt. Das Basecap übereignete ich dem Mülleimer. Es hatte seine besten Tage hinter sich und wechselte auf Bufftuch zum druckfreien Lampenunterbau gewickelt. 21:19 Uhr verließ ich den VP. Was man sich alles so merkt. Ein Gehetze 😉

Nun ging es nach Höhenprofil leicht ansteigend nach Les Contermines hinauf. Da ich aber keinem Profil vertraue, was ich nicht selbst abgelaufen bin, rechnete ich mit allem. Und das war auch gut so. Immer wieder ging es Alpenlike steil hinauf. Mehr rauf als runter, auch so erreicht man sein Ziel. Nach einem sehr ätzenden Straßenstück (Muss das wirklich sein?) wechselten wir nun ausschließlich auf Trail. Endlich Trailrunning 🙂 Wir hatte uns gut gruppiert. Die anfänglichen Positionskämpfe waren vorbei. Es war im Fluss so wie es muss.

Auch dieses Machwerk befand sich in meinem Rucksack. Für die ganz verzweifelten Augenblicke

Auch dieses Machwerk befand sich in meinem Rucksack. Für die ganz verzweifelten Augenblicke

Nach 5 Stunden, so die heilige pace-Tabelle durfte ich da sein. Da ich nicht wusste, wie viele Pausen mein pacegeber gemacht hatte, war ich um zügiges Vorankommen bemüht. Immer wieder glaubte ich, den Ort der Begehrlichkeiten erreicht zu haben. Doch wieder und wieder war es nur ein kleiner Weiler, der das Etappenziel suggerierte. Nach 5:01 Std. war ich in Los Contermines angekommen. Taddaa!!! Hier kannte ich mich aus. Hier hatte ich beim TDS meinen Morgenschlaf vor dem letzten fetten Anstieg abgehalten. Ich fühlte mich save. Ab hier hatte ich bereits einen Testlauf bis nach Le Chapieux (in 2014) absolviert. Also fast von hier. Wieder aß ich eine schnelle Nudelsuppe. Verdrückte ein paar Bananenstücke. Alle Getränke auffüllen und ohne Kunstpause ging es nach 5 Minuten bereits weiter. Nicht hinsetzen, um die Performance zu erhalten. Wer sitzt, verliert, so meine Überzeugung.

Meine Laufstöcke waren mir nun an die Hände gewachsen und ich sollte sie bis zum Ende nicht mehr weglegen. Hatte ich anfangs noch überlegt, das Brett ohne Stöcke zu laufen, gaben mir die anstehenden 10 000 hm ein eindeutiges Zeichen. Nein, alter Mann. Das rockst du nicht aus der kalten Hose. Da musst du am Stock gehen, kein Zweifel. Die Entscheidung gold richtig.

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Ich war hier 2014 schon mal!!!

Es folgte eine wirklich flaches, laufbares Stück bis nach Notre Dame de la George. Auch bekannt vom TDS. Ganz schlechte Erfahrungen verbinde ich mit diesem Ort. Vor zwei Jahren war hier das dunkelste Kapitel meines trailrunnings. Hier war ich sowas von im Eimer. An laufen nicht zu denken, obwohl es total eben leicht bergab geht. Heute fühlte ich mich gut, sehr gut sogar. Immer wieder konnte ich ein paar Mitläufer finden, temporär und kurzzeitig. Trailrunner sind Eigenbrödler, die meisten jedenfalls. Sie laufen stundenlang mit gleicher pace hintereinander her. Aber gemeinsam, never 😉 Es gibt freilich Ausnahmen. Nach der riesen Partymeile mit DJ und Lagerfeuer und Musik und Anfeuerung erreichten wir den ersten wirklichen Anstieg, bisher hatten wir 1600 hm im Anstieg gesammelt.

Aufstieg zum Col de Bonhome. Im August 2014 aufgenommen - UTMB Training mit Uwe

Aufstieg zum Col de Bonhomme. Im August 2014 aufgenommen – UTMB Training mit Uwe – Die Häuser im Vordergrund markieren La Balme

Wir hike-ten nach La Balme hinauf. Ein wirklich steiles Stück zu Beginn, wo es über Steinplatten auf die offenen Fläche geht. Immer wieder verrät ein Wanderschild, das man noch viel zu weit unten ist. Ich ließ mich jedoch nicht beeindrucken. Kannte die Strecke, so der Kopf, ich kann das. Ich mach das. Ich lauf das locker runter ähhh hoch. Wir verließen den bewaldeten Teil … es war stock dunkel aber der aufkommende Wind verriet unsere Position. Immer wieder konnten wir laufen. Ich tat das auch und konnte sammeln. 😉 Ich war wirklich gut unterwegs, hatte ein super Körpergefühl. Der „erprobte“ Campingbeutel machte (zu Glück!!!) keine Spirenzien. Es lief fast zu gut. Immer noch war ich im kurzen Laufzwirn unterwegs. Es war warm hier unten. Geschätzte 15 Grad.

Etwas vor der geplanten Laufzeit erreichte ich den VP in La Balme. Hier kann ich mich an nix erinnern, was ich gegessen habe. Wahrscheinlich nicht viel, nur 1,5 h nach dem letzten VP. Stattdessen galt es, wieder Wasser nachzutanken und die Armlinge anzuziehen. Es ging nun hoch hinauf. Die Stirnlampenschlange war gut zu sehen. Als ich den Fresspunkt, der wirklich üppigst ausgestattet war, verließ, wurde erst die Zeit genommen (6:44 Std). und ab ging es in die Nacht.

Aufstieg nach Col de Bonhomme - Bild aus 2014

Aufstieg nach Col de Bonhomme – Bild aus 2014 – Sieht doch harmlos aus, oder?

Nun wurde es ein wenig beschwerlich. Ich steckte immer mal im Verkehr fest, was man auch nicht unbedingt umgehen konnte. Das war sicher ein wenig hinderlich. Es waren ja aber auch noch 34 Stunden zu laufen. Also easy going und schön anstellen. Wir wollen ja nicht schon am Anfang in Stress verfallen. Dabei sieht man immer die gleichen Schuhe, Waden und Laufhosen im Schein der Stirnlampe. Eine kleine Asiatin sah übrigens recht wenig. Ich wunderte mich, dass sie nicht nur an jeder größeren Stufe stolperte, auch in der Ebene war jeder größere Stein zum anstoßen platziert. Sie war dem Sturz näher als der Aufrechten. Nachdem ich kurz mal meine Lampe ausschaltete war klar, warum. Wenn der Lichtkegel der Lampe kaum den Boden erreicht, ist das Teelicht zu schwach!!! Mit geschätzten 60 Lumen versuchte sie um die Mont Blanc zu kommen. Abenteuerlich. Sie gefährdet damit nicht nur sich. Vielleicht sollte man als Veranstalter mal die Lampen auf Qualität kontrollieren.

Schnell wieder an, meine petzlierte NAO. 250 Lumen + beruhigen da schon mehr. Ich lief im „Aktiv Lightning“ Mode, in diesem passt die Lampe die Leuchtstärke selbständig an. In dieser Version hatte ich zwei Modi programmiert,wobei im nur im schweren Downhill auf größere Helligkeit schaltete. Ja, man muss mit seiner Lampe arbeiten on Trail 😉 Immer schön einen Fuß vor den anderen setzend erreichten wir die erste Anhöhe, den Col. Nun geht es auf recht verblocktem Gelände noch einmal (+D170hm -D50hm) hinauf zum Refigio de Bonhomme. Mann glaubte immer, gleich da zu sein, aber wieder und wieder wurde eine der endlosen Bergkuppen erreicht, der eine weitere folgte. Ich ahnte Böses, was meine Zwischenzeit betrf. Und so kam es dann auch. +15 Minuten sagte mir die Fenix, als wir zum finalen downhill nach Le Champieux ansetzten. Da ich im downhill recht gut unterwegs war, sollte ich die folgenden 900 hm, die es galt hinab zu „fliegen“, ein wenig Zeit gutmachen können. Dabei hat es der downhill in der Nacht besonders in sich. Holzauge sei wachsam das Motto des frühen morgens. Und das war ich dann auch. Die 5 km ziehen sich dann auch, wie Kaugummi. Zwischenzeitig hatte ich auch den ersten Marathon absolviert. Die ersten 43 km (Garmin-Fenix-Messung) hatte ich nach 7:30 Stunden im Sack oder eher in den Beinen. Supi Zeit, wie ich fand.

trailrunner voraus - Bild aus 2014 - Refugio Crox de Bonhomme

trailrunner voraus – Bild aus 2014 – Refugio Crox de Bonhomme

Nach endlos technischem Singletrail kommt dann die Graspiste und dann weiß man, gleich ists geschafft. Zwei Kilometer trennen dich dann noch von der nächsten Nudelsuppe. In ungekannter pace erreichte ich den ersten 50-er. Morgens um 3:19 Uhr war es an der Zeit, über 9 Stunden auf den Beinen, die Biertischgarnitur zu benutzen. Bier wollte ich keines, aber Nudeln, die dritte Schüssel seit dem Start. Geschmeckt haben sie nicht, aber zur Energiegewinnung sollte es reichen. Ich saß und löffelte meine Suppe, trank eine Kleinigkeit, studierte das Roadbook. Ja ich hatte bereits 11 min auf die Idealzeit verloren. Aber sitzen und etwas mehr essen war nun erst einmal erste Trailrunnerpflicht.

Bereits beim Einlaufen in den VP entdeckte ich die Tische zur Kontrolle der Pflichtausrüstung. Das erledigte ich dann auch gleich nach dem Verlassen des warmen Zeltes. Die Kontrolle ging schnell und effizient. Alles dabei, keine Strafe. Dennoch hielt ich mich hier insgesamt 20 min auf. Hm. Was hab ich hier nur solange gemacht? Ich kanns nicht sagen. Gesessen und das hält auf, wie gesagt.

Wir folgten nun einer endlosen Asphaltstraße. Ich war ein wenig angefressen ob der verlorenen Zeit und wunderte mich, dass ich nun in 2 h auf 2500 m klettern sollte 1000 hm  auf 10,5 km das war zügig. Das muss einfaches Gelände sein, sonst schafft Mann das nicht. Aber bis auf die Asphaltstraße, die wir mehr hike-ten, denn liefen war es sooo einfach nicht. Immer wieder wilde Wanderschilder mit astronischen Wegezeiten zum Gipfel. Egal. Step by step. Meine Stimmung schien zu kippen. Ein komisches Gefühl. Aber des würde Tag werden. Die durchlaufene Nacht zehrte an den Kräften. Der erwachende Tag würde die Lebensgeister wieder wecken. Ich musste erst mal auf 2500 m hoch kommen. Dabei war ich gar nicht so schlecht, wie ich mich fühlte.

Überholmanöver gab es keine wirklichen. Am VP hatte ich sicher einige Plätze verloren. Und ab 2000 m hörte ich mich kaum schwer atmen. Einige meiner Mittrailer gaben da ihrer Lunge weit größere Aufgaben. Unangenehm war jetzt der Wind, der aufkam. Fast Sturm begleitete um auf dem Weg aufs Dach der „Welt“. Ich lief und lief und sah meine Zeit davonfliegen und konnte ichts dagegen tun. Ich stapfte tapfer, aber verlor immer mehr Zeit. Das demotivierte und macht langsam. Ich bekam den Kopf nicht frei. Immer und immer wieder rechnete ich mir meine mögliche Ankunftszeit am Mentalpunkt Courmayeur aus. Ich wollte dort ein wenig schlafen. Mich ausruhen. Das Stimmungsbarometer bewegte sich nicht in die gewünschte Richtung.

Nach entloser Aufstiegsarbeit erreichte ich nach 12:06 h Laufzeit den Col. Eigentlich nicht schlimm. Doch eine Stunde nach Wunschzeit …. Aus der Schreiberperspektive heute betrachtet alles easy. Doch in der Situatuion auf dem Trail brach eine halbe Welt zusammen. Hatte ich anfangs noch gehofft, etwas Zeit gut zu machen, verkehrte es sich nun ins Gegenteil. Ich musste mich tatsächlich mit cutoff Zeiten beschäftigen. Küss die Hühner. Das wollte ich gar nicht. Wann war nun diese Ver… Zeit, wann ich Courmayeur verlassen musste. Um elf oder um eins? Ich glaube um eins. Keine Ahnung. Sollte ich das roadbook rausfrickeln? ne. Ich mache erst mal weiter. Ich wusste, dass der Plan 9:15 Uhr Ankunft in Courmayeur vorsah, dann Pause bis 10:15 Uhr und dann die zweite, schwerere Hälfte in Angriff nehmen.

Col de La Seigne - Ich habe keine Ahnung, wie ich nach der Geröllpiste hier hoch kam. Blackout

Col de La Seigne – Ich habe keine Ahnung, wie ich nach der Geröllpiste hier hoch kam. Blackout

Die Zeit war nicht mehr zu rocken. Also Plan B musste her. Zeit halten. Zunächst aber hieß es erst einmal downhill um anschließend auf knapp 2600 hm hochzukraxelt. Es war ein Traum von Trail. Das beflügelte. Ich konnte ich bergab auch ein wenig erholen, Kräfte sammeln und Läufer sammeln. Das machte Mut. Doch der nächste Anstieg, nichts schlimmes, aber etwas mühseelig ließ die notwendige Power in den Beinen vermissen.

Der Tag erwachte auch 2500 Metern über dem Meer

Der Tag erwachte auch 2500 Metern über dem Meer

Ich musste eine Pause einlegen, irgend etwas tun, was mich auch mental wieder fit macht. Essen ist da immer gut. Also wurde eine Tüte Gummibärchen vernascht. Hmmm. Mega lecker. Keine 10 min später, leidende Trailrunner beim Aufstieg beobachten beflügelt doppelt 😉 , war ich wieder unterwegs und ich war supi unterwegs. Mein Gelände kam. Aufstieg über Steinplatten, loses Geröll und Schneefelder. Teils durfte im losen Gestein überholt werden. Das spornte mich an und gab Sicherheit. Ich war zurück.

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Die überholten konnten nicht mehr folgen – Blick zurück

Die Abstände zu den überholten wurden größer. Klar, wurden die anderen nur langsamer und ich nicht wirklich schneller. Für die Psyche waren die größer werdenden Abstände und das dauernde Überholen die perfekte Ölung. Im downhill waren dann wirklich die Balletttänzer unterwegs. Ich glaubte meinen Augen nicht mehr zu trauen. Wäre es nachts, ich hätte an Halluzinationen geglaubt. Was ich da im bergablaufend sah, war schon abenteuerlich. Nach jedem Tritt wurde der nächste überlegt. Ich musste vorbeilaufen und erlebte das Phänomen mehrfach.

Die letzten Meter bis zum Col des Pyramides Calcaires

Die letzten Meter bis zum Col des Pyramides Calcaires – mein Gelände

Sonnenaufgang auf dem Col des Pyramides Calcaires - Punktlandung?

Sonnenaufgang auf dem Col des Pyramides Calcaires – Punktlandung?

Nachdem wir den Gipfel erreichten, nach all dem Leiden durch die Nacht, holte aber auch der letzte Trailrunner die Fotoknipse raus um das zu verewigen. Es war ein Traum hier oben. Ich hätte Stunden hier verweilen können. Dafür tut man sich das an. Genau diese Momente machen es aus.

Noch jemand ohne Foto - auch das Foto von den Fotografen noch ;-)

Noch jemand ohne Foto – auch das Foto von den Fotografen noch 😉

Eine Zwischenzeit gab es auf diesem Gipfel nicht. Also hieß es weiterlaufen. Hinunter zum Lac Combal. Dem nächsten kleinen VP mit Essen. Ich rechnete in den entspannten Laufphasen immer an meiner Zeit herum. War total deprimiert, dass ich Zeit ohne Ende verloren hatte und hatte jede Hoffnung verloren, jemals das Ziel zu erreichen. Aber ich wollte noch nicht aufgeben.

Die Situation in einem Rennen dieser Dimension ist immer eine völlig andere, als im nachhinein betrachtet. Ich hatte Zeit ohne Ende. Hatte im Aufstieg lediglich noch einmal 15 min verloren. Die lange Pause in Les Chapieux hatte ich gar nicht mit betrachtet und so erschien es mir, dass ich auf 10 km über eine Stunde zusätzlich verloren hatte. Sehr fix, klickert dann die Zeitmaschine und Mann glaubte, nach 50 km ist eh alles vorbei. Mit diesem falschen Gedanken begab ich mich also auf die nächste Etappe.
Beim TDS lässt man die Brücke liegen und läuft gerade aus weiter

Beim TDS lässt man die Brücke liegen und läuft gerade aus weiter

Der downhill war mühsam aber zielführend. Ich fühlte mich physisch im downhill immer oben auf. Der kleinste Gegenanstieg verbreitete Panik. Verrückt, was der Kopf für Kapriolen schlägt. Immer wieder mussten wir über Steinplatten laufen, verblocktes Gelände. Die Balletttänzer zwangen mich zu waaghalsigen Überholmanövern. Es waren nicht viele, das Feld hatte sich mittlerweile auseinandergezogen. Ein paar Läufer waren jedoch ständig in Reichweite. Am Ende der Steinplatten folgten wir dem bereits bekannten TDS-Weg in umgekehrter Richtung.

Als wir ins Tal kamen, immer noch nach 2000 m hoch, hatte es die Sonnen noch nicht dorthin geschafft. Es war kalt. Schweinekalt. Meine Armlinge wollte ich nicht anziehen. Gänsehaut in der harten Ausprägung zierte meine Arme. Blieb man in Bewegung, war es kein Problem. Doch für lange rasten und P-Pausen war es viel zu kalt. Nein, ich zog nichts über. Sorgte einfach dafür, dass ich in Bewegung blieb.

Recht lange vor seinem Erreichen war der VP Lac Combal zu erkennen. Der Nebel im Tal hatte sich auf die Wasserfläche zurück gezogen. Man konnte sehen. Die letzten Meter zum VP noch mal eine Wasserstelle mit Schuhreinigung. Dann war ich endlich da. Im Nachhinein betrachtet, hatte ich sogar Zeit gut gemacht. Ich jedoch sah das völlig anders. Konnte irgendwie nicht klar denken. Wollte nur noch nach Courmayeur und wenn es nicht besser wurde, dort aufhören. Ja, nach 66 km dachte ich, ich schmeiße hin und dieser Gedanke verfestigte sich, im Fortgang des Rennens.

Futtern am Lac Combal - Es war sau kalt hier

Futtern am Lac Combal – Es war sau kalt hier

Endlich am VP aber ich fand nichts zum Essen. Suppe wollte ich nicht. Mit meinen GELs kam ich gar nicht klar. Hatte nur noch die Gummitieren. Also wurde schnell die Trinkflasche, oder waren es beide?, aufgefüllt und gehend, gummitieressend der VP verlassen. Noch 1 großer Anstieg und dann downhill zum großen VP in Courmayeur. Das ganze sollte sich noch 13 Kilometer hinziehen. Bei meiner pace würde ich an die 3 Stunden unterwegs sein. Ein pacekiller (Getränkestation) würde unterwegs auch noch auftauchen. Ich war mal wieder an einem Tiefpunkt angelangt, den es zu überwinden galt. Thats Ultra.

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Der Lac Combal gegenüberliegende Tümpel

Die kleine Tafel am Ausgang des Fressstandes verriet knapp 500 hm hoch und ein bissl was runter. Nichts schlimmes eigentlich, wenn der Kopf funktioniert. Meiner tat es nicht und auch nach der Tüte Gummibärchen ging es mir nicht besser. Also step by step, so das alte Rezept. Der Tag war noch jung und die Distanz überschaubar. Da ich den nächsten Berg nur in umgekehrter Richtung kannte, war mir die Qualität des Aufstiegs auch nicht bewusst.

Lac Combal

Lac Combal (chen)

Die Läuferdichte immer noch gering, lediglich an den Anstiegen fanden alle wieder zueinander. Viel Gerenne gab es hier nicht mehr. Alle noch schwere Beine von den Anstiegen der Nacht. Das Laktat musste aus den Beinen. Wir waren hier bereits über 14 Stunden unterwegs. Ein drittel der Zeit schätzte ich optimistisch. Mann muss sich manipulieren, unbewusst zum Teil, sonst wird das nichts. Das kleine Rechenzentrum auf dem Hals funktionierte eh nicht mehr so richtig, anders kann ich mir die Gedanken nicht erklären, die in Erinnerung geblieben sind. Ich war knapp eine Stunde hinter Plan und dachte an aufgeben. Unvorstellbar. Ich war krank, birnenkrank. Konnte schon nach einer Nacht nicht klar denken …bedenklich?

TRAUM - TRAUM - TRAUM

TRAUM – TRAUM – TRAUM

Es ging aber tapfer weiter. Der Anstieg kam, als er dran war. Mir war es Wurst. Ich musste da eh hoch und tat das auch ganz manierlich. Ein paar Kühe standen dort rum, so die Erinnerung und Bergpanorama vom aller, aller Feinsten.

Oben

Oben

So ein bissl Zufriedenheit stellt sich dann schon ein, hat man wieder einen Gipfel geschafft. Das war dann die Nummer 5 und somit Gipfelhalbzeit. Aus meinem Empfinden waren bis auf den Tête aux vent (zum Schluss) die schweren Gipfel geschafft. Der Gran col Ferret ist ein kurzes Leiden, so die Erinnerung. Zum Glück empfand ich hier so (falsch). Denn den Ermüdungsfaktor und die zweite Nacht blendete ich vollkommen aus. Tunnel!!! Ein angebotenes Foto auf dem Mont-Favre lehnte ich mit den Worte ab „Hab schon, danke“. Unfassbar. Klar, vor einem Jahr hatte ich schon. Ich war völlig neben mir. Ich kann es bis jetzt nicht erklären. Unterhopft, eindeutig 😉

ab nach Courmayeur

ab nach Courmayeur

Nach dem Pflichtfoto hieß es Aufbruch. In kleinen, zufälligen Gruppen ging es die 100 hm hoch und 1200 hm hinunter nach „Riesenfreestand“. Dort würde ich meine Bodencrew treffen. Endlich. Das beflügelte. Ich würde ihr sagen, dass hier Schluss ist. Ich war ja so weit hinter der Zeit. Wahrscheinlich würde ich nicht mal Courmayeur erreichen. (Völlig gagga, der Kerl). Obwohl man auf dem folgenden Teilstück recht gut laufen kann, war ich doch recht langsam unterwegs. Im Nachhinein kann das nicht am langen Aufenthalt an VPs gelegen haben. Mein Kopf hatte aufgegeben. Ich musste zurück ins Rennen, aber wie. Musik hatte ich nicht mit. An die Trainings auf dem Weg hierher erinnerte ich mich nicht. Eine Methode, die sonst auch immer ganz gut funktioniert.

Letzter VP vor Courmayeur - km 75

Letzter VP vor Courmayeur – km 75

Ich lief vorerst einfach irgendwie. Wanderte die hinauf Passagen. Suchte nach der verlorenen Motivation und erreichte dabei irgendwann die Skipiste, auch bekannt vom TDS im vergangenen Jahr, den VP Col Chécrouit. Offiziell ein kleiner, war es doch ein recht gut bestückter VP. Nur 4 km vor Courmayeur. Das verwunderte. Ich suchte mir ein schattiges Plätzchen, aß irgend etwas und trank auch. Kann mich aber an nichts wirklich bewusst erinnern. Ich verpflegungspunktete eben. Banane war wohl dabei bevor es zum letzten Gefecht, knapp noch 800 hm downhill, ging. Anfangs folgten wir der Schotterpiste, zweigten dann aber von der TDS Strecke ab und bogen in einen staubigen downhill direkt unter der Seilbahn ab. War das eine Sch … Ich war total angenervt ob der Streckenführung. Gefährliche Piste und mein Vorläufe versuchte bei jedem Schritt das Maximale an Stauberzeugung. Es gelang im perfekt. Wahrscheinlich staubte ich genau so. Mundschutz wäre hier angebracht gewesen. Immer wieder musste ich trinken. Staubischlümpfe on trail.

Auch der schlimmste Pfad hat mal sein Ende. Dieser endete auf einem Asphatsträßchen, dass uns in den Startort von CCC und TDS brachte. Ein paar nervige Ehrenrunden durch das kleine Bergstädtchen raubten mir den letzten Nerv. Endlich hörte ich was, oder nicht?

Wir erreichten die Sporthalle, mein dropbag war nicht da? Hatte ihn Corinna bereits geholt. Das konnte nicht sein. „Nun, Mädels, was geht“, so meine Gedanken. Ich begab mich selber auf die Suche. Immer wieder schön, mit Profis zu arbeiten 😉 Ich fand ihn endlich, nach gefühlten 10 Minuten, was natürlich max 1 min war, falsch einsortiert. Fehler können passieren, keine Frage. Aber es nervte halt heute besonders.

Der Planet brannte, ich war völlig im Tunnel. War Corinna da oder nicht und wo? Wir wanderten mit unserem Beutel um die halbe Halle. Am Eingang dann meine Bodencrew. Couchingzone???

Was war das denn für eine Sch … In den Läuferbereich mit Essen, Massage durfte kein Couch. Die Italiener sind schon ein seltsames Völkchen. An allen Coachingzonen ist das so, nur nicht in Courmayeur. Ich motivierte die zuständige Mitarbeiterin ein wenig, aber es half nix.

Coaching zone war auf dem Fußboden der Vorhalle. Ohne Essen, ohne Stühle. Ein Zauber sondersgleichen. Das hat die Welt noch nicht gesehen. Also ließ ich mich auf dem Fußboden nieder, sagte Corinna, dass ich nicht weiter laufen wollte und hörte auf eine Antwort. Nix, niente, nada. O.K. Erst mal sitzen. Schuhe aus, Strümpfe aus. Lüften hilft immer.

der König

der König von Mallorca (Buff vom Ultratrail de Serra de Tramuntana)

Ich weiß nicht mehr, worüber wir gesprochen haben. Ich sollte meine Mütze aufsetzen und weiter laufen. Ich musste sitzen. Ich hatte keine Meinung zu nichts. Erst mal was trinken. Nicht mal ein Bier wollte ich. Oder habe ich eins getrunken? Der Bodencrew-Blog wird die Wahrheit ans Licht bringen. Ich wollte sitzen. Schaute den anderen bei Ihren Betreuungsritualen zu. Ich stand irgendwie neben mir, als gehörte ich hier nicht dazu. Sicher habe ich noch irgend welches dummes Zeug gefaselt.

Schließlich fasste ich den Entschluss, mich erst mal umzuziehen. Neue, frische Sachen sind nie verkehrt. Vielleicht hatte ich auch einen leichten Sonnenstich. So ein Buff-tuch zum Stirnband gewickelt ist auch nicht der ideale Sonnenschutz.  Umziehen war geil.

Downhill zum Lac Combal

Downhill zum Lac Combal

So saß ich da, in meinem neuen Zwirn und nun? Ich werde mal bis zum nächsten Checkpoint weiter wandern. Wenn ich dann raus bin, bin ich halt raus. Also packte ich meinen dropbag zusammen oder er wurde gepackt, verabschiedete mich, stiefelte in die Läuferzone hoch und ohne Essen, trinken geschweige denn schlafen ging ich wieder auf die Strecke. Uuuunglaublich, hier habe ich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Im Nachhinein betrachtet habe ich eines besonders nicht verstanden. Wieso habe ich die Schuhe gewechselt?

Auf meinem Weg, das Sportzentrum verlassend umrundeten wir wieder die halbe Halle. Ich sah noch einmal Corinna. Wir verabschiedeten uns bis zum Wiedersehen in Champex Lac. Knapp 50 km von hier. Wie ich dort hinkommen sollte, war mir zu diesem Zeitpunkt völlig unklar. Aber auch nicht bewusst, dass ich es schaffen sollte. Spätestens in Arnouvaz ist Sense. Die 18 km kann ich schaffen, langsam wie ich war.

Natürlich war ich immer noch gut im Rennen. Ich hatte bisher 2 Stunden auf die Idealzeit verloren. War also auf einer 41 Std 30 min Zielzeit. Aber zum Zeitpunkt der Beurteilung konnte ich so klar nicht denken und es sollte ja noch besser kommen. Alles oder nix. 😉 War ja schließlich meine dicke Berta 😉

Ich verließ also eine Stunde vor cutoff die sichere, kühle Coaching-Zone auf dem Boden der Vorhalle im Sportzentrum Courmayeur. Mittlerweile hatte wir gefühlte 50°C in der Mittagshitze. Nur noch ein kleiner Aufstieg zum Refugio Bertone. Ab da oben kannte ich mich aus. In 2014 war ich den CCC dort aben entlang gelaufen, eher geflogen, schaue ich mir die Zeiten von damals an. Allerdings begann das Rennen ja auch an meinem Aufbruchspunkt. Kunststück.

Ich lief recht unmarkiert durch den Ort. Hinauf zum Markplatz oder in dessen Nähe, wo es dann auch wieder Markierungen gab. Keine Markierung heißt geradeaus weiter. Bewährte sich hier perfekt. Hätte ich unsere Wandergewohnheiten der frühen Jahre angewendet, würde ich jetzt noch durch das italienische Bergdorf wandern. Das ein oder andere Flatterband oder auch ein kleines Pfeilchen auf Straße oder Fußweg wären wirklich sehr informativ gewesen, ihr lieben Freude des Berglaufsports 🙂

Erinnerungen an den TDS vor einem Jahr kamen auf. Ebenfalls diese Hitzeschlacht nach dem "Mittagsschlaf"

Erinnerungen an den TDS vor einem Jahr kamen auf. Ebenfalls diese Hitzeschlacht nach dem „Mittagsschlaf“

Nachdem die CCC  Strecke abzweigte, die Markierungsdichte hatte sich um den Faktor 1000 erhöht, war der nächste Wasserbottich meine. Mütze nass, Kopf nass, Arme frisch machen. Dafür gibt es ja eigentlich VPs 😉 Da ich aber bereits wieder in meinem Arnuva-Tunnel war, konnte mich das nicht auch nur einen Milliliter aufregen. Schnell war die Wasserstelle mit Wettkämpfern gefüllt. Spricht sich rum, so ein außerplanmässiger Bottich. Erinnerungen an den TDS kamen auf. Ich sage nur Aufstieg von Bourg Saint Maurice zum Fort.n Es wurde zur Tortour.

Aber ich will nicht jammern. Die alte Regel schritt für Schritt bleib nur im Tritt war hier anzuwenden. Und so schraubten wir uns mühsam aber kontinuierlich. Irtgendwie (auch immer) soll ich bei diesem Anstieg 70 Läufer überholt haben. Also war der Tunnel so tief? Kann ich gar nicht nachvollziehen. Auf jeden Fall erreicht man mit dieser Eichhörnchenmethode jeden Gipfel, auch wenn wir vom wandern zum kriechen wechselten. Noch 3000 hm und wir wären rückwarts gegangen.Ich kann mich an knapp 900 hm erinnern, die wir auf den 5 km  zurück gelegt haben und dabei joggt man ja 150 hm auf den ersten 2 km durch den Ort. Es war also heftig.

Immer wieder wurde ein kleines standing am Wegesrand eingebaut. MAnn soll ja eh regelmäßig sein standing prüfen. Verwechsele ich das was, keines Wegs 😉 Das erste Dach, was man dann nach endlosen Serpentinen, Tiefblicken, rumstehenden trailrunnern am Weg sieht … ist nicht das Refugio Bertone. Das liegt dann noch einmal steil bergan auf dem höchsten Punkt.

Schaue ich mir mein Video vom Eingangsscan an, dann sieht das eher nach Stock-Maximaltest, denn schnellem Aufstieg aus. So habe ich mich dort oben aber auch gefühlt. Habe irgend etwas gegessen, die Wasservorräte aufgefüllt und mich anschliessend zu einem kleinen Powernap in einen kurzfristig frei gewordenen Schattenplatz gelegt. Welche Wohltat. Gefühlte Umgebungstemperatur 40°C. Sicher waren es nur 39. Aber Mann übertreibt ja immer. Die Uhr zeigte 14:00 Uhr, als meine Augen sich schlossen und 14:09 Uhr, als ich völlig panisch aufsprang, da ich glaubte Stunden geschlafen zu haben.

Irre. Der VP war noch voller Läufer. Trotzdem hieß es aAbschied nehmen, ich musste weiter. Leider war auch hier oben kein Erfrischungsbottich. Der vorhandene führte keine Wasser. Sicher extra abgestellt, nicht das sich noch jemand seinen verschwitzten Astralkörper hier reinigt. Unverantwortlich, diese Läuferbande. Ich musste los. Getränkevorräte aufgefüllt. Noch 13 km bis Arnuva. Dort erwartete ich mein Ende.

An dieser Kulisse flanierten wir vorbei zum Refugio Bonatti - Foto: Blick zurück

An dieser Kulisse flanierten wir vorbei zum Refugio Bonatti – Foto: Blick zurück

Die Strecke nach Bonatti kann schon als recht eben bezeichnet werden. Ich hatte in Bertone keinen Zeitencheck vorgenommen. War mir eh irgendwie nicht wichtig. Hier oben konnte man recht gut voran kommen, wenn man denn wollte. Ich sparte Ressourcen für den alsbaldigen cutoff. War mir irgendwie sicher, dass ich so laaangsam war, dass es reichte. Dennoch waren wir recht viele, die sich auf den weiteren Weg begaben. Jedes Rinnsal wurde benutzt, den Kopf zu kühlen, die Mütze zu befeuchten. Meine Idealzeit sah hier 1:30 Stunden vor. Ich hatte ein wenig gelagert, in Bertone und hatte auch irgend etwas im Schuh oder irgendwas drückte, was ich nicht lokalisieren konnte.

Am Ende der Querung waren 2:15 Stunden vergangen, die ich den paar Kilometerlein mit keinen nennenswerte Anstiegen gewidmet hatte. In Bonatti dann gab es viele schräge Diskussionen über Abbruch und cutoff in Arnuva. Ach ja, da wollte ich ja auch aufhören. Aber Corinna war doch in Champex. Wie komme ich nach Champex von Arnuva. Ich musste telefonieren. O.k. Dafür hat man ja den Knipsomaten auch. Kein Netz. Schon blöd (Neustart des IPhone hätte sicher geholfen, wenn man denn drauf kommt). Dieseganze Diskussion über cutoff und noch ein bissl hier oben in der Sonne liegen gefiel mir gar nicht. Ich checkte die Zeiten, hatte noch gut Polster bis zum cutoff und machte mich beizeiten auf die Strümpfe. Rennen schmerzte irgendwie. Irgendein Thema gab es mit der rechten Ferse.

Je näher wir Arnuva kamen, um so klarer wurde es mir. Warum hatteich die Schuhe gewechselt. Meine Elefantenfüße passte nicht mehr in die Schuhe. Aus diesem Grunde hatte ich extra Schlappen eine Nummer größer bestellt und diese auch bis Courmayeur an gehabt. Wollte diese nicht wechselt und somit dem reiben vorbeugen. Ich Blitzmerker hatte es vergessen, Corinna zu sagen. Kein Schuhwechsel. Die Schlappen im dropbag sind nur Reserve, wenn mit den anderen Probleme auftreten.

Mist, ist brauche die anderen Schuhe. Die hängen im dropbag in Chamonix. Corinna muss sie holen, keine Frage. Der Trailheli muss an meine Schuhe kommen. Natürlich war mir klar, dass das nix wird. Also beschloss ich nach Arnuva zu wandern, dann die Füsse zu begutachten und dann zu entscheiden.

Der downhil nach Arnuva

Der downhil nach Arnuva

Der downhill verlief recht entspannt. Kein technisch anspruchsvoller Weg. Zum CCC war ich das Ding in gut 52 min runtergejoggt. Heute lief ich auf Zeit, auf ankommen. Cutoff war 18:30 Uhr. Das sollte ich locker schaffen. Man sieht ja den VP schon lange vorher, nähert sich ihm aber in langen Serpentinen. Ich war mich sich, das ich es auch ohne hetzen schaffen würde. Die Sonne hatte ihre Power verloren. Auch die. 😉 Die Nacht war im Anmarsch, die zweite. Es würde endlich kühler werden. Die Füße kleiner. Alles wird gut. Ich dachte positiv. Von Abbruch keine Spur. Hatte ich das nächste Tief überwunden. Sechs Stunden nach Courmayeur?

Ich erreichte das Tal um 17:41 Uhr. Wie vorhergesagt mit viel Zeitpuffer. Doch ich hatte viel zu tun. Füße kontrollieren und versorgen, Essen und Trinken und Vorräte auffüllen. Nach Möglichkeit vor Cutoff ontrail gehen. Der Gran Col Ferret stand an. Der letzte fette 2500-er (2525m). Schnell hatte ich die fette Blase ausgemacht. Meine Dauerblasenstelle. Bereits mehrer dieser Monster hatten sich ineinander gebildet. Alles wie immer. Und blutig. Das war nicht gut. Mist. Aufstechen. Mit was? Ah. Sicherheitsnadeln am Startnummernband (meine Rervenadeln). Schnell im Mund deinfiziert und dann rein in die Teile. Das Massacker war erfolgreich. Jetzt der staubigen Strumpf wieder drüber? Never. Blasenpflaster drauf. Mist hält nicht, zu fett diese Ballons. Egal. Socken drüber und weiter. Die ersten Schritte schmerzten erbärmlich, dann ging es besser. Kurz nach 18:00 Uhr verließ ich den VP. Noch 30 min Vorsprung auf cutoff. Jetzt war beißen angesagt. Ich hatte jetzt Campex fest im Plan. Drei Marathons muss ich schaffen. Kein Vertun. Champex war Satz. Zuvor gab es noch einen Messpunkt in La Fouly. Dort musste 22:30 Uhr abgedüst werden. Ich schaffe das. Scheiß Fuß. Das fehlte noch. Aber einer ist keiner.

Hinauf zum Gran col Ferret 2525m

Hinauf zum Gran col Ferret 2525m

Über 50% Anstieg lösen alle Probleme, das Schmerzzentrum verlagerte sich. Ich kam gut voran. Wir waren stetig am Aufsteigen, das lag mir jetzt. Ich war gut unterwegs. Der Blasenschmerz verschwand oder ich dachte nicht mehr dran. Ich überholte bis zum Gipfel in Größenordnung. Laut Statistik fast 100 Läufer. Aber der downhill bereitete mir Sorgen. Schon im Aufstieg versuchte ich gelegentlich zu traben. Dabei, sicher durch die korrigierte Fußstellung, um die Ferse zu entlasten, schmerzte der Vorfuß ohne Ende. Der große Zeh war irgendwie taub. Was war hier nur los. Dehnen des Fußes half. Fraß aber Zeit.

Immer nach oben

Immer nach oben – noch 300m bis zum Gipfel

Kurz vorm erreichen des Gipfels meldete sich die linke Ferse. Nicht schon wieder. Verdammte Axt. Ich hatte die Füße in Courmayeur komplett neu vaseliniert. Neue Socken angezogen. Alles richtig gemacht. Nur eben waren die Füße 2 Nummern größer als sonst. Es rieben sich die Fersen auf. Ich versuchte verstärkt auf den Vorfuß auszuweichen. Auch das funktionierte nur bedingt.

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Habs fotografiert, aber nicht gelesen. Ein Doctor am nächsten Point

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Das ist der Gipfel

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La Fouly 2:45 Std. – Soviel Zeit wollte ich nicht brauchen müssen

Es half kein Jammern. Ich muss nach Campex, koste es, was es wolle. Mein Speedhiking im downhill die einzige Möglichkeit, mich auf den Füßen zu halten. Ich muss durchhalten. Vielleicht gibt es in La Fouly einen Medical Point, der mir die „Füße aufschneiden“ kann.  Weiter stapfen, tapfer. Die rechte Ferse wurde unauffälliger. Lediglich beim Laufen verstärkte sich die Reibung. Es wurde unangenehm. Also wandern, vorerst, bis ein Wunder geschieht.

Bis zum „Doctor“, den ich als solchen leider nicht wahr nahm, verging die Zeit recht zügig. Ich hatte eh jedes Zeitgefühl für die Tageszeit verloren. Dachte nur von Checkpoint zu Checkpoint. Ein Umstand, der mir gar nicht gefiel. Aber so waren heute die Regeln. Es war maschinelles Abarbeiten einer Aufgabe. Jetzt, wo die Dunkelheit die Oberhand gewann. Wieder war die Lampe auf den Kopf gewechselt. Endlose Stunden war ich unterwegs. Ich rechnete nicht zurück. Die zweite Nacht. Es war Lämpchenzeit. Es sollte nur noch bergab gehen.

Jeder Gegenanstieg nervte mich total. Meldeten sich doch „zipp und zipp“ an beiden Fersen. Ich wollte gar nicht sehen, wie die Füsse aussahen. Es war mir Wurst. Ich wollte nur nach La Fouly kommen. Noch den Wald runter und dann die lange Asphaltstraße entlang und ich bin da. Nein erst noch ein Gegenanstieg. „Noch 4,5 km“ sagte uns eine „Wanderin am Wegesrand“. O.K. Das war eine Ansage. Eine Stunde also noch, wenn „Zipp und Zapp“ weiterhin ruhig blieben.

Nach Megadownhill folgte leichter Gegenanstieg. Ich musste mit diesen Anstiegen reden. Sie verstanden mich nicht. Ich wurde lauter. Das half, besonders mir. Ich glaube diesen Anstiegen war trailrunners „Ansprache“ ziemlich Hupe. Wieder einer dieser staubigen downhills, der mich an meine schmerzenden Zehen erinnerte. Ich muss mich hinsetzen. Pause auf einer Wiese.

Aber was war das? Blitze. Nee, ne. Es blitzte und Donnerte. So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Das ganze Mont Blanc Massiv war Sekundenlang taghell vom Blitz. Oh, Oh. Bloß keine Gewitter auf unseren Pfaden. Ich muss nach Champex. Dort werde ich erwartet. Ich kann jetzt nicht auf ein Gewitter warten. Es ist weit weg. Ich muss weiter, muss nach Champex. Ich war im Tunnel. Mal wieder. Läufer gab es kaum. Kann mich an eine Gruppe Franzosen erinnern, die vorbei kamen. Ansonsten war es mittlerweile sehr übersichtlich. Donner und Blitz lagen nun dichter beieinander.

Wieder solch ein Gegenanstieg. Bei Tageslicht sicher ein krasser Trail. Ich hatte keine Zeit, hier rumzubummeln. Bringt mich auf einen laufbaren Weg. Einen für Läufer mit Bewegungseinschränkung. Es zog sich, wie Kaugummi. Wir erreichten einen Fluss. Aus den anfänglichen tröpfeln entwickelte sich leichter Regen. Würde ich es bis La Fouly schaffen. Es blitzte weiter. Keine Chance. Es begann ergiebiger zu regnen. Meine ersten Gedanken … nasse Füße sind das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen kann. In ihren Rucksäcken wühlende Trailrunner tauchten auf. O.K. Ich ziehe auch meine Regenjacke über. Besser ist das. Schnell noch eine paar unverbeutelte Utensilien in den Regenjackenbeutel und ab ging die Luzie. Bloß keine Nassen Füße. So lange es geht.

Lange zieht sich der Aufstieg von Col Ferret und dann geht es ganz schnell

Lange zieht sich der Aufstieg von Col Ferret und dann geht es ganz schnell

Endlich, die bekannte Asphaltstraße. Die give-five-Hände nicht vorhanden. Es war kurz vor zehn, als ich endlich ins Zelt des VP einlaufen konnte. Die Füße mittlerweile ein einziges Wrack. Essen, schnell. Trinken … nur auffüllen. Ich hatte 25 Minuten Zeit, den VP zu verlassen sonst war es vorbei. 3 Marathons muss ich schaffen. Es werden dann über 7000 hm im Aufstieg sein. Ich muss es versuchen in die „Wertung“ zu kommen. Eine Zeit in Champex war meine Wertung. Beidem Zustand der Füße, eine völlig neue Situation nach dem Kopfdefekt noch am Tage, war Champex die letzte Option. Ich konnte mich kam noch auf den Füßen halten. Schitt. Ich muss es versuchen. Minimalziel Champex/Lac.

Strümpfe aus, Füsse massieren. Oh Gott. Es sah böse aus. Beide Fersen offen. Schnell wieder die Socken drüben. Ich habe es nicht gesehen 🙂 Im Zelt immer wieder die Ermahnungen, dass die Läufer, die Champex erreichen wollen, das Zelt in xx Minuten verlassen müssen. Für alle anderen fährt ??? ein Bus. Ich wollte keinen Bus. Ich muss aufn Trail. Ich glaube, ich habe angerufen. Ich weiß es nicht mehr. Ich war jetzt 28 Stunden auf dem Trail. Vor dem Zelt regnete es „junge Hunde“. Meine Füße hatte ich in ihr Korsett gesteckt. Ziehe ich noch den Regenhose an? Ich finde sie gar nicht. Wo ist die Regenhose? Hatte ich sie beim Jacken anziehen versehentlich aus dem Rucksack gezogen? Noch nach zurück? Ja, sicher doch. Geht das schon wieder los mit den wirren Gedanken.

Also nur die Jacke. Nein, ich habe nichts gegessen. Getränke habe ich aufgefüllt. Kapuze auf, Reißverschluss nach oben ziehen, Schlaufen der Stöcke ums Handgelenk und auf in die letzte Schlacht. Ich muss Champex mit einer Zeit schaffen. Mit viel Applaus und guten Worten wurden wir beflügelt in die regnerische Nacht verabschiedet. Es blitzte und donnerte immer noch. Egal.

Ich joggte ein paar Passagen, doch das tat nicht gut. Gar nicht gut. Ich hatte für die 17 km 4 Stunden Zeit. Recht einfach das Stück, bis der Aufstieg im Wald kommt. Wir gruppierten uns wieder temporär. Viele Läufer der letzten 7-8 Stunden erkannte ich wieder. Asiaten vorrangig, da das cutoff-Laufen perfekt zellebrierten. Mit der/dem ein oder anderen konnte man sich unterhalten. Wenige Worte nur. Die zweite Nacht brachte alle Kräfte. Gegen Mitternacht oder kurz davor, nach nur 2 Stunden erreichten wir den Waldrand mit dem Schlussaufstieg. Ich hatte mein hih´king auf sagenhafte 7 km/h steigern können. Auf ebener Straße allerdings nur. Immer wieder dachte ich unterwegs, ich gehe weiter. Versuche noch Checkpoint Trient oder gar Vallorcine.

Meine Füße hatten sich mit der Situation abgefunden. Was ich nicht bedacht hatte. Im Hochgefühl befand ich mich auf Asphalt. Ebener Untergrund. Keine Steine und Wurzeln. Schmerzarmes Gehen war möglich. Da spinnt man sich viele Dinge zusammen. Völlig euphorisch ging ich an den Aufstieg. Das sollte doch in 30 Minuten erledigt sein. Dann blieben mir noch 2 h auf Cutoff. Welch Luxus. In Champex gab es neue Schuhe, andere Schuhe. Vielleicht würde es mit diesen funktionieren.?

Wir stiegen den Wald hinauf. Corinna wollte am Wald auf mich warten. Ja, ich hatte telefoniert. Und von dort war es nicht weit, bis ins Ziel. Hier war der Wald. Nein, sie wartete am Beginn der Zone, die Begleitung zulässt. Es konnte trotzdem nicht weit sein. „Es irrt der Mensch solang er trailt“.

Es war weit und es war mühsam. Meine Füße hatte Arbeit zu verrichten und das gefiel ihnen gar nicht. Die Elefantenfüße brauchten Platz. Es müssen an die 3 km bis zum CP gewesen sein. Ich habe dafür 1:45 h benötigt. Es war die Hölle. Ich habe selten so oft meine Füße gedehnt und entlasten müssen. Immer wieder überholte mich eine Gruppe von Wettkämpfern. Ich konnte nicht mehr kämpfen. Ich wollte nicht mehr kämpfen. Ich wollte nur noch in mein Ziel.

Wollte, dass es vorbei ist. Ich wollte nicht mehr leiden müssen. Der Spaß war verflogen. Innerhalb einer Stunde die Euphorie der Realität gewichen. Corinna erwartete mich kurz vorm Ziel. Schnell noch mal wassern. Hups, da gehts tief runter und dann ins „Ziel“ in mein Zeil. 3 Marathons habe ich geschafft. Noch mal einen 50-er draufgesattelt seit Courmayeur. Mehr konnte ich nicht. Tut mir so leid. Ich war heute zu schwach für diesen Trail.

Nach 31:46:12 Stunden habe ich mein größtes Projekt beendet.

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Nachdem ich meine Ecke gespendet habe, war es vollbracht. Nicht in Gänze. Aber ich hatte fertig!

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Oder um mit den Worte eines großen Trailrunners zu sprechen:

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Besonders lieben Dank an Corinna, die bei ihrem ersten unterstützten Ultratrail leider mein DNF miterleben musste. So ist Ultratrail. Du weißt nie, was unterwegs passiert. Das kann man nicht trainieren, nur bedingt.

5 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen mitreißenden Bericht! Und nein, Du warst nicht zu schwach. Die erbrachte Leistung war der totale Hammer! Tolle Fotos und eine sehr nachvollziehbare Beschreibung der Gefühlsachterbahn. Gänsehaut!

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