Transvulcania 2019 … wie alles begann.

Wir schrieben das Jahr 2003 … ein familiäres „Großereignis“ stand an und wir haben überlegt, was man mitgeben kann, wenn es hinaus geht in die weite Welt. So entstand die Idee, eine kleine, verwunschene Insel mitten im Atlantik zu erwandern.

Nur aus den spärlichen Informationen, das Internet war nur per Modem zu erreichen. Die Datenraten entsprachen denen eines nassen Schnürsenkels. Das kleine Eiland, eine der sieben großen Inseln der Kanaren ist die letzte Bastion Europas, bevor es nur noch Wasser gibt. Viel Wasser, kaltes Wasser, Lebenselixier.

Als wir landeten, auf unserer geheimen Insel, die jahrelang auch unsere beiden Geheimnisse bleiben sollte, waren die zwei unterschiedlichen Generationen sofort begeistert. Sie misst nur 40 mal 80 Kilometer ist aber über 2400 m hoch. Angeblich beherbergt sie den größten Valkankrater der Welt und das ist es auch, was einen Großteil der Insel bestimmt. Riesige und zahllose Vulkane, endlosen Lorbeer Wald und besonders im Norden sehr viel Grün. Viele endemische Pflanzen wachsen hier, Farne, so groß wie ein Kleinwagen, Schluchten, eine schöner als die andere.

Und was bereits auf der ersten Reise, in den Folgejahren waren wir mindestens einmal im Jahr auf der Insel, auf dem Plan stand war die Überschreitung dieses Kraterrandes. Man traut es sich kaum zu schreiben, dass wir auf unserer ersten Tour ganze zwei Tage von El Paso über den Reventon Pass bis nach El Puerto (Puerto de Tazacorte) brauchten. Dabei drohte die Mission fasst zu scheitern, denn in unserem Nachtlager auf dem Pico de La Cruz hatten wir nur noch einen Liter Wasser für den Folgetag und die verbleibenden knapp 30 Kilometer.

Darüber nachdenkend ließen wir uns den traumhaften Blick von unseren Isomatten nicht trüben. Als wäre es heute, erinnere ich mich an das Wachwerden um vier Uhr morgens. Ein Gebirge, von einer unendlichen Anzahl von Sternen umgeben füllte den Himmel. Ich glaube, so etwas habe ich seitdem bisher nur dort und nie wiedergesehen.

Das Wasserproblem klärte sich dann am nächsten Tag, als wir nach einer Stunde Wanderung den höchsten Berg der Insel erreichten. Den Roque de Los Muchachos. Eine Spitze des Kraterrandes, der 2426 Meter über dem Atlantischen Ozean thront. Zur damaligen Zeit eine unglaubliche Leistung, die der Teenager und der zigarettenverschlingende Mann in den besten Jahren vollbrachten.

Der erste Kontakt ist immer der schönste … keine Frage. Die Jahre vergingen und immer und immer wieder kehrten wir auf die Insel zurück. Das kleine Zweierteam erschloss auch den letzten Winkel des faszinierenden Eilandes. Später „durfte“ dann auch der Rest der Familie unsere verwunschene Insel sehen. Auch hier entwickelte sich gleich eine Liebe fürs Leben.

Die Vulkankraterüberschreitung gehörte in jedem Jahr zum Standardroute. Nun wurde nicht mehr übernachtet, was auch schade ist, und die 50 Kilometer Runde (2000 hm Aufstieg) an einem Tag absolviert. Nur noch einmal übernachteten wir auf unseren ISO-Matten auf 2400 Metern Höhe am Pico Chico. Es entwickelte sich.

Und irgendwann war der Zeitpunkt gekommen. Wieder war ein neuer Lebensabschnitt eingeläutet, der nach Vergesslichkeit rief. Eher so eine Panik des Vaters, wenn man glaubt, etwas sehr Wichtiges im Leben zu verlieren. 😉 Das Verlieren, was dann doch nie wegkommt.

Wir entschlossen uns so, auf Mietwagen und Campingplatz zu verzichten und alles selbst auf dem Rücken über die Insel zu tragen. Wir schrieben das Jahr 2009. Meinen ersten Marathon war ich in Karlsruhe gelaufen, meinen ersten 100-er hatte ich mehr wandernd als laufend in 17:35 Stunden beendet. Die Fitness also schon signifikant verbessert. Es sollte klappen. Die junge Frau war eh fit wie ein Turnschuh und musste auch „nur“ 17 Kilogramm tragen. Während der Sherpa 26 Kilogramm über Berge und durch Schluchten trug.

Im gleichen Jahr wurde auch die Transvulcania geboren. Kleines, feines Läufchen über die komplette Insel vom Faro de Fuencaliente über den Kraterrand bis nach Los Llanos de Aridane. Ich hatte damals gerade meine Straßenlauferei begonnen. Das man auch über eine Insel laufen kann, dass ich es kann, kam mir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in den Sinn. Es war es mir nicht mal wert, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

Wie alles im Leben änderte sich auch das, wenn man einmal begriffen hat, dass diese Straßenlauferei nicht wirklich zu einem passt. Und wenn man dazu noch gern lange unterwegs ist kommt man am naturnahen Laufen gar nicht vorbei. Schnell sind die üblichen Verdächtigen wie Röntgenlauf, Rennsteiglauf, Mauerwegetappenlauf … abgearbeitet. Jährlich hingegen kehrte ich immer wieder nach Jena zurück, um die 100 Kilometer rund um die Toskana des Ostens zu erleben. Gemeinsam im Team, allein mit Müh und Not oder auch mal ganz schnell haben es mir die 100 km (2000 Höhenmeter im Aufstieg) angetan. Von 2009 bis 2017 lückenlos. Und noch ist kein Ende in Sicht.

Als 2012 die Fa. Salomon das Rennen für sich entdeckte sollten die besten Jahre folgen. Die Traileliete gab sich die Klinke in die Hand. Alle namhaften Trailrunner dieser Zeit waren auf der Isla Bonita zu Gast. Und mit diesen Koryphäen lief ich schließlich 2013 meinen ersten Trail Wettkampf. Klar, gleich mal die 73,8 km (offiziell 83 km). Wie man das so macht, wenn man seinen ersten 100-er vorm Marathon absolviert. 😉 Es gibt keine wirkliche Chronologie, wenn man Trail Running als Erlebnislaufen versteht. Alles bisher angestrebten Chronologien haben sich in meinem Fall als Irrwege erwiesen.

Kurz vorm der Transvulcania dann die berühmte Verletzung, sodass die letzten Tage und Wochen der Vorbereitung auf dem Rad absolviert wurden. Plantarfisziitis. Alles kein Thema. Nicht an den Schmerz denken, sagt der mehrfache Transvulcaniasieger und Podestplatzierte Kilian Jornet Burgada.

Es war spannend, ob ich meinen ersten Überquerungsversuch finishen konnte. Das mitfiebern in den sozialen Netzen hat mich damals schwer beeindruckt. Ja, ich kam ins Ziel und für die Begleitumstände in einer recht soliden Zeit.

Im Jahre 2014 war klar, dass ich nun die Transvulcania mal unverletzt bestreiten wollte. Im gleichen Jahr war ein neues Kind im Reigen der Läufe auf der Insel geboren. Von El Puerto wurde zum Tore des Time gelaufen. Immer schön an der Abbruchkante des Kraters entlang. Mit Händen und Füßen kämpft man sich auf 7 Kilometern 1200 Höhenmeter teils weglos ins Ziel. Ich tat dies auch … Anschließend mit den weltbesten Berglaufspezialisten ins Tal zu fahren hat meine Brust schon ein wenig vergrößert.

Der 2014-er Austragung finishte ich dann wirklich recht ordentlich. Knapp über zwölf Stunden hatte ich für die Strecke verwendet. Schneller wirds auch nicht mehr. Was aber auch nicht wirklich tragisch ist. Das Erlebnis Transvulcania kann man auch in 15 Stunden genießen.

Im Jahre 2015 sollte dann vorerst zum letzten Mal über die Insel gelaufen werden. Wieder mit dem Aufwärmprogramm der „VertikalKilometer“ zwei Tage zuvor. Erneut ein tolles Erlebnis auf unserer Lieblingsinsel. Wieder war es wunderschön heiß und anstrengend und so erfüllend, nach etwas über 13 Stunden in Los Llanos angekommen zu sein.

Nach drei erfolgreichen Teilnahmen sollte es dann genug sein. Viele andere Laufereien verlangten nach Optimierung der zur Verfügung stehenden Zeit. Ich hatte die Region um den Mont Blanc für mich entdeckt. Ein Laufgebiet, was mit dem weißen Klotz im Blitz kaum zu überbieten ist, in Europa. Die Umrundung eines massiven Berges übt dabei die gleiche Anziehungskraft auf mich aus, wie eine Inselüberquerung oder Umrundung.

Chamonix ist aus den norddeutschen Bergen recht gut erreichbar. Ein bissl fliegen und ein bissl Bus fahren und Mann steht am Fuße des 4810m hohen Mont Blanc. Irre, dieser Anblick. 3000 Höhenmeter hinaufgucken. Wie klein fühlt man sich da und wie unbedeutend, was mir Menschenkinder aus sind. Lediglich bei der Umweltzerstörung sind wir wahre Meister.

Ganze 7 Mal bin ich am Mont Blanc gelaufen. Diese Region hat mich Demut gelehrt. Zu schwer offensichtlich für mich zu laufen. Eine Vielzahl von vorzeitigen Zielankünften entstand genau dort. Dennoch werde ich nach zwei UTMB-Versuchen in 2020 eine letzte Attacke reiten. Sollte ich dann wieder zu schwach sein, den großen, weißen Klotz zu umrunden … dann klettere ich eben drauf. Dann ists mit der Lauferei in dieser Region eben Schluss. Mann wird nicht fitter mit den Jahren und kann und will die notwendige Trainingszeit auch nicht mehr aufbringen für ein einziges, großes Event. Kleine oder etwas kleinere Brötchen schmecken auch lecker.

Nach der zweijährigen Transvulcaniapause kehrte ich im letzten Jahr auf die Insel zurück. Leicht geänderte Strecke, Transvulcania ist derzeit Mainstream bei den naturnahen Läufern. Es wird um Minuten gefightet. Kann man gern tun. Ein unbedeutender Nebenkriegsschauplatz für mich. Andere sehen das berechtigt oder nicht anders und das ist gut so. Im letzten Jahr war ich dann doch recht nervenaufreibend unterwegs. Manchmal lässt man sich eben auch zu viel Zeit. Cutoff nach 24 Kilometern locker unterboten (um 4 Minuten 😉 ) und auch am Roque de Los Muchachos sah es dann auch nicht sooo komfortabel aus (-12 min vor Cutoff). Das ich den langen Downhill bis ans Meer gerne mag ist nicht wirklich ein Geheimnis. Das ist Trail, der seinen Namen verdient. Gut 15 Stunden war ich im letzten Jahr unterwegs und sicher wird auch da irgendwo meine diesjährige Ankunftszeit liegen. Vielleicht gehts im Downhill etwas gemäßigter …. Mann wird es sehen und was am Ende wirklich zählt ist das Lauferlebnis. Alles andere ist nice to have. Ein Finish sollte es dennoch sein. Hat so etwas … bleibendes zum Wegheften und an das Medaillenbündel hängendes.

Die Transvulcania hat mittlerweile ihrer „großen“ internationalen Sponsoren verloren. Dies tut dem Lauf aber überhaupt nicht weh. Die Startplätze sind nach, wie vor heiß begehrt. Auch in den Eventlisten bekannter Laufserien ist die Transvulcania fester Bestandteil. Na und der Enthusiasmus der Inselbewohner für die Transvulcania ist seit meinem ersten Start ungebrochen. La Palma ist Transvulcania, Transvulcania ist La Palma. Hier kann man es so und nicht anders sagen.

Mit einer leichten Gänsehaut freue ich mich auf das Menschenspalier am Vulcan San Antonio, die außerordentlichen VPs mit Bier und Wein und Schläuchen voller kalten Wassers …. Freue mich auf das Ende des „langen“ Anstieges durch die Bananenplantagen nach Los Llanos, den Kilian Killer, wie ich ihn nenne, und auf die vielen Hände auf dem2 Kilometer langen Zielteppich, wo dein Name zahllos fällt, du Hände abklatschen wirst, als wärst Du der Führende und dieser lange rote Zielkanal am Plaza Espana.

Nun fliegt er wieder übers große Wasser. Noch 3,5 Stunden und wir landen auf der Isla Bonita. Komfortabel wohnt man heutzutage im Hotel, reist zu den Hotspots der Insel mit dem Bus oder mietet sich eine kleine Blechbüchse. Gelaufen wird trotzdem, gewandert und Speed gewandert, gelegentlich. Ich freue mich auf tolle 11 Tage auf unserer Insel, mit zwei wunderschönen Läufen garniert. Zeit, Erinnerungen wachzurütteln und neue Traumbilder im Kopf zu speichern. Ja, es ist noch ein bissl Platz darin. Wenn er auch knapp wird. 😉

Ich werde berichten, auf dem ein oder anderen Kanal dieser medialen Welt.