Wenn einmal Sharaquerung über 237 km nicht genug ist

Noch immer habe ich nicht die Muße, die zehn Tage in der Sahara aufzuschreiben. Immer und immer wieder sind die Erinnerungen aufgefrischt, erweitert worden. Zahlreiches Video- und Bildmaterial tun das ihrige dazu. Marathon des Sables ist sooo überwältigend, Sahara wahrscheinlich generell. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der nächste MdS steht im Startblock.
Kaum aus der Wüste zurück, ein paar Stunden verschnaufen in Ouarzazate, am Rande der Sahara sozusagen und dann ging es auch schon los. Die Besteigung des höchsten Berges Nordafrikas, auf alle Fälle des Hohen Atlas. Hinauf auf den Toubkal. Stolz tront er über dem großen Gebirge, dass sich durch weite Teile Nordafrikas zieht.
Wir, das war eine kleine Gruppe Marathon des Sables finisher, die es nicht lassen konnten, ihren Fetisch für die Bergwelt auch in Afrika auszuleben. Wir waren: Nikola, eine erfahrene Bergläuferin, nicht nur aber auch in Marokko. Hansi, Bergläufer und Biker aus Leidenschaft, der zum MdS mit dem Geländemotorrad aus dem Algäu angereist war und eh noch ein paar Tage brauchte, bis seine Fähre nach Europa ging und ich. Unbedeutender europäischer trailrunner, Nordlicht und erstmals im wirklichen Marokko unterwegs. Sieht man mal von einer 7 tägigen Ausflügelei im Januar ab.

Zwei nahmen den Bus, einer das Bike. Wir fuhren also mit dem Überlandbus knapp 5 Stunden von Ouarzazate nach Marrakech und von dort dann mit einem Taxi, Mercedes Baujahr … gleich nach dem Krieg ins Bergdorf Imlil. Fast einen ganzen Tag waren wir unterwegs, bis wir unser bescheidenes Zimmer in einer wunderschönen Lodge beziehen konnten. Kleine Kraxelei noch bis zum Nachtlager. Wer hoch steigt kann wunderbarer überblicken.

Shoppingmall

Imlil

Das Dorf klein und übersichtlich. Die Welcomerunde schnell erledigt. Mit der Sonne zogen auch wir uns die Decken übers Gesicht. Zwei spannende, anstrengende Tagen warteten auf uns. „Kleine“ Mitbringsel schnell erstanden. Von den Frauen, klar 😉
Mit dem ersten Hahnenschrei, Wecker überflüssig, steckten wir unsere Nasen aus der Tür. Ja, es war Wetter. Nicht ideal, aber annehmbar. Die Tagesaufgabe hieß: 1500 Höhenmeter ins „Basislager“ des Toubkal zu kommen. Knapp 13 Kilometer führten uns durch wirklich tolle Landschaft. Nur durch zwei- und vierbeinige Esel zu begehen. Immer wieder luden kleine Pausenoasen zur Rast. Der frisch gepresste Orangensaft hatte es uns angetan. Mann hätte mehr anhalten, als wandern müssen, wollte man es allen recht und unserem Körper nur Gutes tun. Wir fanden den Mittelweg.

Endlich auf 3200 Metern angekommen

Nikola stiefelte vorn weg, den perfekte Bergschritt anschlagend, ich versuchte, die pace zu halten und Hansi sicherte das Rückzugsgebiet. Er hatte sich eine leichte Erkältung eingefangen. Respekt, wie er das meisterte. Toubkal musste trotzdem sein. Typ zäher Hund halt. Die Stimmung näherte sich dem Tiefpunkt war, wenn man davon überhaupt sprechen kann … Der Weg war zäh, lang und schier endlos. Aber wenigstens immer ansteigend, was Zielnähe anschaulich machte.
Die ersten Schneefelder erreichten wir auf 3000 Metern und kurz darauf kehrte das Lächeln in unsere Gesichter zurück. Das Refuge kam in Sicht. Aus der Wüste nicht verwöhnt, was endlose Weite betraf vergingen die restliche Distanz wie im Fluge.
Da waren wir nun, den Steilaufstieg im Blick, komplett im Schnee angekommen, aber zumindest die Sonne zeigt sich recht häufig. Während unsere first Lady die Formalitäten erledigte, sicherten wir den Rückzugsweg 😉 Oder wie drückt man dieses Genießen aus?

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Der Resttag verging durch „nichts tun“ wie im Fluge. Abend essen in großer Runde und Schlafplatz im 30-er Schnarchgehege einnehmen. Dies die wichtigsten Eckpunkte des verbleibenden Tages.
Am Gipfeltag dann, ein langer sollte es werden, denn es waren der Aufstieg und die über 2500 hm Abstieg nach Imlil geplant, hieß es zeitig aufstehen. Der Schnee war noch frisch und teils vereist der lange steile Aufstieg auf den ersten Sattel auf knapp 4000 Metern. Es war ein wirklich hartes Stück Arbeit. Unsere Ausrüstung nicht ganz perfekt, Stöcke und Daunenjacke ein muss im April. Ja, mir war es nicht so einerlei, ohne Grödeln oder Steigeisen die vereisten Steilhang zu nehmen. Wieder war die Reihenfolge unserer kleinen Reisegruppe klar. Zwischenzeitlich zweifelte ich stark am Gipfelglück. Der Wind schien mich von der Piste zu Pusten. Ich glaube, es ging allen nicht gut. Wir schwiegen es weg oder riefen es in den Sturm. Hilft ja. Zum Glück ließ dieses Gebläse etwas nach. Obwohl es eher einige Gebirgszüge waren, die uns vor ihm schützten. Der Aufstieg war gut besucht. Wobei die anderen Gipfelteams immer wieder pausierten. Wir nahmen uns dafür keine Zeit. Gipfel, hieß der nächste Pausenplatz.
Endlich war der Sattel erreicht. Kurz zuvor speichte die Fenix ihren 4000. Höhenmeter. Eine kleine Schwächephase, die uns allen wohl sehr gelegen kam, zwang uns zur Pause. Der Toubkal bereits in Sichtweite. Mittlerweile war es Schnee- und eisfrei auf dem kleinen Hochplateau. Im Rücken hatten wir die Arbeit unseres morgendlichen Aufstiegs vor Augen.
Nur noch knapp 200 Höhenmeter und es war geschafft. Wir nahmen wieder Schritt auf. Ich übernahm die „Wegfindung“. Mir ging es immer noch erstaunlich gut. Die Luft sehr sauerstoffhaltig, wenn auch schneidend kalt. Immer wieder konnte der Wind eine Lücke zwischen den Felsen finden, um uns zu demütigen, uns irgendwie noch von unserem Ziel abzuhalten.
Natürlich gelang es jetzt und hier nicht mehr. Bereits über zwei Stunden hatten wir für fast 1000 hm im Steilaufstieg verbracht. Eine halbe Stunde sollte noch vergehen, bis wir auf dem Gipfel stehen sollten. Der letzte Abschnitt war, hart, anstrengend und verlangte mehr Willensstärke als muskuläre Stärke. Aber darin kannten wir drei uns aus. Als Ultraläufer ist Kummer Deine Freund und Leiden das Salz in der Suppe.
Glücklich und erleichtert und sogar mit einem Lächeln im Gesicht standen wir nach 2,5 Stunden auf dem Dach Nord-Afrikas. 4167 m über dem Meer guckt es sich ganz anders. Ich wollte nur hinunter. Es war so sau kalt hier oben. Ich wollte nicht mal mehr ein Bild machen. Das sowas gar nicht geht ist klar. Dabei war es besonders der Wind, der uns die letzte Energie aus dem Körper zog. Sch … war das kalt.

Hier lohnt sich der Überflug wirklich

Kaputt, aber glücklich

Foto, Foto, Foto, Foto … Irgendwie, eines würde schon was werden und dann hieß es Abschieß nehmen. Wozu hatte ich die Trailschuhe an den Füßen? Ich musste diesen downhill hinunter nehmen. Das war gar keine Frage. Treffpunkt Lodge … Unsere Reisegruppe trennte sich für kurze Zeit.

Ja, der Aufstieg war schon sehr bewegen, kalt, steil, windig, glatt. Der Downhill dagegen pures Vergnügen. Ich möchte nicht sagen, dass ich hinunter flog. Aber irgend so etwas ähnliches muss es gewesen sein.
Traumhaft, durch die nun angetauten Eis- und Schneefelder zu sausen. Selbst ein kleines Ausrutscher des linken Sprunggelenks (Autsch, das war böse) wurde ignoriert, vorerst. Nach knapp 40 Minuten war ich wieder unten. Durchgeschwitzt und … ein Dauergrinsen im Gesicht. Wenig später war unsere kleine Berggemeinschaft wieder komplett und wir erledigten den angenehmen Rest des Tagesausfluges. 1500 Höhenmeter hinter nach Imlil, wo bereits eine leckere Tagine für uns vorbereitet war. Wir aßen sie zumindest.

Bei freier Sicht muss es traumhaft sein – Aussicht auf das geschaffte auf 4000 m Höhe.

Mit Worten kann man es nicht beschreiben, was wir an diesen beiden Tagen im Hohen Atlas erlebt haben. Wenige Tage zuvor waren wir knapp 240 km durch die Sahara gelaufen … der menschliche Körper vermag mehr zu leisten, als wir uns gern eingestehen. Obwohl ich der Jungster in unserer Gruppe war.
Vielen lieben Dank an meine beiden Bergfreunde. Danke an Niki für die tolle Idee und die Vorbereitung der Tour. Danke an Hansi für die nette, kurzweilige Zeit in Afrika. Gern wieder.