Transvulcania 2013 – ein Alb-Traum?

Artikel La Palma24

Copyright by La-Palma24.info

Der Traum schon ein längerer, wie der Artikel auf La-Palma24 belegt. Nun sollte er Wirklichkeit werden. Aber irgend jemand hatte etwas dagegen. Man muss für seine Träume kämpfen, manchmal ganz schön hartnäckig.

Was uns erwarten sollte kannte ich aus diesem Video, auch wenn die Strecke und deren Verlauf bekannt waren, war dieses Video immer und immer wieder meine Motivation. Ich glaube, jemand in unserem Arbeitszimmer war schon etwas angenervt?

httpv://youtu.be/LpjOPws9GQ8

Unsere Reise an den südlichen Leuchtturm

Die Vorzeichen standen recht gut, am Start der Transvulcanai zu stehn. Dabei war die zu absolvierende Distanz immer noch nicht klar.

Bereits im Vorfeld hatte ich versucht, die gemeldete Distanz auf die Sprintstrecke über nur 26 Kilometer umzumelden. Und auch auf der Insel, Tage vorm Event wurde noch einmal ein Versuch unternommen, auf die Vernunftdistanz zu switchen. KEINE Chance; die An- und somit auch Ummeldefrist sei abgelaufen. Auch das verletzungsbedingte Ausscheiden in El Pilar, obwohl mit den Ultramarathonis gestartet, sollte keine Wertung auf der Bambini- sondern ein DNF auf der Ultradistanz bringen. Was ja auch richtig ist! Mal sehen was geht und wenn nicht biste der Held auf der Unterdistanz, hm. Nicht mit den Palmeros. Ganz oder gar nicht. Hop oder Top.

Foto0828Mit diesen gemischten Gefühlen sprang ich am Renntag um 2 Uhr, gefühlte Minuten nach dem Einschlafen, aus dem Bett. Die Tagesgarderobe war zurechtgelegt und ich brauchte lediglich den Stapel abzuarbeiten. Leider passten die 2 zusätzlichen Trinkflaschen nicht wirklich in den Rucksack, oder wollte es eher nicht, und so musste es ohne gehen. Wieder ein Kilogramm gespart. 1,5 l hatte ich in der Trinkblase gebunkert. Das muss doch reichen für die maximal 14 km entfernten Süffelstände? Im Nachhinein betrachtet schon eine gewagte Nummer. In Höhen über 2000 Metern in der prallen Sonne ohne Notreserve unterwegs zu sein? Die Entscheidung stand!

Eine halbe Stunde vor Abfahrt der Busse am zentralen Busbahnhof in Los Llanos, der für 3 Uhr fix war (keine Rückfallebene), verließ ich mit einem Lunchpaket, der mein Frühstück enthielt, die Hotellobby. Alles lief perfekt. Das Wetter angenehm, mir fröstelte sogar ein wenig, als ich gemütlichen Schrittes, ab und an in die Plastebeutel greifend, den Zielbereich passierte. Die Rennuhr war bereits eingeschaltet und ich sprach noch einmal mit der Zielgasse … verrückt, aber es hörte ja keiner.

Je näher ich dem Abfahrtspunkt kam, umso größer das Läuferaufkommen. Bereits von weitem sah ich mehrere Busse mit noch mehr Laufenthusiasten. Schnell hatte ich einen erwischt und fiel ohne Wartezeit in einen gemütlichen Stuhl. Pünktlich, um drei Uhr und auch erst, als alle Sitze belegt waren, ging die Reise los. Einmal über die halbe Insel an ihr südliches Ende, den Faro in Fuencaliente. Die Stimmung im Bus eine unerwartet fröhliche. Trotz früher Morgenstunde waren alle lustig und scherzten. Plötzlich ertönte ein mir unbekannter spanischer „Rapp“ aus den Radioboxen und der Großteil der Sitzenden sang mit. Hmm. Ich mimte den Verständigen … Marianne Rosenberg Rap 😉

Die Reise dauerte nicht wirklich lange, für palmerische Verhältnisse. Als wir Los Canarios erreichten, den oberen Stadtteil  im Süden und damit auch VP-1 (Verpflegungspunkt 1) nach knapp 7 Kilometern der Laufdistanz  zeigte die Uhr noch nicht 4. Zahlreiche Läufer rannten auch hier durch die Gassen, denn auch hier gab es einen offiziellen Abfahrtspunkt oder es wurde individuell angereist.

Nun begann der unangenehme, wenn auch vergleichsweise kurze, Teil der Anreise. In Serpentinen überbrückten wir die 700 Höhenmeter, die uns vom Startort trennten. Es war stockfinster, lediglich der Schein der Lampen anfahrender Busse drang durch die Nacht. Kurz nach vier, es staute sich kurz vorm Zielpunkt, wurde der tiefste Streckenpunkt erreicht. Besser war es auch, magentechnisch gesehen. Eine unheimliche logistische Meisterleistung, 2500 Läufer an die entfernteste Ecke der Insel zu karren auf Straßen, die den Namen teilweise nicht verdienten. Es war der Wahnsinn. Mit kanarischer Gelassenheit wurde jedes Problemchen gemeistert. Unlösbare Rangier-Problemchen wurden weggelacht. Herrlich.

Ankunft am Lighthouse

Der erste Kontakt mit der frischen Seeluft, zwanzig Meter über NormalNull, war ernüchternd. Kühl war es und ich fror. Ein gutes Zeichen, vorm Start zu frieren, doch dieser lag noch in 100 Minuten Entfernung. Jeder suchte sich einen windgeschützten Platz. Aber das Gebläse funktionierte gefühlt aus allen Richtungen. Nach einem großen Rundgang ums sogenannte „Lighthouse“, ein Museum-chen über die Meeresfauna und -flora, waren gerade mal 10 Minuten vergangen. Ich hatte noch ein paar Reste in meinem Lunchpaket, die ich jetzt futtern sollte. Auf die Äpfel verzichtete ich mal lieber … nix genaues weiß man nicht.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich die Zeit totschlug, die bereits 10-tägige Anwesenheit auf der Insel hatte mich sicher bereits entschleunigt und so verbrachte ich die toten Minuten mit nichts. Gespräche kaum möglich, aber allen ging es irgendwie gleich. Manche schliefen sogar noch ein paar Augenblicke auf der kleinen, goldenen Zauberdecke.

Der Startpunkt befand sich direkt am Meer. Ganz in der Nähe hatte einst ein leckeres Fisch-„restaurant“ seinen Platz, bevor es der Abrisswut zum Opfer gefallen war, da illegal errichtet. Was machts, lecker war das Essen in jedem Fall und es hatte Menschen in Arbeit gebracht. Heute herrscht hier gähnende Leere. Es war immer noch stockdunkel und lediglich die Lightshow erhellte den Platz, als wir gegen 5 Uhr zum Einlesen der Transponder und Kontrolle der Pflichtausrüstung aufgefordert wurden. Zuvor konnte man unnötiges Gepäck in zwei bereitgestellten LKWs, nach Startnummernbereichen geordnet, abgeben. Ich hatte nix zum Abgeben. Die Reste meines Fressbeutels parkte ich auf einer kleinen Mauer, neben anderen. Alles andere wollte ich selbst ins Ziel, wo auch immer dies sein mochte, tragen.

Eine lange Schlange, 2500 Läufer lang, begab sich bergabwärts auf die großen, luftgefüllten Startbögen zu, die den unmittelbaren Vorstartbereich markierten. Dabei kam weder Eile noch Hektik auf. Es war ja noch über ein Stunde Zeit bis die Meute des Ultramarathon und über 1,5 Stunden die des Halbmarathonis losgelassen werden sollten. Ich hatte kein Gefühl, wie lange sich die Menge durch einen kleinen Bereich rechts vom Startballon bewegen würde. Dennoch wurden die Aufforderungen immer nachgiebiger und das Ansageintervall kürzer … Auch in englischer Sprache wurde den teilnehmenden 26 Nationen das Anliegen nahe gebracht.

Wir sind im Hexenkessel gefangen

Ich entging einer Kontrolle der mitzuführenden wichtigsten Utensilien, stichprobenartig wurde kontrolliert. Genau  47 Minuten vor dem Start befand ich mich im Auffang- und Startbereich der Ultramarathonis. Es wehte hier unten ein noch stärkerer Wind und ich fror wie ein Schneider, Glücklicherweise gab es hier einen riesigen Werbeaufsteller, hinten denen ich mich verstecken konnte.

Plötzlich wurde ich von einer deutschen Starterin (….) angesprochen, die mich im Flieger von Berlin nach Teneriffa gesehen hatte und mich als Starter der Transvulcania vermutete. Wie sieht denn ein ein potentieller Transvulcanero aus? Und noch auf die Nachbarinsel fliegend? Verrückt. Hatte das OEM-Posershirt mich verraten? Die Startnummer wurde als Sprachmemo aufgezeichnet.  Man will ja schließlich wissen, mit wem man gesprochen hatte?

Foto0866

Im Hexenkessel – Läufer über Läufer (oben rechts das Lighthouse)

Jetzt fragt sich sicher der ein oder andere, warum man nicht miteinander redete? Der Wind pfiff wie verrückt und auch die Lautsprecheranlage wurde auf Herz und Nieren geprüft. Es vergingen keine 10 Sekunden, dass die beiden Sprecher in spanischer und englischer Sprache was zu erzählen hatten. UNd das schepperte richtig in den Ohren. Die letzte halbe Stunde sabbelten sie permanent, sowas hab ich noch nicht erlebt. War der eine ruhig, war das für den zweiten das Stichwort. Unglaublich, wie die die Stimmung anheizten. Alle Nationen wurden begrüßt und durften sich outen. So richtig dynamisch wurde es, als die Vertreter der einzelnen kanarischen Inseln zum Handzeichen gebeten wurden. Je lauter, je größer das Teilnehmerfeld. Mittlerweile hatte dann auch die Elite aus den Betten gefunden und traf so langsam am Startbogen ein. Der ein oder andere ließ sich noch aufs Podium zerren. Wer nicht kam, da wurde hingedüst und ein paar letzte Worte wurden gewechselt. 10 Minuten vorm offiziellen Start, eine überdimentional große Uhrentafel zeigte einen Countdown beider offiziellen Startzeiten an, traf auch die Politprominenz ein. Doch anders als in unseren Breiten, verschonte sie uns mit ihren Unwichtigkeiten. Der Inselchefin wurde lediglich eine Tröte für den Start gereicht. Ansonsten stellten sie nur den Platz voll. Wann sollten sie auch noch sprechen. Die beiden Moderatoren hatten jede freie Zeit belegt. Es war ein Spaß sonders gleichen.

Immer noch wurde permanent gelabert. Unglaublich. Immer wieder gab es Kommandos zum Verdichten. Es wurde langsam kuschlig. Von Wind war nichts mehr zu spüren und auch die gespürte Kälte befand sich oberhalb der Dunstglocke.

Ich hingegen hatte immer noch keine wirkliche Meinung zum Lauf gefunden. Ich stand irgendwie neben mir, schwer zu beschreiben. Stattdessen schien der Gedanke mich zu zerfressen, wo ich hier noch mal toilettieren sollte? Unmöglich, wir standen wie die Heringe. Rechts brauste das Meer, links Felsen und 2500 Frühaufsteher standen auf einem Platz nicht halb so groß, wie ein Fußballfeld. Ich etwa in der Mitte des 1650 Läufer starken Ultratrailfeldes. Eine kurze Ansagen von dem nimmermüden  spanischen „Einpeitscher“ und dann passierte es.

Keine fünf Minuten mehr bis zum Start – endlich!

Zu den Klängen des „Thunderstruck“, den die Menge mitwippte und teilweise sang lief meine Läuferhistorie der letzten Wochen im Zeitraffer ab …  Plötzlich nahm ich bewusst war, wo ich hier stand. Es war der Start zur Transvulcania, des 83 Kilomter langen Ultra-Trail-Laufes über die, „unsere“ Insel. Ich war dort, wovon ich vor Jahren nur geträumt hatte. Alles war auf einmal so klar. Ich war bereit dafür, hatte dafür trainiert, konnte das rennen und nicht nur vermutlich schaffen. Der „Thunderstruck“ knallte uns um die Ohren. Immer wieder flogen Hände in die Luft. Ich war unsichtbar berührt von der Situation. Es liefen mir kalten Schauer den Rücken hinunter. Meine Blicke checkten umstehende Personen, hatten die etwas bemerkt? Puh, zum Glück nicht, denn die waren sicher von Anfang an auf Adrenalin. Wir schmunzelten uns an. Ich spürte endlich eine Anspannung, ich hatte dieses Kribbeln im Bauch, diese fast kindliche Erwartung, dass es nun endlich bald losgeht, man zeigen kann, was trainiert wurde.  Das mans kann, das mans will. Das Vorstartfieber, das so wichtig ist, um vernünftig in den Lauf zu kommen … besonders bei solch einem langen Rennen. Eines, was dich den ganzen Tag beschäftigen wird. Nur renn, rutschen, speedwandern, hinfallen und wieder aufstehen. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Unvorstellbar.

Ja, ich wollte es, jetzt, lasst uns loslaufen! Oh … die Zwiebel war noch gar nicht bereit. Sollte ich wirklich die Cut-Off-Zeit benötigen, war Akku-Kapazität ein kostbares Gut. In Rekordzeit war ich messfähig.

Der Countdown … endlich und die letzten 10 Sekunden wurden in spanischer Sprache heruntergezählt. Ich konnte wieder mitreden 😉 Der Moderator  fand innerhalb der Sekunde immer noch zusätzliche, mir unverständliche Worte und dann … endlich … alles rief „Uno“ , die Tröte trötete das offizielle Startsignal und los gings. Uhren wurden gedrückt. Wir bewegten uns im Schritt und sahen die Spitze im Schein hunderter Stirnlampem zum Lighthouse hinaufrennen. Blitzlichtgewitter …. Es war der Wahnsinn. Wir kamen ins Laufen, die Steigung wurde mühelos, dicht an dicht gedrängt, genommem. Die vielen Zuschauer jubelten, fotografierten, schrien, feuerten an, „Venga, venga, vamos, vamos“. Andere, viele Worte, die ich nicht deuten konnte, aber es waren aufmunternde, anfeuernde, mussten es sein. Klatschen, tröten, kreischen. Es war unglaublich. Wir waren doch erst gestartet und hier steppte schon der Bär? Was war hier los? Es war doch „nur“ ein Lauf, zugegeben, ein verrückter Lauf über das Dach einer ganzen Insel.

Hier unsere unmittelbare Vorsartzeit aus Sicht eines Halbmarathonis …. von gaaanz weit hinten:

httpv://youtu.be/Ee-nFbjkV1Q

Die Meute wurde losgelassen

Nach der ersten Steigung folgte eine Runde ums Meeresmuseum und dann hatte ich den weiteren Rennverlauf die Straße hinauf vermutet, um das über 1600 Starter starke Ultramarathonfeld zu entzerren. Nein, wir folgten wirklich dem Wanderweg der GR131. Einer der beiden Masterrouten der Insel. Das bedeutete, auf einem Geröllweg (Labiligestein) zu laufen, auf dem nur 3 Personen nebeneinander Platz finden könnten. Nicht selten nicht einmal diese. Dazu immer ansteigen, und zwar richtig ansteigend.

So ansteigend, dass man den Kopf in den Nacken legt und dann rote Blinklichter sieht, da ganz oben.

Richtig „glatt“ war es  auf dem Geröll.  Jedoch teilten alle das gleiche Schicksal. Natürlich, einige Nimmermüde mussten wieder alleine vorn wegrennen 😉 Die Elite war entschwunden. Zu sehen waren sie allerdings nicht. Deren Lämpchen verschluckte DAS Lichtermeer. Soweit das Auge reichte, nur rote, blinkende und weiße, dauerleuchtende Glühwürmchen. Auch der Blick nach hinten zeigte Lämpchen bis „ins“ Meer hinein.

Foto0869

Stau, aber wir hatten ja noch den ganzen Tag (genau 18 Stunden) Zeit, ins Ziel zu kommen

Kurzen, unerheblichen Laufabschnitten folgte nicht gehen, sondern anstehen. Vergleichbar mit dem Rennsteigsupermarathon auf den ersten Kilometern nur in langsam. Unglaublich. Ich hatte mir den „Virtuellen Partner“ mit meiner Wunschzielzeit versehen. Und er lag erst einmal vorn. Ich machte mich nicht verrückt, sondern nutzte die Gelegenheit, die unmögliche Erwärmung nachzuholen. Die Strecke war vom Trainingsurlaub im letzten Oktober noch bestens vertraut und mir war klar, hier hilft auch kein Laufen neben dem Weg. Zumal verboten, andernfalls in keinem Falle beschleunigend, nur unnötig kräftezehrend. Einige Schlaue versuchten es natürlich trotzdem, traten teilweise sogar Gestein lose. Wieder gab es einige hirnlose, die soo viel kaputt machen können und dabei mehr als Materielles.

Immer wieder gab es laufende Abschnitte. Aufgrund der Streckenkenntnis war klar, dass erst nach passieren des Teneguija an wirkliches, kontinuierliches Laufen zu denken war. Und so kams dann auch. Ich konnte endlich den morgendlichen Erfrischungstrunk in der Vulkanasche verteilen und dann zuckelten wir auch schon los. Die folgenden zwei Kilometer, unterhalb des San Antonio wurde vernünftig gelaufen und erst mal dem „Virtuellen Partner“ ein bissl Boden entzogen. Man hatte der einen Vorsprung.

Foto0870

Aufstieg nach Los Canarios (am Centro de Visitantes)

Mittlerweile überholten uns auch die schnellsten Halbmarathonis, die eine halbe Stunde hinter uns gestartet waren. Ich war wieder gut im Soll, hat das Defizit wieder herausgelaufen, als wir den (gefühlten) senkrechten Aufstieg zum Centro de Visitantes des San Antonie erreichten. Hier gings im Gänsemarsch hinauf. Den schnellen Halbmarathonis wurde die linke Spur, soweit überhaupt vorhanden, freigehalten.

Endlos schlängelte sich der Labilipfad nach oben. Die Dämmerung war vorbei, als wir die ersten Stimmungsherde erreichten. Haben die hier alle nichts zu tun? Der erste erfahrbare Zwischenpunkt, wir erreichten die Asphaltstraße nach Los Canarios mit seinem VP1 am Ende, und es tobte der Bär. Nur eine schmale Gasse blieb zum Durchlaufen. Alle streckten uns ihre Hände entgegen. „Venga, Venga …“. Es lief mir eiskalt den Buckel herunter. Wo sind wir hier? Die können doch nicht alle kennen und schon gar nicht mich? Nein, es war ihr Rennen. Sicher waren viele von den „Chearleadern“ selbst schon mal die Strecke erwandert und wussten, was hier den Berg hochlaufend geleistet wurde. Es war ein Traum. Man traute sich gar nicht zu gehen. Es wurde jede noch so steile Straße hochgetippelt. Als wir die Hauptstraße im Ort querten, der Verpflegungspunkt in Reichweite gab es keine Straßensperrung. Nein. Hier war gar keine Straße mehr. Nur noch Menschen, in mehreren Reihen hintereinander. Und wir waren weiß Gott nicht die Spitze. Diese war bereits seit einer halben Stunde durch die Nacht geeilt. Morgens, kurz nach sieben wurden 2500 (und fühlbar alle) Läufer wie ihre eigenen Angehörigen begrüßt.

Dort war endlich der erste Verpflegungspunkt. Damit waren die ersten 700 Höhenmeter geschafft. Wo er nun genau aufgebaut war, konnte ich gar nicht genau ausmachen. Ich hatte gar kein Wasser verbraucht, schnappte mir dennoch einen Becher des erfrischenden Nass und einen mit Powerrade um ansatzlos, bin ja bekannt für meine Kurzbesuche an Verpflegungspunkten, in den Wald zu verschwinden. Das war sie, die letzte Treppe aus dem Ort hinauf. Mein „Bild“ (Mentalpunkt), natürlich lief ich durch das Spalier hindurch …

Weiter bis zum Ziel oder doch noch nicht?

Foto0874

GR130 kreuz die GR131 (Tage zuvor mit dem MTB begutachtet). Ein wichtiger Mentalpunkt.

Froh, dass an den steilen Stellen niemand stand, konnte endlich wieder oberschenkelschonend gespeedwandert werden. Alle taten so, in der Leistungsklasse, zu der ich heute passte. Und die Füße konnte auch keiner heben und so umgab uns eine Wolke von Staub bis zu den Knien. Wir erreichten die Forststraße zur „Fuente de Los Roques“. Im ersten Teil vollständig asphaltiert und topeben, für meinen heimischen Verhältnisse hügelig, erlaubt sie zügiges laufen. Man erreicht Geschwindigkeiten, die seit dem Start für 90 Minuten nicht mehr gelaufen werden konnten. Lange währte die Lauflaune nicht, dann ging es endgültig auf den Trail zurück.

Die folgenden Kilometer sollten uns die ganze Kraft aus den Beinen ziehen. Die Temperaturen immer noch sehr angenehm und wo der Wind wehte, die aufgehende Sonne blinzelte gerade einmal über den Horizont, sogar ein wenig frisch. Die Ärmlinge leisteten hier gute Dienste und sind in solchen Situationen durch nichts zu ersetzen. Wir rannten endlose Waldwege entlang. Hinauf natürlich und zwar ständig und mit Waldweg hatte nur der Baumbestand etwas zu tun. Feiner Lavastaub sorgt für ständiges wegrutschen. Nicht von ungefähr auch die Krämpfe und Schmerzen der Eliteläufer. Der Vulcan ist schon ein anderer Schnack …

Manch einer, versuchte außerhalb der mit Steinen markierten Hauptfährte sein Glück. Meine Gedanken waren beim Lauf, beim Untergrund, bei der Vorausschau auf die weiteren „Highlights“. Diese ließen nicht lange auf sich warten, der nächste Anstieg stand bevor und das war ein richtig dickes Ding. Wir mussten uns zum finalen Anstieg am Volkan San MArtin rüsten. Dazu gings erst mal extrem,bergan.

Foto0877_cutIch hatte das Teilstück noch gut in Erinnerung, als ich im Oktober letzten Jahres erstmalig hier rauf marschiert bin. Damals im Nieselregen und damit zugewolkt. Heute sah ich die Spitze der Kohlenhalde. Alle schlappten tapfer, die mit Stöcken klar im Vorteil, denn hier rutschte es mächtig (nach hinten 😉 ).

Auf Fotos erscheint die Dimension ja meist abgeschwächt. Hier glaube ich, sieht man den wirklichen Anstieg. Alle schnauften tapfer hinauf und auch als wir kurze Ebene sorgte nicht wirklich für Erholung. BIs zu DeseadaI und Deseada II waren jetzt über 1000 hm (auf 6km) zu überwinden. Mental war ich darauf eingestellt und nicht überrascht, welche Dimension mich da erwarten würde. Erstbegeher würden hier, mir ging es vor 7 Monaten jedenfalls so, erstmals an dem ganzen Unternehmen Inselüberquerung verzweifeln.

Immer wieder könnte mal ein Stück gelaufen werden, bevor wir den nächsten VP erreichen sollten. Hier gabs dann Wasser und ISO, was hier Powerrade heißt. Die Sonne lugte nun über den Horizont und ein Blick zurück verschaffte eine traumhafte Kulisse. Ja, ich genoss da wirklich und erstmals bei einem Lauf knipste ich Bilder „ohne Ende“. Die Zielstellung hies immer noch ankommen und zwar erstmals bis zum Ziel des Halbmarathons. Mehr hatte ich erst einmal nicht im Blick, alles andere würde sich später zeigen. Vielleicht kam ich deshalb so unbeschwert die Berge hoch.

Muskeln und Fasziien versahen klaglos ihren Dienst. Solange ich den Fersensporn bemerkte, und das tat ich, bestand keine Gefahr für die Wade. Auch der mich seit Mittwoch beschäftigende Muskelkater in Oberschenkels Außenseite und der in der Hüfte war wie weggeblasen. Man hört also wirklich die Flöhe husten, vor einem Lauf? Aber eigentlich achtete ich nicht wirklich auf irgend etwas. Ich war einfach mit dem technischen Anspruch der Laufstrecke beschäftigt. Und hatte dennoch einen Blick für die Einzigartigkeit dieser Laufstrecke.

Foto0882_cut

Schlussanstieg zum Vulkan San Martin (1597m hoch)

lll

Blick zurück auf die Nachbarinseln Teneriffa und La Gomera. Weiter rechts (nicht im Bild) war El Hierro (wenig später) zu sehen. Ein Traum!

Hier waren nur noch 60 Laufkilometer zu absolvieren. Ich verschwendete daran aber keinen Gedanken. Prüfte hingegen immer mal meinen virtuellen Partner und wollte mich nicht verrückt machen lassen, die die Abweichung nach unten (ich war zu langsam) zeigte. Mir war die Strecke gut bekannt. Bereits des Öfteren gewandert. Einmal auch schon gelaufen. Da prägt sich einiges ein. Mein nächster Mentalpunkt hieß Deseada II, wo erstmals an den 2000 Meter über NN gekratzt wurde.

Foto0898_mein-mitläufer auf dem blauen teppich

Vulkan San Martin. Die 431 sollte ich wiedersehen, verrückt!

Zunächst aber gings nach dem Mirador San Martin einen endlose Labili-Piste hinauf. An seinem Ende würde es einen steilen Anstieg geben und der Blick war frei, auf die höchsten Punkte der „Vulkanroute“, den Doppelvulkan.

Das es dann doch so „schnell“ ging, hat mich dann doch angenehm überrascht. Dennoch ging wirklich ein Raunen durch das Läuferfeld, als wir den Anstieg von Weitem sahen. Auch ich war wirklich beeindruckt vom realen Anblick. Seit Wochen hing zuhause, über meinem Schreibtisch an der Wand, ein Bild dieses Berges. Jetzt war es soweit. Zuvor wurde noch schnell der Wasserstand aufgesucht. Da ich kaum Getränke verbraucht, denn es war noch kühl, verzichtete ich aufs Nachfüllen der Trinkblase, schnappte mir einen Becher Wasser und weiter gings, hinauf auf die Bergsspitze. Ich konnte zahlreiche Läufer überholen, war so überglücklich, diesen Punkt der Strecke erreicht zu haben, das Adrenalin schoss durch meinen Körper. Ab jetzt wurde es „leicht“. Mein Laufabschnitt des „Grauens“ war wohlbehalten überstanden. Ich war wie in Trance. Schwer beeindruckt und überwältigt, es bis hierher geschafft zu haben und es gab keinen unbekannten Schmerz oder solchen, den ich nicht beherrschen konnte. Tränen kullerten übers Gesicht. Das war ein ganz großer Moment, als ich endlich auf 1900 Metern angekommen war.

Auf zum höchsten Punkt der Cumbre Vieja (Vulkanroute)

Foto0901

Anblick von Süden

Um dem ganzen noch eins drauf zu setzen, stand da oben ein  Helfer und begrüßten jeden (!!!) Läufer mit ein paar Worte in Landessprache, die Anerkennung und Respekt ausdrückten und einem Klaps auf den Hinterkopf. Ich war hin und weg und hier reifte die Entscheidung, es bis zum Muchachos (km 57) zu versuchen. Bisher klappten die Aufstiege ganz gut und das wollte ich weiter versuchen. In meinen Gedanken waren die schwierigen Anstiege jetzt erledigt und das Folgende war in meiner Empfindung „leicht“.

Natürlich folgten weitere 2000 Höhenmeter, aber diese verteilten sich auf 2 km mehr und, was das Entscheidende war, es war kein Geröll mehr, sondern Gestein. All diese raste durch meinen Kopf, als ich „die Kohlehalde“ hinunterrutschte. Die Strecke war mir wirklich gut bekannt. Ich musste nur noch kleine Anstiege hinauf. Ein paar Hüglein, im Vergleich zum Zuvor geleisteten.

Foto0912

Anblick aus dem Norden

Der Abzweiger zum Nambroque (wieder einer meiner Mentalpunkte), wurde passiert und irgendwie ging jetzt im Feld richtig die Post ab. Viele Halbmarathonis ergriffen die Chance und rannte die Bergabpassagen wie angestochen hinunter. Ich hatte ja den Zieleinlauf erst einmal auf den Roque de Los Muchachos verschoben und konnte mich um meinen „Virtuellen Partner“ kümmern. Diese hatte bereits einen beträchtlichen (15 min) Vorsprung herausgelaufen. Diesen konnte er aber auch nicht wesentlich, trotz der Anstiege, vergrößern. Ich allerdings kannte die Strecke und wusste, dass es die nächsten 4 Kilometer viel aufzuholen gab. Die Temperaturen hatten zugenommen, wir bewegten und ganz langsam auf die Mittagszeit zu und nachdem wir den „Pico Birigoyo“ (1807m) umlaufen hatten wurde es Zeit, sich um den Nackenschutz der Mütze zu kümmern. Ein Sonnenbrand war das Letzte, was ich jetzt gebrachen konnte.

Das Läuferfeld mit den gelben Armbändern (Ultramarathonis) hatte sich entschieden, den letzten Anstieg vor VP-3 (Refugio del Pilar) zu speedwandern. Das war mein Stichwort, das Nackenläppchen an die Mütze zu tackern. Danach gings los, der Schlussspurt der „Halben“ auf der Bergabstrecke durch den Wald. Ich hingegen achtete bewusst auf meine Muskulatur. Im Downhill eh etwas langsam musste ich hier keinem was beweisen. So wurde keiner überholt, nur passieren lassen war angesagt und ich kam gesunden Fußes in El-Pilar an.

17-05-2013 04-52-09

„Zieleinlauf“ El-Pilar km 26 (VP-3)

Hier erwartet mich ein wahres Meer der Begeisterung. Ein unbeschreibliches Gefühl, gut 3 Stunden nach Los Canarios (VP-1) durch ein Spalier zu laufen. Ein Jubeln, ein „Hallo“. Unbeschreiblich schön. Ich hatte die letzten Kilometer einen komfortablen Vorsprung herausgelaufen und beschloss, am Verpflegungsstand etwas länger zu verweilen. Doch konnte ich das? Nicht wirklich.

El Pila 1Die Trinkblase wurde wieder nicht aufgefüllt, 3 Viertel Apfelsine ausgesaugt, ein Stück Banane genascht und ein Energieriegel gebunkert. Mit einem Becher Wasser auf dem Kopf und einer Cola in der Hand war ich keine Minute später wieder auf der Strecke. Und es wurde schon wieder gejubelt. Hatte ich mich beim ersten Kontakt mit diesen enthusiastischem Menschen noch gefragt, ob das mir galt, war ich jetzt überzeugt. Keine anderer Läufer war in meiner Nähe und es wurde geklatscht und angefeuert. Ein sehr, sehr schönes Gefühl und wieder musste ich zwei Mal schlucken. Hätte ich hier abgebrochen? In diesem Augenblick undenkbar. Mein Fuß schmerzte zwar, aber es war erträglich. Ich kannte dieses fiese Stechen und konnte mit ihm umgehen, selten sogar ignorieren.

Was nun folgte, war erst einmal Gedanken sammeln und die nächsten 30 km mental vorbereiten. Aber es war wirklich leicht, denn der folgende Streckenabschnitt waren „topfeben“. Knapp 200 Höhenmeter waren auf den 7 Kilometern bis VP-4 am Reventon Pass zu absolvieren. Und ich hatte 7,5 Stunden bis Cut-off, die Zeit, wo man aus dem Rennen genommen wird. Ein sicher ganz schlimmer Augenblick, den ich nicht erleben wollte!

Hinüber zum Calderarand

Foto0920

Blick auf die Cumbre Nuevo – Traumwetter, da muss man kurz anhalten

Die Cumbre Nueva verbindet beide Inselteile miteinander. Hier, wo die spektakuläre Passatwolke zu bewundern ist, gab es heute wolkenfreien Himmel und Sonne satt. Zum Glück spendeten einige Sträucher und Bäume rechtsseitig ein wenig Schatten. Hier wird man gegrillt, denn auch der Wind hält sich in Grenzen.

Immer wieder konnte ich auf einige Läufergruppen auflaufen, welche die leichten Anstiege wanderten. Anfangs lief ich mit einem Pärchen, dem folgten zwei männliche Laufgruppen und am Ende begegnete ich erstmals dem „Salomon Express“, hier noch solo. Mein „Virtueller Partner“ hatte auf diesem, vor 4 Tagen letztmalig belaufenen Teilstück, keine Chance. Minute um Minute nahm ich ihm ab und hatte am VP-4 (Reventon Pass wieder 1416m tief 🙁 ) bereits 38 Minuten Vorsprung herausgelaufen.

Auf dem Wege begegnete uns auch der mehrfache und auch diesjähriger Sieger des Marathon de Sable, Mohamad Ahansal. Er beendete irgendwo das Rennen, musste sich der kurzen Regeneration nach dem Wüstenlauf Tribut zollen. Er war auf dem Rückweg zum Refugio del Pilar. Hach, endlich mal einen der Elite getroffen. Mit einem Lächeln, was er eigentlich irgendwie immer tut, verabschiedeten wir uns von ihm. Die Startummer 1 war also raus.

Nun war klar, den Cut-Off am Muchachos (12 h ab Start also 18 Uhr) werde ich in jedem Fall schaffen können. Muskulär hegte ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Zweifel es nicht schaffen zu können. Aber erst mal da hoch rennen. Mich trennten noch 2000 Höhenmeter vom höchsten Punkt der Insel.

Ich hatte jedoch erst einmal den Süffelstand an der LP-1 erreicht und musste erstmalig die Trinkblase auffüllen. Das ging schneller, als vermutet. Ich begann bereits vor dem Stand mit den Vorbereitungen, das spart kostbare Bewegungszeit. Ein, zwei Becher Wasser und … Ich sah eine große Schüssel mit Eis. Ich stopfte mir je 2 Hände voll unter die Beinlinge, um die Oberschenkel frisch zu machen und …. es verblieb sogar an der Stelle. Ich hatte bereits vor Reventon immer wieder diese Gedanken, was wohl mit der Muskulatur passiert, wenn sie an ihre Grenzen kommt. Den Krämpfen hatte ich mit Salztabletten vorgebeugt. 3 Sticks hatte ich vor dem Start genommen und 3 weitere auf dem Weg hierher. 3 weitere sollten folgen. Die Kühlung der Muskulatur erschien mir eine sinnvolle Maßnahme, die ich fortan an jedem Eisstand zelebrierte. Auch hatte ich auf der „Anreise“ zum Pass mit Kopfschmerzen zu kämpfen, was sicher auf den Wassermangel zurückzuführen war. Diese sollten mich auch noch eine Weile beschäftigen.

Der Aufenthalt kurz, wie immer. Auch die komplettieren des gefüllten Laufrucksacks konnte im Gehen passieren. Mehr als eine Minute brauchte ich auch hier nicht. Nun folgte mein starker Abschnitt, wie ich im Nachhinein anhand des Online-Tracking an den einzelnen Messpunkten sah.

Foto0921

Calderarand. Oft zu erkennen, die hellen Kuppeln der Teleskope nahe des höchsten Punktes des Laufes und der Insel (1426m).

Wir tauchten wieder in bewaldetes Gebiet ein, was dem Austrocknen entgegen wirkte. Auch der Wind wurde vermisst. Auf den wenigen Abschnitten, es ging stetig bergan, wo er wehte, nahm ich ihn um so intensiver wahr. Ich stiefelte recht zügig die Berge hinauf, lief vernünftig auf den eben Abschnitten und machte mir dennoch Sorgen. Mit mir waren sicher erfahrene Transvulcaneros unterwegs und trotzdem überholte nur ich? Ich dachte schon darüber nach, das Tempo der anderen zu wählen?

Der Uphiller

Allerdings fühlte ich mich gut, schnaufte kaum und empfand meine Fortbewegung als rund. Downhill benachteiligte mich meine Plantarfaszitiies, denn Sprünge und Fersenaufsatz waren nicht machbar. Allerdings Uphill war ich gut dabei. Die Stöcke und meine Benutzung dieser empfand ich als perfekt und entlastend. Immer wieder ging es nach Ansage an anderen Mitläufern vorbei. Der Blick zurück offenbarte konstanten Raumgewinn.

Der Pico Ovejas (1832m) wurde passiert (Mentalpunkt), wie auch die Abzweiger nach Santa Cruz und das Roquen-Refugio sollte bald in Sicht kommen. Kein Süffelstand, darauf wurde beim Briefing noch einmal nachdrücklich hingewiesen, allerdings ein großer Medical-Point mit Heli-Landplatz. Für mich ein wichtiger Punkt, denn danach wars fast „geschafft“. Es wurden erstmals die 2000 Höhenmeter erreicht. Nach offizieller Vermessung km 40.

Ich bettelte dort trotzdem vergeblich um Wasser für meinen Kopf. Nachdem die Eisvorräte im Oberschenkel aufgebraucht, ein paar Teile hatte ich zur Abkühlung unter die Mütze geschoben, gabs hier erst mal keinen Nachschub. Bis zum Pico de Las Nieves war es ja nur ein Katzensprung 😉 erst mal 100 Höhenmeter runter klettern, um anschließend recht heftig 200 hm wieder hoch zu flitzen. Hier waren die Downhiller schneller als ich, holte aber alles an der Gegengerade wieder auf. Immer wieder begegneten uns Sanitäter, die auch unabhängig von den Süffel- und Futterpunkten Kontrollpunkte unterhielten. Auch teilweise kleine Oasen der Begeisterung und Anfeuerung.

Meine Kopfschmerzen, ich trank jetzt bewusster, vergingen nach einiger Zeit. Auch ein GEL wechselte ins Körperinnere. Nicht nur dem ständigen Überholen geschuldet, stellte sich nun wirklich eine Freude über das, was ich da tat, ein. Je länger ich unterwegs war, um so euphorischer wurde ich. Ab und an dachte ich an die Lieben Zuhause, die leider nicht mit reisen jetzt aber sicher online mitfieberten. Das es, im Nachhinein nachgelesen, so intensiv war, hat mich schwer beeindruckt. Während des Rennens löste ein Runnershigh den anderen ab. Das war schon etwas richtig Tolles, was ich da heute erleben durfte. Und …. Die Sehnen hielten … bis hierher.

Die 5 Kilometer zum VP5 (Pico de Las Nieves) zogen sich durch die Kletterei doch ein wenig hin. Aber es war auch dort alles Wichtige verfügbar. Die Hitze zehrte langsam an den Reserven. Ich füllte meine Trinkblase, ließ mich mit Wasser übergießen und stopfte wieder Eiswürfel unter die Beinlinge. Es tat richtig gut, diese Abkühlung zu empfinden. Zum Schluss meines halbminütigen Aufenthalts (messbar am „Virtuellen Partner“) überlief ich noch die Minifussmatte für das Online-Tracking und war nun unterwegs zum Pico de La Cruz.

Foto0930

Hier verliert man die letzte Energie (vom Pico de La Cruz gesehen)

Auch vor diesem Streckenabschnitt (47,5 km offiziell waren erreicht) wurde in der Rennbesprechung hingewiesen. Ich kannte das Teilstück natürlich von zahlreichen Wanderungen und meinem letzten Lauf im Oktober 2012. Es sieht wie eine herrliche Laufstrecke aus, ist aber gespickt mit Steine, kleinen Felsen, die zu „Treppen“ verbunden sind und die ganze Aufmerksamkeit erfordern. Hinzu kommt die völlige Baumfreiheit auf den folgenden 15 Kilometern und die kleinen aber stetigen Höhenwechsel. Auch mental ist es nicht ganz ohne, da man die Observatorien stets im Blick hat und ihnen dennoch nie wirklich näher „kommt“. Auf unseren Trekkingtouren hatte ich diese Erfahrung bereits hinter mir gelassen. Ich wusste heute, was passieren würde, zumindest streckentechnisch gesehen. Das half und machte stark.

Hier oben ist besonders mentale Stärke gefragt

Ich fühlte mich eigentlich gut. Na ja, war natürlich im Eimer. Aber nicht völlig erschöpft. Allerdings hatte auch ich meine Phase der Unachtsamkeit und stürzte. Zum Glück gabs keine Nachwehen. Ich war an der „richtigen“ Stelle hingekallt und verletzte mich nicht. Leichter „Kratzer“. Trotzdem wurde ich gleich von Mitläufern nach Problemen befragt. Danke!!! Alles war gut, eine große Familie!!!

17-05-2013 04-50-47Wieder sah ich den „Salomon-Express“, bestehend aus 3 Läufern, die von Miss Salomon (schickes Komplettoutfit) angeführt wurden. In der Ebene waren sie durch die Möglichkeit zu springen, mir immer voraus. Am Berg jedoch lief ich an die Gehenden heran. Als dann mehr Up- als Downhill folgte setzte ich zum erfolgreichen Überholen an, Kilometer später. Der Pico de La Cruz (1km danach VP-6) kam immer näher und auch der Schlussanstieg unterhalb seines Gipfels war keine wirkliche Überraschung. Da sich hier ein Fotopoint befand, wurde natürlich hoch gelaufen 🙂

„Der Schlafplatz“ unserer ersten Überschreitung wurde nicht passiert, ohne ein Foto machen zu lassen. Die Läuferschar war dicht und schnell war ein „Freiwilliger“ ausgemacht, der durfte. Danke noch einmal.

Foto0932Weiter, über eine unbedeutende Kletterei hinunter zum Verpflegungspunkt. Dort wurde ein Pavillon, wie überall, dankbar angenommen. Die Sonne brannte erbarmungslos. Die Trinkblase war schnell gefüllt und ein 3/4 Liter Powerrade, gleich aus der angebotenen großen Flasche, getrunken. Wie ein Schwamm sog der Körper die Flüssigkeit auf. Eis war leider nicht verfügbar. Die Oberschenkel fühlten sich trotz der bereits über 4000 Höhenmeter (bisher noch nie erlebt) ganz gut an. Lediglich der Fuß zickte ein wenig.

Ich hatte mich nun auf ein anstrengendes Stück eingestellt. Nun kann man die Observatorien fast anfassen, muss aber noch über 5 km up und down laufen. Dabei sind ein paar schlimme Kletterstellen dabei, die einem den letzten Nerv rauben können. Dann allerdings hat man den Anstieg geschafft und ich musste eine Entscheidung treffen. Nein, ich hatte sie bereits hier gefasst und sollte sich nichts wirklich Dramatisches ereignen, würde ich die verbleibenden (offiziellen) 26 km ab 2426m versuchen: Mein Abstiegsstrecke des Grauens. Auch im Trainingslager im Oktober bin ich die Strecke nicht gelaufen. Ich hatte einfach Sorge, mich böse zu verletzen.

Foto0933Die zurückgelegte Distanz war von diesem Punkt der Strecke ganz gut einzusehen. Zumindest die Deseadas am Horizont zeigten die bisherige Tagesleistung. Das erfüllte schon ein wenig mit Stolz, es bis hierher geschafft zu haben. Die Eliten bereits seit Stunden im Ziel, kämpfte hier jeder für SEINEN SIEG. Manche vor mir quälten sich wirklich … Auch hier konnte ich wieder jede Menge Läufer einsammeln. Es ging ja hinauf.

Überhaupt, wie ich im Nachhinein sah, hatte sich mein Lauf nach zähem Start doch ganz gut entwickelt. Bis zum höchsten Punkt der Strecke am VP-7 (km 57) war ich stetig am „Einsammeln“. Was ich auch während des Laufens so empfand. Ein Zeichen dafür, dass ich wohl zu weit hinten stand und auch … die Laufmut mich nicht verließ.

zwischenzeiten bis muchochosBis zum nächsten Ziel, das nun keins mehr war, da ich auf Ganze ging, waren noch ein paar Steine zu überklettern. Nachdem man einige Stimmungsnester passiert hat, wird’s wieder einsam um dich herum und das Ziel ist noch soooo weit.

Foto0936

Mirador de los Andenes

Der wolkenfrei Himmel, ein wirkliche Seltenheit, erlaubte Blicke bis an beide Küsten. Da man auf einem Kamm entlang läuft, schaut man zu beiden Seiten bis ans Meer. Hat man mal ein Auge dafür, wirklich etwas Einmaliges. Wir passierten zunächst den letzten großen Mentalpunkt für mich, den „Mirador de los Andenes“.. Immer gern von den Autotouristen besucht, erlaubt es Tiefblicke in die Caldera hinein.

Wir hingegen sockten die vergleibenden Kilometer, an den Observatorien, unter anderem den größten Sonnenteleskopen der Welt, hinüber zum Roque. Seinen Schlussanstieg (80hm auf 200m) wandert selbst die Elite hinauf. Mir wars Wurscht und ich erlebte, auch den zahlreichen Zuschauern verdankend, einen erneuten Runnershigh.

Foto0946

Auf dem höchsten Punkt und auch dem gefühlsmäßigen Höhepunkt.

Hier oben zu stehen war ein wirkliches Highlight für mich und ich genoss das wirklich. Nahm mir hier richtig viel Zeit. Ich sog die Atmosphäre im Verpflegungszelt, das direkt auf dem Wanderweg aufgebaut war, förmlich auf. Ich griff allerdings auch hier nur zu dem bekannten Essen.  Selbst Nudeln konnte man hier futtern. Es war einfach an alles gedacht. Für Verpflegungsstellenplünderer (nett gemeint) eine wahre Oase.

Foto0949Für mich gabs hingegen wieder die bekannten Apfelsinenstücke und eine fette Banane. Hinzu gesellte sich eine Flasche Powerrade, die ich in der vorderen Laufwestentasche verstaute.

Die Stimmung hier oben war schon eine ganz erhebende. Ich hatte die Cut-Offzeit locker unterboten und mich trennten nur noch 26 km (offizielle Vermessung) von meinem großen Traum. Am Ausgang des Zeltes dann ein großer Medical-Point, es gab Wasser für den Kopf und ein Foto einer Läuferin … Danke.

Foto0950

Am höchsten Punkt der Insel. Schweiß in den Augen verdrängt andere Flüssigkeiten 😉

Auf dem Dach der „Welt“

Nach 9:21 Stunden stand ich auf dem höchsten Punkt der Strecke, hatte unvorstellbre 4200 Höhenmeter in den Beinen und schickte mich an, das Ding hier zu finishen. Das wurde schon wieder zweimal geschluckt. Das war das bisher größte und erhebendste in meiner gesamten Laufhistorie. Während viele noch dehnten ??? lief ich los, ja ich trabte in Richtung Ziel und schon wieder dieses tiefe Gefühl der Zufriedenheit mit dem, was man tat.

Die Sonne hatte ihre Maximalkraft erreicht. Es sollen um die 26°C im Schatten, den wir seit 15 Kilometern nicht mehr kannten, gewesen sein. Meine nasse Laufmütze und die mit Wasser bespülten Brillengläser 😉 trotzdem der Hitze. Meine Beine versahen anstandslos ihren Dienst. Bis auf das bekannte Plantarsehnen-Thema war alles irgendwie beherrschbar und es ging im „lockeren“ Trab hinunter.

Foto0945

Die letzten Meter zum VP 7 (Roque de los Muchachos 2426m)

Mein Roadbook, das ich am Tag zuvor 2 Stunden lang erstellt hatte und bisher nicht einmal drauf geguckt hatte, wies nun erhebliche Lücken auf. Ich war diesen Teil der Strecke in Vorbereitung nämlich noch nie gerannt. Auch die letzte Wanderung lag auch bereits 2,5 Jahre zurück. Da die Route aber schon oft begangen, war der prinzipielle Verlauf bekannt. Bis zur Somata Alta geht’s recht moderat auf und ab, um dann nach unten zu knallen. Das spielt sich alles auf einem Singletrail ab, der von Staub und Geröll nur so überhäuft ist. Die Verletzungsgefahr beachtlich.

Trotzdem ich immer trabte, von den Kletterstellen mal abgesehen, macht man gegenüber dem Aufstieg, in meinem momentanen füsslichen Zustand, nicht wirklich Boden gut. Auch aufs fotografieren verzichtete ich jetzt. Ein Sturz in dem Gelände und bei den teils abenteuerlichen Abstiegen könnte fatale Folgen haben.

Das Läuferfeld bewegte sich sehr homogen. Keine Überholer und kaum Überholte. Jeder hatte mit dem Weg zu tun und war sicherlich froh, hier unbeschadet herunter zu kommen. Mein nächster Mentalpunkt war der Abzweiger nach Jedey. Dieser kam irgendwo im Wald und nach endlos erscheinendem Gekletter und Gesteige, denn Springen wäre verheerend für mich gewesen, erreichten wir plötzlich diesen Punkt. Und sogar ein Schlid, dass die Restentfernung nach Puerto de Tazacorte (VP-9 km 77) verriet. Ich war überwältigt und froh zuggleich, dass es nur noch 14 Kilometer sein sollten. Also 9 bis El Puerto und dann noch mal 5 nach Los Llanos. Hmm. Ich rannte sogar noch mal zurück, da ich dachte, mich verlesen zu haben.

Ich schaute mal wieder auf meine Zweituhr, die ich am Laufrucksack befestigt hatte und die mir die aktuelle Laufzeit anzeigte. (Der Forerunner diente nur für die Anzeige des „Virtuellen Partners“). Knapp 11 Stunden standen da drauf, das konnte doch gar nicht sein. Wenn dann alles gut lief, würde ich ja unter 14 Stunden im Ziel sein, das muss eine falsche Beschilderung sein, so meine Gedanken.

Ich folgte dem weiteren Weg, erreichte irgendwann die Forststraße nach El-Time, durchlief den kleinen Garten, wo es im Sommer die leckeren Pflaumen am Wegesrand gibt und war dann tatsächlich nach 11 Stunden und 10 Minuten am vorletzten Verpflegungsstand. Schon wieder eine Überraschung und schon wieder schoss das Adrenalin durch den Körper. Meine Füße hatten allerdings auf den knapp 1,5 Höhen-Kilometern echt gelitten. Auch die Oberschenkel waren spürbar, aber es gab ja Eiswürfel. Endlich wieder.

Auch viele meiner Laufkollegen kühlten sich die Muskulatur. Ich hingegen vertraute auf das Stopfprinzip und positionierte jeweils 2 Handvoll unter jedem Beinling. Huh, das tat richtig gut. Zwei drei Würfel noch unter die Laufmütze … Das war eine wirkliche Erfrischung.

Am Verpflegungspunkt wurde wieder Wasser gebunkert, eine leere gegen ein gefüllte Powerrade-Flasche getauscht und das Apfelsinen-Bananen-Cocktail verdrück. Auf Riegel oder Gele hatte ich überhaupt keinen Hunger. Die Früchte mussten es bringen. Ein Cola noch für den Weg und ab gings nach dem üblichen Kurzbesuch zum letzten großen und befürchteten Abstieg über diese sch…. Karrenwege (grobe Steine auf steilem, unebenem Abstieg) zum „Mirador de Time“ hinunter. Hier kann ich ohne Stöcke gar nicht laufen. Zumindest hatte ich es bisher einmal wandernd probiert und bin bald verzweifelt. Nur noch 1200 Höhenmeter hinunter, dann war es vollbracht.

Laufen Tranvulcania 2013 11.05.2013, Höhe

Der Abstieg ist das Schlimmste

Leider funktionierte die Kühlung downhill nicht so optimal, wie in anderer Richtung. Immer wieder verrutschten die Eiswürfel, um schließlich „hinter mir“ zu enden ;-). Mein Stockeinsatz jedenfalls war noch recht koordiniert und auch die Unterstützung für die Füße spürbar. Trotzdem nervte es immer mehr, je länger ich auf diesem Meisterwerk der Straßenbaukunst unterwegs war. Ich wusste auch nicht mehr, wieviele dieser extremen Wege, unterbrochen durch kleine, mehr oder weniger erholsame Passagen, ich hinuntertippeln musste. Nicht unerwähnt bleiben soll eine Familie, die den Läufern Wasser aus handelsüblichen Wasserflaschen auf den Kopf gossen. Unglaublich. Von dem Jubeln und Klatschen mal abgesehen.

Kurz vorm Ende gabs dann doch den lange zurückgehaltenen lautstarken Fluch, der mir die Aufmerksamkeit des nahen Läufer bescherte. „No Problem“, meine Antwort auf die wahrscheinliche, aber nicht verstandene Frage. Dann war es endlich geschafft. Die Trockenmauer, die mich zum Schwein (mein Mentalpunkt) bringen sollte, war erreicht.

Hier lag vor Jahren mal ein riesiges schwarzes Hausschwein, auf das wir fast draufgetreten wären.

Am Ende der Mauer dann ein nett gemeinter Wasserschlauch, der Erfrischung und … nasse Füße brachte. Fehler sind zum Begehen da und das tat ich. Bereits nach wenigen Metern bemerkte ich das ungewohnte Fußgefühl. Zu der geschwächten Fußmuskulatur kann nun noch Feuchtigkeit. Die perfekte Mischung, sich auf den letzten Kilometern ein nicht angenehmes aber dafür unvergessliches Lauferlebnis zu bescheren.

Der finale Abstieg

Der letzte Abstieg zum Mirador ist ein ganz leckerer. Betonstraße im 45° Steigungswinkel. Unter jubelndem Beifall der zahlreichen Autofahrer, die infolge der Straßensperrung ihre Autos verlassen hatten und die Transvulcaneros anfeuerten, begaben wir uns auf den finalen Abstieg zur Playa de Tazacorte. Hier werden auf 2 Kilometer noch einmal 560 hm zurückgelegt. Unter idealen Bedingungen bin ich das Ding bereits in einer Stunde nach Los Lanos gerannt. Aber diese Bedingungen gab es heute nicht. Meine Füße brannten, die Oberschenkel gesellten sich dazu und die Sonne brannte erbarmungslos auf den Asphalt. Nun gabs noch mal richtig einen auf die Mütze.

Ich quälte mich, und nicht nur ich, im wahrsten Sinne des Wortes zur Playa hinunter. Die Fußsohlen glühte, ich hatte das Gefühl, sie ist eine einzige Blase und darauf lief ich nun bergab herum. Aber es war nicht mehr weit.? Am Mirador de Time betrug die Laufzeit exakt 12 Stunden. Es war der Knaller.

Zu der idealen Ankunftszeit nach „Virtuellen Partner“ würde es nicht kommen. Kein Ankommen innerhalb Cut-Off, keine 14:20 Stunden des Planes A, nein. Ich würde unter 14 Stunden rein kommen. Wenn alles gut lief vielleicht um die 13:30 Stunden. Es war der Wahnsinn. Die Emotionen schlugen Purzelbaum. Doch immer wieder lenkten mich die brennenden Füße von diesem Gedanken ab.

250 Höhenmeter vor der Playa, ein Funkmast wird passiert und signalisiert die Halbzeit des finalen Abstiegs, wurde noch einmal rumgejubelt und angefeuert. Ich konnte sogar lachen und bedankte mich freundlich. Also ich würde ja hier in dieser Gluthitze nicht so lange ausharren? Stimmt, es war auch wirklich glühend heiß jetzt. Der nächste Erfrischungsstand bereits hörbar. Direkt unter mir lag VP-9 und ich musste nun in Serpentinen wieder einen mit großen Steinen bedeckten Pfad hinunterlaufen. Die Laufstöcke hatte ich, ich weiß nicht mehr warum, bereits zusammenschoben und benutzte sie nicht, um die Muskulatur zu unterstützen. Ein dummer Fehler. Ich war irgendwie nicht klar. Mir fiel dies zwar auf, ich machte aber auch keine Anstalten, den Umstand zu ändern. Es wäre sicher leichter gewesen?

Immer wieder dachte ich darüber nach, die Schuhe auszuziehen und die wahrscheinlichen Blasen zu „COMPEED“en. Man hatte ja alles dabei. Zu groß aber die Angst darüber, was ich dann sah. Also wurde weitergelaufen, ich werde es schon aushalten sagte ich immer und immer wieder. Es würde sich weglaufen, ich würde es ignorieren können … die paar Schritte noch … die Manipulation wurde ausgepackt … und funktionierte.

17-05-2013 04-52-45

Playa de Tazacorte – kurz vor VP-9

Auch der nervigste und scheinbar endloseste Abstieg geht einmal zu Ende. Man weiß es und plötzlich ists dann passiert, als wäre es nichts. Und wenn man dann noch durch soviele Menschen in Empfang genommen wird, die mich da in Playa de Tazacorte erwarteten, ist der Schmerz mit einem Mal weg. Alles war gut, als ich auf der Uferpromenade ankam und durch die vielen klatschenden und jubelnden Menschen zum Verpflegungszelt laufen durfte. Danke …. das hat wirklich geholfen.

Erstmalig wurde mein Trinkrucksak sogar fremd aufgefüllt. Man kannte sich aus, mit Salomons S-LAB. Fühlbar 500 dieser Rücksäcke hatte auch ich hier gesehen. Ich wählte wieder das Übliche. Setzte mich sogar eien Augenblick, den Moment der Trinkwestenbefüllung abwartend, um dann mit einem Becker Cola bestückt die letzten 5 km in Angriff zu nehmen.

Noch ganze 5 Kilometer trennten mich vom Ziel. Von dem Punkt, den ich heute früh nicht laufend erreichen wollte. Nicht daran glaubte, ihn je laufend erreichen zu können. 1,5 km Asphaltstraße, 2 km Anstieg und 1,5 km Radweg. Dann hatte ich es geschafft. Und es wird mit jedem Schritt weniger. Der Blick nach vorn … ich konnte die lange Straße nicht sehen. Die Mütze wurde ins Gesicht gezogen. Leider war ich nach dem Verpflegungszelt und der Sonne, die ja hier unter immer zuhause ist, keine Kraft zu laufen. Schon der Ansatz verpuffte. Als wurden die Stöcke ausgeklappt, die ich eh für den Anstieg braucht und unterstützten die Arme für die schnelle Gehbewegung. Nach endlose erscheinenden Schritten auf schwarzem, dampfenden, windlosen Asphalt kam endlich DIE Brücke über die Angustiaschlucht.

Ich wäre bald dran vorbei gerannt, so tief hatte ich die Mütze ins Gesicht gezogen. Ich joggte über die Brücke, sogar die ersten Meter in der Bananaenplatane um anschließend die verbleibenden 300hm hinauf zu steigen. Ich war wiederin meinem Element. Ich konnte uphill und das schaffte dann auch gleich. Ich machte noch mal ein paar Plätze gut, bevor ich „meinen“ finalen Radweg erreichte.

Zuvor wurde noch einmal ein Gartenschlauch „gereicht“, der den Füßen den Rest gab. Aber auch Erfrischung für den glühenden Kopf. Man war das heiß jetzt. Dennoch wollte ich den blauen Teppich komplett durchlaufen. Dieses Bild hatte ich seit meiner Ankunft auf der Insel vor 10 Tagen immer vor Augen. Mensch, die Palmeros hatten die blaue Farbe in den letzten 2 Tagen tatsächlich bis zum Ende aufgetragen. Keine Grund also, weiter zu speedwandern. Aber ich war ohnehin bereits seit Ende des Anstieges am Traben und das sollte so weiter gehen.

Viele Zuschauer kamen nun zum Jubeln an die Absperrungen. Am Anfang wenige, mit Zunahme der Straßenkaffeedichte wurden es immer mehr. Nicht wenige riefen Deinen Namen. Nein, nicht weil er auf der Startnummer stand. Sie standen mit der Startnummernliste in der Hand und suchten dem passenden Namen dazu.

Ich hingegen lief auf einen Läufer auf, mit dem ich unbekannter Weise bereits am San Martin (km14) unterwegs war. Startnummer 431 war es, mit dem ich nun gemeinsam die letzten 1000m durch Los Llanos lief. Er schnaufte mächtig, ich sicher auch, aber war immer am Laufen. Ich nahm etwas raus und er schloss sich mir an. So liefen wir nebeneinander hinauf zum Placa de Espana.

Kurz vor dem vorletzten Schwenk sollte ich vorlaufen. Er war also auch ein Alleinzieleinläufer. Nein, sagte ich, er solle der primäry sein und erst auf mein Drängen lief er zügig vor. Bedankte sich. Gern doch! Dort war er dann, der letzte Schwenk und es ging rauf, rauf auf den roten Teppich. Ich musste erst mal gehen und die fühlbar tausend Hände abklatschen, die mir da entgegengestreckt wurden. Ich konnte es gar nicht fassen. Das war die Kröhnung.

Ungefähr 200m lief ich über diesen menschengesäumten roten Teppich. Hatte meine erste Transvulcania nach all diesen ungünstigen Vorzeichen gefinischt. Ich lief wieder, riss mir die Mütze vom Kopf, strecke die Arme in die Höhe und sah dann auch die Laufuhr. Die Zeit war mir jetzt irgendwie überhaupt nicht wichtig. Ich war im Ziel, ich hatte meinen ersten Ultra-Trail-Marathon absolviert. War über 8,5 km hoch und runter gerannt.

Ich lief über und überglücklich ins Ziel, wurde noch mit Namen und Land begrüßt und stand wie gelähmt hinter der Ziellinie. Schließlich musste ich mich setzte, es übermannte mich einfach. Gleich ein freundlicher Helfer, der sich mach meinem Wohlbefinden erkundigte.

Nein. ich bin ok, im ready. Danke, Gracias. Ich war überwältig und richtig, richtig stolz auf mich, nach 13:23 Stunden über die ganze Insel (offizielle) 83,3 km gelaufen zu sein.

Ein läuferischer Traum hatte sich erfüllt. Um 19:23 Uhr Ortzeit war ich ein Transvulcanero

17-05-2013 04-54-22

wenige Meter vor dem Ziel

Von den über 1600 gestarteten Ultramarathonis haben es schließlich 982 ins Ziel geschafft. Ich war einer von ihnen.

Finischer Trackingsport

Ergebnisliste: Ergebnisliste Details Transvulcania 2013

13 Kommentare:

  1. Ein unglaublicher Lauf gekrönt mit einem wirklich gelungenen Artikel. Er ist lang, aber das war der Lauf ja auch. Auf alle Fälle bringt er schön Emotionen rüber und man bekommt ein bisschen Fernweh. Sollte ich es in weiter Zukunft auch mal vorziehen lange zu laufen, dann sicher auch auf dieser wunderschönen Insel. Einfach nur traumhaft.
    Ich bin stolz auf dich. Jetzt weiß ich auch, wo deine Tochter den eisernen Willen her hat ;-).
    Nochmals herzlichen Glückwunsch. Wahnsinn.

    Liebe Grüße aus Jena

    LaFlitzer

    • Danke, für die Glückwünsche. Stehe gern als Guide auf der Insel zur Verfügung. Ein paar Wege kennt man schon nach dem 10. längeren Urlaub auf der Isla.

  2. Bernfried Otte

    Ich hab Gänsehaut beim lesen gehabt. Da La Palma meine 2. Heimat ist kenn ich natürlich auch die Strecke. Ich bin alle Wege schon gegangen – gewandert. Ich bin vor einigen Jahren mit wandern angefangen, über biken zum laufen gekommen und hab meinen 1 Marathon im März auf La Palma (nur für mich, den 1. offiziellen im Sept in Berlin) fertig gelaufen. Es waren in meinem Leben immer kleine Anstöße wieder eine Stufe weiter zugehen. Dieser Bericht hat mich so gefangen genommen, daß ich überlege nächstes Jahr mitzulaufen. Vielleicht sieht man sich mal auf La Palma – bin im November wieder da. Danke für den tollen Bericht und die tollen Bilder!!!

    Viele liebe Grüße und ein „buen camino“

    Bernfried Otte

    • Na das ist doch die richtige Konsequenz. Wenn man die Insel liebt, so wie wir auch, muss man einfach mal mitgelaufen sein. Am Besten natürlich die lange Distanz, wobei man klein anfangen sollte. Man sieht sich im kommenden Jahr vielleicht am Faro. Meine Anmeldung ist bereits passiert. Nun möchte ich das ganze Mal in einer besseren Zeit verletzungsfrei laufen. SUB 12 sollte locker drin sein, wenn man eine optimale Vorbereitung betreiben kann und verletzungsfrei bleibt.

  3. Vielen Dank für den ausführlichen Bericht! Wir waren zufällig in Puerto Tazacorte im Urlaub und haben den ganzen Tag zugeschaut – und gestaunt. Da wir in den vielen Ferientagen auf La Palma diese Strecke stückweise kennen gelernt haben, wissen wir die unglaubliche Leistung hoch ein zu schätzen. Wir fragten uns, wie denn so einem Läufer zu Mute sein muss – jetzt wissen wir es, nochmals herzlichen Dank und Gratulation!

    • Gern. Als wir erstmals die „Ruta de la Crestería“ gewandert sind (2003), haben wir 2 Tage gebraucht. Das letzte Mal haben wir es in 13:13 Stunden geschafft, zu wandern. Also gemeint ist der Weg von Centro de Visitantes in El PAso über den Reventon Pass nach Puerto de Tazacorte (ca die Hälfte der Transvulcania). Nun konnte ich die ganze GR 131+GR130 bis Los Llanos in gut 13 Stunden erklimmen. Das beeindruckt mich selber immer noch … Aber ein so tiefes Gefühl der inneren Zufriedenheit hat man nicht oft. Wünsche Euch noch viele, viele schöne Erkundungen auf der Isla Bonita. Und nicht vergessen. Im kommenden Jahr ist die Transvulcania 1 Tag zeitiger und die vielen Zuschauer an der „Mentalpunkten“ sind AUCH wenn nicht überhaupt TRANSVULCANIA.

  4. Koch Brigitte

    Wir haben mit Begeisterung diese Marathon verfolgt und waren unter anderm beim Zieleinlauf.Es war so ergreifend, dass uns die Tränen kamen.Alle Achtung vor diesen Leistungen.Wir begnügen uns allerdings trotzdem mit dem Wandern,da wir schon im „Greisenalter“ sind .Allerdings in früheren Zeiten auch sportlich unterwegs. Mein Mann im Rallyeauto und ich als Leichtathletin.
    Also nochmals:Tolle Leistung!

    • Kann ich vollkommen verstehen, mit diesen Tränen. Ging mir unterwegs mehrfach so … Dann habt ihr sozusagen die sportliche Lebensaufgabe bereits erfüllt. Durch meinen späten Einstieg darf ich noch eine ganze Weile, wenn die Gesundheit es erlaubt. Wandern ist, beonders auf der Isla Bonita, nicht weniger anspruchsvoll … weiterhin alles Gute und noch viel schön, neue Entdeckungen auf der Insel.

  5. Bernd Kaiser

    Glückwunsch zu dem spannenden Artikel, und noch mehr zu der tollen Leistung. Für uns, etwas älter, war es schon eine emotionale Erfahrung, den vielen Läufern zujubeln zu können, zuerst in Los Llanos, und dann im stimmungsvollen Puerto de Tazacorte.

    • Danke, lieber Bernd. Wir, die Transvulcaneros wünschen uns natürlich ein sehr emotionales und jubelndes Publikum. Man glaubt nicht, was das für Flügel verleiht. Als ich vom Mirador de Time herunter kam, waren meine Beine und Füße im scheinbar unbenutzbaren Zustand. Der zuschauergesäumte Weg zum „Futterhäuschen“ reichte aus, wieder fit zu sein 🙂

  6. Pingback:Einer fehlt noch zum Quartett – Transvulcania 2018 –   Trailrunning nicht nur im Norden

  7. Pingback:Ende gut, alles gut? The final countdown zur 10. Transvulcania –   Trailrunning nicht nur im Norden

  8. Pingback:(via @instagram) 2019 … 10 Tage #lapalma 2020 … eine Linksammlung meiner 11 Starts auf der Isla Bonita –   Trailrunning nicht nur im Norden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert