Meine Insel, mein Rennen, meine Transvulcania 2014

Bereits im vergangenen Jahr war ich bereit für die Transvulcania. Der Ultratrail auf der wunderschönen Insel La Palma. Mitten im Atlantik. Während es im vergangenen Jahr so gar nicht gut aussah mit meiner Teilnahme und es eher darum ging, überhaupt zu finishen, war die Erwartungshaltung in diesem Jahr natürlich umso größer.

Ein paar Rückschläge gab es im Vorfeld natürlich auch. Irgendwas ist ja immer und so verletzte ich mich im Januar auf der schönen Insel Usedom am rechten Fuß. Vorsichtiges Training und erst nach über 3 Monaten könnte ich den Fuß wieder voll belasten und mich beim Downhill auch auf ihn verlassen.

Im letzten Monat vor der Transvulcania plagte mich dann ein böser Husten und eine „leichte“ Erkältung. Ursächlich kam es vom letzten „Höhentest“ beim Kyffhäuser-Berglauf. Dieser verlief nahezu perfekt. Nur der Körper verträgt offenbar das Klima rund um Bad Frankenhausen nicht. Bereits im letzten Jahr das gleiche Dilemma.

Der letzte große Test, die 14-Achttausender im Osterzgebirge, fielen bald noch der Erkältung zum Opfer. Ich ignorierte die ganzen Anzeichen. Was blieb mir auch anderes übrig. Die Messwerte waren in Ordnung. Ich konnte auf solche Nichtigkeiten keine Rücksicht nehmen.

So ging es dann endlich am 30. April in Richtung Atlantik. Die Anreise wie immer beschwerlich, die Woche vor dem Rennen konnte ich noch optimal trainieren. Auch mein erster Berglauf, die Vertikal Kilometer verliefen … ich habe ja berichtet.

Zeitiges Aufstehen ist zur Transvulcania erste Bürgerpflicht

Die Nacht vor dem Rennen kommt man, wie auch, nur schlecht in den Schlaf und hat man es dann einmal geschafft, ist die Nacht zu Ende. Meine wurde nach nur 2 ½ Stunden um 2:00 Uhr für beeendet erklärt. Die Laufsachen lagen bereit. Alles musste nur noch vom Boden verschwinden und alles war mit und nichts vergessen.

IMG_20140511_093002-1Zusätzlich gab es noch eine handgeschriebene Checkliste. So früh am Morgen vergisst man gern mal das ein oder andere. Nach 6-7 Stunden im Rennen fällt einem dann alles wieder ein. Das muss nicht sein, also baute ich vor.

Kurz nach halb drei verließ ich im Renn-Outfit das Hotelzimmer, fasste an der Rezeption das georderte Lunch-Paket und schlenderte gemütlich zum Abfahrtspunkt der Busse in Richtung Faro de Fuencaliente. Natürlich nicht, ohne zuvor noch einmal den Zielbogen berührt zu haben. Jeder hat so seine Rituale. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich dies tat. Immer noch war mir unklar, wie ich mich an die 13 Stunden, so der Plan über die komplette Insel bewegen sollte. Die Vorstellung, vorher, ist immer eine unglaubliche Dimension. Ist mal erst mal im Rennen, denke ich an die verstrichene oder noch zu laufende Zeit eigentlich nie.

Ich erwischte einen guten Platz im Bus. Die Stadt spukte überall Trailrunner aus. Unglaublich, morgens kurz vor drei. Bereits 4 Busse standen am Busbahnhof und füllten sich in Windeseile.

Dann ging es auch schon los, auf die lange Reise an den südlichsten Zipfel der Insel. Recht „schnell“ war Los Canarios erreicht, nun nur noch 10 km Serpentinen hinunter zum Faro. Doch erst mal passierte gar nichts. Wildes Kopfkino spielte sich ab, als eine Vielzahl von Bussen nicht mehr weiter konnte. Irgendetwas blockierte die Straße hinunter zum Lighthouse am Faro. Minuten vergingen.

Was war los. Alle waren hellwach und im Bus herrschte eine plötzliche Ruhe. Alles lauerte gespannt. Wir fuhren wieder, aber wohin. Wir hatten mittlerweile gewendet. Immer noch Totenstille im Bus. Doch nicht allen war klar, wohin die Reise ging. Erst, als das Schild „Faro 5km“ im Scheinwerferlicht auftauchte, wurde wieder geredet. Wir waren die Alternativstrecke über Los Quemadas gefahren. Erleichterung, Partystimmung im Bus. Nun war auch dem letzten klar, das alles gut würde. Das war mal ein Schreck in der Morgenstunde.

Ankunft am Faro – wie immer wehte es dir den letzten Schlaf aus den Gliedern

Mit nur wenig „Verspätung“ erreichten wir kurz nach vier den Startort. Das bekannte Bild. Unzählige Busse, tausende Läufer strömten aus diesen und suchten vor dem Sturm am Faro Schutz hinter jeder Ecke zu suchen. Ich kannte das vom letzten Jahr. Hatte mich für eine Sachenabgabe entschieden, die ich im letzten Jahr, als Greenhorn, nicht für notwendig erachtete. Und ich hatte ja einen Hoody eingepackt, gegen die Kälte.

Wo war er denn hin. In zwei Beuteln galt es zu wühlen. Das schützende Kleidungsstück  blieb verschollen. Lag trocken und sicher im Hotel. Und ist der Plan auch gut gelungen …. Irgendwas passiert eben doch. Also Armlinge an und am LKW., der die Wechselsachen nach Los Llanos bringen sollte, Schutz gesucht. Man musste zwar hier die ganze Zeit stehen, aber es waren ja nur noch 90 Minuten bis zum Start. 😉 Das muss man schon aushalten, als Transvulcanero.

Die Zeit verging durch nichts tun. Unglaublich, wie es dann völlig unerwartet um 5 Uhr ward und die Startaufstellung „geöffnet“ wird. Rechts am Startbogen vorbei werden die Transponder gechecked. Ein einziges Gepiepse. Ob meiner ging, man kann es nicht ermitteln. Zwischen Halbmarathonies und Ultras geht es in die Startaufstellung. Ich mogelte mich vorher unter einem Absperrband durch. Jede Position zählt. 😉 Man glaubt es zumindest.

Countdown läuft

Countdown läuft

Ich stand in diesem Jahr nur 5 m hinter der Startlinie. Eine recht gute Position, denn nach den ersten 500 Metern wird es verdammt eng und dann hilft nur warten, bis man dran ist. Das glaubte ich in diesem Jahr besser machen zu können. Die Rennuhr, die nun die Zeit bis zum Start anzeigte, war in diesem Jahr an die Felswand links neben uns projeziert. Man war also im Bilde. Seine eigene Uhr hatte man ja noch nicht eingeschaltet. Es gilt Akku zu sparen. Wenn man dann mal das Einschalten nicht verpasst.

Das Vorstartritual war mir aus dem Vorjahr bekannt. Ein paar Nervensägen gab es auch in der Startaufstellung und auch ein paar … ich muss mich jetzt aber schonen Typen, die sich eben setzen müssen. Unglaublich. Beine lang, Stöcke ausgebreitet. Man stelle sich vor 2000 Ultras würden am Boden sitzen … Ich sag weiter nichts.

Tapfer harrten wir aus. Der Blick zur Uhr häufte sich. 30 Minuten vor dem Start tauchte dann auch der Einpeitscher auf und wars vorbei mit der Ruhe. Jetzt wurden alle richtig heiß gemacht. Musik wurde gespielt. Die einzelnen Nationen und Kanarischen Inseln wurden „abgefragt“ und mehr oder weniger intensiv gab es Antworten.

Endlich der „Thunderstruck“. Ich wusste, es würde nun langsam losgehen. Die letzten Minuten, Sekunden flogen nur so dahin. Zehn Sekunden vorm Start wurde spanisch heruntergezählt. Tausend Gedanken rasten durch den Kopf. Alles perfekt … alles bereits …. Oh … Zwiebel noch aus. Schnell noch die Uhr eingeschaltet. Zum Glück kannte sie den Faro und hatte schon mal die hier bekannten Satelliten gespeichert. Es ging los. Es wurde gedrängelt, es wurde ge-Ellenbogen-d. Was war denn heute los. Von hinten rannten Läufer an uns vorbei. Es herrschte Krieg am ersten Anstieg. Hier wurde um jeden Fußbreit Laufstrecke gefightet. Unglaublich. Ihr Verrückten. Kurz hinter der Startlinie konnte ich dann auch endlich den Forerunner starten. Alle Satelliten waren mir wohl gesonnen. Ich war bereit. Der MP3 Player war aus, die Kopfhörer im Ohr. Es brauchte keine Musik. AC/DC beschallte den Hexenkessel am Faro de Fuencaliente.

Startlinie am Faro de Fuencaliente

Startlinie am Faro de Fuencaliente

Recht schnell hatten wir den Leuchtturm und das Lighthouse umrundet und es ging hinauf ins Geröll.

Teilstrecke 1 – Vom Faro de Fuencaliente zum VP1 in Los Canarios

Die erste Engstelle wurde erreicht und das wilde Klettern und steigen rund um den Weg begann. Mir wars Wurscht. Ich wartete tapfer, bis ich dran war. Es ging wesentlich schneller, als im vergangenen Jahr, so mein Gefühl. Die ersten 3 Kilometer ist an durchlaufen eh nicht zu denken. Zum einen sind da die engen Wege, die es manchmal nur einzeln erlauben, zu passieren. Zum anderen steigt es teilweise höllisch an und zum dritte dieses unglaubliche Gerutsche auf der Labili, dem grob zermalenen Vulkangestein.

Es war anfangs recht voll. Viele suchten sich einen Weg außerhalb der regulären Strecke. Ob sich dieser zusätzliche Energieverlust am Ende auszahlt? Sehr zweifelhaft.

Es war anfangs recht voll. Viele suchten sich einen Weg außerhalb der regulären Strecke. Ob sich dieser zusätzliche Energieverlust am Ende auszahlt? Sehr zweifelhaft.

Ich fügte mich tapfer in die Schlange. Wenn wir laufen konnten, liefen wir. Wenn es zu steil wurde, gingen wir und wenn es zu überholen gab, überholte ich. Jede Gelegenheit zum Laufen wurde genutzt und bereits vor dem Teneguia, km 3 wird hier erreicht, kamen wir ins zügige, durchgängige Laufen. Am Anstieg zum ersten, roten Vulcan wurde wieder gewalkt. Für mich die Gelegenheit, ein bissl zu tippelt. Viele Drängler wurden wieder eingesammelt.

Blick zum Faro

Blick zum Faro

Wir liefen hinüber zum nächsten, großen Vulkan im Süden, dem San Antonio. An seinem Fuße waren dann auch die letzten Walker wieder am laufen. Hier wehte ein kühler Wind, der das Laufen angenehm machte. Weniger angenehm der aufgewühlte Kohlendreck, der mich das ein oder andere Mal hüsteln ließ. (Beim nächsten Mal – Bufftuch vor die Atemorgane!)

Ich hatte in diesem Jahr keinen Trinkrucksack dabei. Hatte mich mit einem Trinkgürtel versorgt, der 2 ½ Liter Flask-Bottles aufnehmen konnte und diverse Kleinigkeiten. Zu diesen zählten 1 Paar Ersatzsocken, 6 Tuben-Gele und 2 im Wasser zu lösende Päckchen. Hinzu kamen Blasenpflaster, elastische Binde und mein Smartphone. Zusätzlich hatte ich noch meine Vorstartgetränkeflasche in der Hand, die ich bei der nächsten Gelegenheit und wenn entleert, entsorgen wollte.

Ich fühlte mich richtig gut, nach den ersten Kilometern. Nichts tat wirklich weh. Mein virtueller Partner lag weit hinter mir und ich hatte das Gefühl, das es heute ein richtig guter Tag wird. Alle Trailrunner um mich herum waren irgendwie in meiner Leistungsklasse. Es überholte kaum jemand und auch ich war kaum am Überholen. So muss ein Rennen beginnen!

Irgendwann, bevor man sso richtig auf den Geschmack kommt war Schluss mit dem leichten Bergauflaufen und der nächsten Kohlenhaufen war zu erklimmen. Es ging im Steilaufstieg zum San Antonio hinauf. Im letzten Jahr überholten uns hier die ersten Halbmarathonis (starten 30 min nach den Ultras!!!). Hunderte Lämpchen tanzten den Berg hinauf. Es gab kein vertun. Im letzten Jahr noch mit Stöcken unterwegs, hatte ich in diesem Jahr die Hände frei. Es war sehr angenehm. Lediglich manch unkoordiniert mit seinen „Stäbchen“ fuchtelnder musste beachtet werden. Tief gebeugt gings das Geröll hinauf.

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Da kommt er angerannt. Hoch motiviert gings zum Vulcan San Antonio hinauf

Da kommt er angerannt. Hoch motiviert gings zum Vulcan San Antonio hinauf

Die Morgendämmerung hatte eingesetzt, als wir den Asphalt zum VP1, an der Kirche in Los Canarios, entgegenliefen. Und hier endlich überholten und die ersten Halbmarathonis. Woher ich das wusste, denn deren Geschwindigkeit war hier nicht sooo viel schneller als die unsere.

Es waren die beiden Dematteis-Brüder, die dann passierten. Die beider Erstplatzierten bei den „Vertikal-Kilometers“. Ja, man kennt sich J

Am VP1, den wir nach passieren des Menschenspaliers passierten hatte ich meine Flasche „Powerrade“ immer noch in der Hand. Frisch aufgefüllt empfand ich es gar nicht so störend. Mal sehen, wie lange. Ich war also gut bestückt, was die Getränke betraf. Einen halben Liter in der Hand und einen Liter um den Bauch. Man braucht so viel die ersten Stunden nicht. Erst am Grill wird es richtig heavy.

Etappe 2 – Auf zu den Deseadas

Wir liefen nun schon fast bei Tageslicht. Die Lampen waren ausgeschaltet. Der folgende Abschnitt, es ging durch lichten Kiefernwald, konnte recht gut belaufen werden. Unsere „Gruppe“, die sich nicht wirklich bildete, lief recht homogen. Ab und an mal ein „passado“, wenn ein Halber an uns vorbei musste. Auch die ersten Frauen passierten die, die noch den Tag vor sich hatten.

Die Laufstrecke war jetzt bestens bekannt. Das beruhigte ungemein. War ich sie doch in der Vorbereitungswoche noch einmal abgelaufen. Meine Schlüsselstelle des Rennens. Und ich war sie recht schnell und schmerzfrei abgelaufen. Das beflügelte. Immer wieder wurde auch an schier unlaufbaren Stellen getippelt. Es passte und es wurde eingesammelt. Immer wieder ein paar Läufer, die auch nicht zurück überholten. Das brauchts in der Anfangsphase solch eines langen Tages.

Ein kurzer Stop diente dem endgültigen verpacken der Stirnlampe. Ich würde sie nicht mehr brauchen. Etwas mühseelig. Erst mal alle GELs raus ausder Bauchtasche. Lämpchen in die Schatulle und alles wieder einpacken. Während des Laufens eher eine Jonglerie.

Irgendwann kam der San Martin in Sicht. Mein Virtueller Partner war immer noch im Hintertreffen.

Ich hatte eine Zielpace langsamer als die angestrebte eingestellt. Auch ein Roadbook gab es in diesem Jahr nicht. Das vom vergangenen Jahr war dabei und ich musste einfach im Rennen sehen, wie es sich entwickelte. Auf alle Fälle gab es, noch wie im letzten Jahr, keine Schonung auf dem Weg nach El Pilar, km 23,xx wird hier erreicht. Immer, wenn es ging wurde getippelt. Das Gerutsche nahm ich überraschend gelassen. Der Anstieg zum San Martin zeiht sich ewig. Man hat dann nach 12 Kilometern die ersten 1400 Höhenmeter geschafft.

Die Sonne ging auf

Die Sonne ging auf

In diesem Jahr hatte ich die Strecke gut in Erinnerung. Wieder wurde getrabt. Stellenweise wurde richtig pace gemacht, denn ein oder zwei „ebene“ Abschnitte gab es auch. Immer noch der geröllige Untergrund. Aber man konnte mal die Muskulatur lockern.

Der letzte nervige Anstieg, hier rutscht man in fast knöcheltiefem Labili herum, war genommen und es ging downhill zum VP2 hinunter. Schnell wurde die Handflasche  nachgetankt und es ging fast ohne Pause weiter.

Die Deseada 2 war zu erklimmen. Ein wirklich steiler Anstieg, dessen Gipfel man in Serpentinen erreicht. Oben angekommen gab es in diesem Jahr keinen Genickschlag. Der „Schläger“ war offensichtlich noch nicht im Einsatz. Stattdessen überholte ich noch vor dem Ende des Anstieges die „letzten Magnete“, um freie Bahn für den Downhill zu haben. Darauf, worauf ich die ganze Zeit hingefiebert hatte.

Es war so eine Freude, diese fast 500 m lange Downhillstrecke vor mir, fast menschleer, zu sehen. Keine groben Steine stören hier den Laufspaß. Es war unglaublich. Anfangs noch vorsichtig, wurde ich immer überschwenglicher. Es war ein einziger Flow. Die gespeichte Geschwindigkeit dieses 500 m Abschnitts 4:35 min/km sagt alles. Sicher total unvernünftig, ich weiß. Aber es war sowas von befreiend, nach diesen ersten Querelen, die mich fast 2,5 Stunden Zeit kosteten.

Wir liefen hinüber zum San Joan. Ein paar wenige Hügelein, man hatte sich sich an das tippeln gewöhnt, wurden genommen, bevor es „in wilder Jagd“ nach El Pilar hinunter ging. Ich empfand die pace als wirklich schnell und das war sie auch. Trotzdem konnte ich niemanden überholen.

Hier schoss ich fast über die Steilkurven hinaus. Downhill nach El Pilar

Hier schoss ich fast über die Steilkurven hinaus. Downhill nach El Pilar

Die ganze „Perlenkette“ rannte im 5:15 min/km-Tempo durch den Wald, sprang über Felsen, rutschte und fing sich wieder. Es war eine einzige Freude. Auch als wir den Fuß des Birigoyo erreichten, wo im letzten Jahr gewandert wurde, ging es tippelnd den Anstieg hinauf. Es war unglaublich. Eine Gruppendynamik ohne Gleichen. Man hatte gar keine Gelegenheit, ans Kräfte sparen zu denken.

Der letzte Kilometer zum Ziel des Halbmarathons und unserem ersten Essenstand führt durch dichten Kiefernwald. Hier sind die Wege sowas von … geil zu belaufen. Man merkt die ersten knapp 2300 Höhenmeter gar nicht mehr, die man sich bereits in die Höhe geschraubt hat. Und in dem heutigen Feld liefen alle so verrückt. Die letzten Kurven vor dem Menschenspalier schoss ich bald über die Serpentinen hinaus, solche pace wurde gelaufen. Man war das geil. Und ich fühlte mich immer noch. Megacool. Hatte mir die Strecke zum Reventon Pass hinüber, als Abbaustrecke für das Laktat auserkoren. Also warum jetzt „vernünftig“ sein.

Das erste Drittel ist geschafft

In El Pilar angekommen, sieht man dann erstmals, wie es um die Laufzeit steht. Sicher hat man auch eine Laufuhr um den Arm. Doch ich habe es mir bei den ganz langen Dingern zur Gewohnheit gemacht, nur mit dem virtuellen Partner zu laufen. Außerdem sehe ich alle 500m meine Zeit, die ich für den letzten Abschnitt benötigt habe. Die Gesamtzeit spielt eine wirklich untergeordnete Rolle. Lediglich der virtuelle Partner sollte stets hinter mir liegen und das lag er und zwar so was von komfortabel. Man war der langsam 😉

Was liegt denn da. Schnell aufheben und zurück geben. Ein Winkelement, das auch Musik machen kann.

Was liegt denn da. Schnell aufheben und zurück geben. Ein Winkelement, das auch Musik machen kann.

Die letzten 5 km ab San Joan waren richtig schnell. Waldboden, kaum technisch anspruchsvoller Trail. Da wird schon mal eine 4:55 –er Zeit gespeichert. Sonst unvorstellbar. Nur hier kann man das laufen. Also ich konnte das.

Ich sah die Halbmarathon-Uhr auf 3:25 Stunden stehend. Das war verdammt gut und irgend soetwas hatte man sich unterwegs schon mal hingewünscht. Unter 4h hatte ich gehofft. Und es war unter 4 Stunden. An die 30 Minuten war ich schneller unterwegs, als im vergangenen Jahr. Alles passte.

Hier nun gab es erstmals auch was zu essen. Ich wählte, wie auch im letzten Jahr, Melone und Orangen. Auch das erste Stück Banane wurde vernascht. Ansonsten verließ ich mich ganz auf meine GELs. Diese nahm ich in diesem Jahr auch kontinuierlich alle 10 km. Zum Ende zu wollte ich die Einnahmezeit verkürzen. Je nach Zustand. Ich füllte meine Handflasche wieder auf, trank ein wenig ISO und kühlte den Kopf mit 2 Bechern Wasser.

VP2 nach 23,xx km - Refugio El Pilar

VP2 nach 23,xx km – Refugio El Pilar

An die zwei Minuten dauerte die ganze Sache, was ja für mich eine Ewigkeit ist und ich konnte wieder auf die Strecke gehen. Einen Becker ISO hatte ich noch in der Hand, als ich den Luxus-Fressstand verließ. Nun folgt der ebenste Teil der ganzen Strecke. Ich glaube man legt wohl auf den nachfolgenden 7 Kilometern nur an die +180 hm zurück. Recht moderat also, wie es stetig auf und ab hügelt.

Und die „Gruppe“ war wieder recht homogen unterwegs. Immer wurde gelaufen und es wurde recht zügig gelaufen. Zwischen 5:10 min/km bis 7 min/km war alles dabei. So wirklicher Laktatabbau wurde hier nicht betrieben. Stellenweise schien die Sonne dann schon recht heftig, sodass die Wasser- und Aquarius-Vorräte gut gefüllt sein sollten. Ich hatte auf diesem kurzen Teilstück, das uns zum Reventon Pass und damit zu VP 4 brachte, einen halben Liter Aqiuarius gebraucht. Irre.

Mein Paradestück – hinauf zum Roquen-Refugio – Heli-Port

Im Vergleich zum übrigen Streckenverlauf ist man ja in Null Komma nix am Pass. Hier wird sicher von der Elite richtig pace gemacht. Technischer Anspruch gleich Null … Rennsteiglauf-Untergrund.

Am Reventon Pass kann man dann seine Getränkevorräte auffülen und es geht nun bis zum Roque de Los Muchachos, mit 2426 Metern dem höchsten Punkt der Strecke, stetig hinauf. Am Süffelstand stopfte ich mir wieder ein paar Eiswürfel auf die Oberschenkel und legte 2 weitere unter die Laufmütze. Ein sehr, sehr angenehmes Gefühl, wenn auch die obergeschenkelten nicht lange hielten. Alles alle Fälle war ich wieder tief gekühlt. Da es nun richtig warm wurde eine gute Sache.

Forstweg nach dem Reventon Pass

Forstweg nach dem Reventon Pass

Anfangs folgt man einer Pista forrestal, bevor es wieder ans Klettern geht. Die Piste kann man teilweise laufen. Technisch machbar. Und dann gings endlich wieder ans Steigen.

Zunächst muss bis zum Pico Ovejas auf über 1800 m hinaufgekraxelt werden. Ich konnte gut Tempo machen. Immer wieder besteht ja die Gefahr, dass man dem Gruppentrott erliegt und somit, meist unbemerkt, Zeit ohne Ende liegen lässt.

Heli im Einsatz ... es gab den ein oder anderen Rettungsflug zu absolvieren.

Heli im Einsatz … es gab den ein oder anderen Rettungsflug zu absolvieren.

Ich ergriff erst mal die Gelegenheit beim Schoppe und machte Plätze gut. In der Ebene waren wir dann alee wieder gleichmäßig unterwegs. Die Zeit verging, wie im Fluge. Durch das anspruchsvolle Terrain, wo man immer hellwach sein muss, vergeht die Zeit, wie im Fluge. Fast unbemerkt passierten wir den Ovejas. Erste Läufer saßen am Wegesrand und hatten offenbar die eigene, auch äußere Kühlung vergessen. Die Mittagsstunde rückte näher und die Sonne lief zur Hochform auf. Da wir uns immer noch im geschützten Wald, es wurde immer lichter, war die Hitze nicht so spürbar. Auch ein leichter Wind wog in trügerischer Sicherheit. Trinken und Eigenkühlung unabdingbar.

Am „Farbenberg“ konnte man wieder gepflegt rennen. Recht schnell kam der Heli-Port in Sicht. Hier, am Roquen-Refugio (Refugio des la Puntas de Los Roques) war kein Süffelstand. Lediglich eine Med-Versorgung. Gleichzeitig wird hier die Hälfte der Strecke erreicht und entgegen meiner Gewohnheit schaute ich auf die Uhr, um die Zwischenzeit zu sehen.

Ich glaubte es kaum, was ich da sah. Ich war noch nicht einmal 6 Stunden unterwegs. Unfassbar. Wilde Rechenszenarien setzten ein. Mein Uphill hier rauf schafft immer ganz gut. Aber die Zeit bis hierher ist trügerisch. War war frisch und jetzt kommt die Hitze und wie die 2500 hm (auf 17 km) im Downhill laufen, weiß keiner. Trotzdem wagte ich eine vorsichtige Prognose. Wenn alles hält und ich jetzt gut durchkomme, sollte es locker unter 13 Stunden werden. Irgendwas um die 8:30 Stunden musste ich am Muchachos sein, dann hätte ich genug Reserve. Genial. Mein viruteller Partner war bereits über 1 Stunde hinter mir. Alles sah gut aus. Damit war dann aber auch genug der Rechnerei. Ich ging wieder zur Tagesordnung über. Ich lief bis zum nächsten Mentalpunkt bei km 41. Dort würde ich lecker trinken.

Steilanstiege ohne Ende

Steilanstiege ohne Ende

Mittlerweile konnte ich dieses ISO gar nicht mehr sehen. Alles klebte in mir. Aber es schien zu helfen. Bereist das 3. GEL hatte ich vernascht. Muskulär war alles erträglich. Und der Kopf war frei!

Nun galt es bis zum Pico de La Nieves rüber zu laufen. Ich hatte auf meiner Startnummer die wichtigen Wegpunkte notiert. Es muss um die 40,xx km sein. So stand es auf meinem „Roadbook“.

Das war nicht weit und die Strecke auch recht sonnengeschützt. Dennoch gab es immer wieder den einen oder anderen, der pausieren musste. Es wurde hart. Meine Fragen, ob alles ok sei, wurden stets positiv quittiert. Unterwegs gab es auch ausgesprochen viele zusätzliche medical point. Ich schätze alle 2 km einer dieser kleinen Posten mit Sanitätern und Tragen.

Nach dem Pico begann der „Grill“, wie ich ihn nenne. Dann ist man auf über 2100 Metern und läuft nur noch in der Sonne und das bis zum km 55. Hier stirbt man, wenn man nicht auf sich acht gibt. Das Problem ist, das man die Dehydration ja erst später merkt. Und so sollte es einigen ergehen. Der VP5 am Pico de La Nieves wurde erreicht. Ein Hinweisschild verwies auf den nächsten Fressstand, der sich in 3,5 km Entfernung befinden sollte.

Es wurde heiß, sehr heiß als der Wind verschwand.

Es wurde heiß, sehr heiß als der Wind verschwand.

Oh, das war sehr daneben, erkannte der Ortskundige sofort. In der Rennphase sollte man sich nicht um über 2 km vertun. Ich füllte die Getränkevorräte auf. Trank nur Wasser, um endlich das Geklebe im Mund loszuwerden und genoss eine „endlose“ Dusche. Hier gab es nicht nur das immer gern genommende Übergießen mit eisgekühlten Wasser. Hier war ein alter Gärtner mit einer Duschbrause im Gange. Ich wollte gar nicht mehr „drunter vor“. (Man duscht ja vorgebeugt nur Kopf und Schultern)

Der „Grill“ – Über den Calderakamm mit Tiefblicken auf die Nordküste

Kurz nach dem Verpflegungspunkt wird der schützende Wald verlassen. Man kann hier recht „vernünftig“ laufen. Muss aber das hüpfen und springen mögen und auch aushalten J Der Weg sieht sehr gut aus, ist aber mit mehr oder weniger viel Geröll und kleinen Felsstufen übersäht. Immer wieder glaubt man, dass der Weg jetzt besser wird und dann geht’s wieder felsig weiter. Hier bin ich im vergangenen Jahr gestürzt. Der Gedanke daran, ließ mich hell wach sein. An kritischen Stellen wurde lieber geklettert, als gesprungen. Einmal hängenbleiben reicht aus und das Rennen kann vorbei sein.

In weiter Ferne sieht man bereits die Observatorien, die unmittelbar vor dem Erreichen des höchsten Streckenpunktes passiert werden. Trotzdem muss man sich damit anfreunden, bis dahin noch gut 10 km zu brauchen und es wird gerade auf den letzten 5 richtig schwer. Sowohl technisch, als auch klimatisch, denn nach dem Pico de La Cruz bleibt der scheinbar kühlende Wind aus.

Das Feld bewegte sich nun homogen. Kaum ein Überholen. Man würde auch kaum überholt. Immer wieder bildeten sich zeitlich befristete Laufgrüppchen. Ich war meist Uphill etwas schneller, was sich aber in der Ebene wieder neutralisierte. Jeder fand hier sein Tempo und lief dies kontinuierlich durch. Nach der Hälfte des „Grills“ wird der Pico de La Cruz erreicht. Zu seinem „Gipfel“ gibt’s dann noch mal eine leckere Kletterstelle. Ein leichtes Stöhnen, auch bei mir, ist da dann schon mal zu hören.

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Dafür sieht man nach seinem passieren bereits den Fressstand zu seinen Füßen. Ich nahm wohl Banane und Melone. Füllte auch meine Bestände an ISO auf. Ja, ich hatte meine temporäre Handflsche seit dem Faro immer noch dabei. Es war unfassbar. Sie störte mich aber auch nicht wirklich. Schmiegte sich perfekt in die Hand. Ein gelegentlicher Handwechsel sorgte fur Action 😉

Das Kühlwasser, was meinen Kopf erreichte, erschien mir am VP 6 besonders kalt. Es durchzuckte mich richtig. Sicher aber ein Anzeichen für die starke Hitze, die uns jetzt erreichte. Mein Aufenthalt wieder nur von kurzer Dauer. Hinsetzen gab es nicht. Hier noch nicht.

Die Entfernung zum nächsten VP auf dem Roque de Los Muchachos nun eine überschaubare. Mein Virtueller Partner verlor immer mehr Boden. Die Gesamtzeit interessierte mich hier nicht. Überhaupt nicht. Ich kannte den kommenden Streckenabschnitt und wusste. Das wird noch mal richtig schwer. Das Gekletter am Mirador, die Teufelsmauer hinauf und dann zu den Observatorien hoch, wo der Weg dann schier auf 2426 m hinauf führt.

Und es wurde richtig schwer. Wir krochen förmlich die sehr anspruchsvollen Abschnitte hinauf. Die Sonne brannte nun gnadenlos auf uns. Der kühlende Wind war verschwunden, da wir nun nicht mehr auf dem Calderakamm unterwegs waren. Immer wieder gab es kleine Stimmungsherde, die Beifall spendeten. Aber es half nicht wirklich. Hier hatte kaum noch einer ein aufmunterndes Lächeln.

Hier war sie, die Hitzehölle

Hier war sie, die Hitzehölle

Alle wollten nur noch diesen fuck Muchachos erreichen. Kilometer 50, hieß die magische Zahl. Danach wird es einfach. Immer wieder redete ich mir das ein und es klappte. In Slowmotion kletterte unsere temporäre Gruppe zum letzten Observatorium auf. Jetzt konnte wir das Fresszelt endlich sehen. Der Weg dahin nach wie vor beschwerlich und macht musste höllisch aufpassen, nicht zu stürzen.

Sind wir nicht endlich oben. Das erste große Leiden bis zum Muchachos

Sind wir nicht endlich oben. Das erste große Leiden bis zum Muchachos

Noch 120 hm zu diesem Fresszelt. Man war ich im Eimer. Unglaublich. 200 m vor dem „Ziel“ reichte ein Helfer noch einmal ISO. Ich nahm dankend an. Da das Zelt. Kurz vorm Ziel fiel alles von mir ab, die ganze Anspannung. Ich dachte, ich komme hier nie hoch. Die umstehenden Zuschauer animierte ich mit wedelnden Armen.

Wir müssen alle sehr leidend ausgesehen haben, dass hier keiner klatschte. Nach meinem Animationsversucht schon. Ach das ist doch so wichtig, hier oben. Mensch Leute … Das Fresszelt auf dem Muchachos ist das Paradies. Hier gibt’s alles. Sogar Nudel kannste hier essen.

Nur noch zum Torre – dann noch noch eine easy VERTIKAL-Strecke

Ich graste schnell meine gewohnten Speisen zusammen. Aß hier sogar ein paar Gummibärchen. Viel mehr interessierte mich die Zeit. Im Nachhinein betrachtet schon witzig, wie ich diese ermittelte. Ich versuchte auf der Armbanduhr einer Helferin die Uhrzeit zu entziffern. Ich wollte einfach nicht auf meine Uhr sehen. Da ich dieses hyper-moderne Uhrenteil einfach nicht (mehr) entschlüsseln konnte, hab ich dann doch bei mir geguckt. Hammer … 1 Stunde schneller als beim letzten Run auf den Gipfel. Irgendetwas um die 8:26 Stunden. sah ich da, als ich nach gewohnt kurzer Zeit das Zelt verlies. Ich hatte meine Aquarius gefüllte Flasche gegen eine blaue „Gatorade“ getauscht. Vorm Zelt dann das übliche Duschen auf Kopf und Schultern.

Nur nicht die Füße nass machen, liebe Freunde. Das war meine einzige Sorge. Über 2 km Downhill mit nassen Füßen. Das würde keiner aushalten.

Nun ging er los, der Endspurt. So die Vorstellung. Immer wieder versuchte ich zu ermitteln, wie lange ich im letzten Jahr gebraucht. Waren es 3,5 oder vier Stunden bis hinunter. Ich bekam oder wollte es nicht zusammen bekommen. Es war schon verrückt. Im Nachhinein betrachtet, so einfach. Mir kam die Strecke in jedem Falle endlos vor, die wir über Geröll und loses Gestein laufen und springen durften. Und sie war es wohl auch. Völlig ohne Schatten bahnten wir uns den Weg hinunter. Dabei konnte man nicht wirklich Zeit gewinnen, so imDownhill. Zu anspruchsvoll die Strecke. Alle Energie, die noch verblieben, musste auf einen unfallfreien Lauf aufgewendet werden.

Die größten Observatorien der Welt stehen hier! Hier gibts sogar ein Gesetz, das die Lichtverschmutzung regelt.

Die größten Observatorien der Welt stehen hier! Hier gibts sogar ein Gesetz, das die Lichtverschmutzung regelt.

Ich war froh über jede 500 m Runde, die mir mein Forerunner anzeigte. Mein Getränkevorrat in der Hand ging schnell zur Neige. Ich musste es mir besser einteilen. So würde ich die 11 km bis zum Torre del Time nie erreichen. Diese Sonne leistete nun ganze Arbeit. Immer wieder saßen Trailrunner am Wegesrand. 3 allein wurden von laufenden medizinischem Personal versorgt. Mehrere andere suchten einfach nur Ruhe im Schatten. Es wehte aber auch kein Lüftchen hier.

Langsam sorgte auch ich mich. Ich öffnete eine Flask aus meinem Gürtel, die ich seit dem Start am Faro nicht angerührt und übergoss meine Mütze. Die Strecke war wirklich weit, die es hier in der prallen Hitze zwischen zwei Verpflegungspunkten zu überbrücken gab.

Mein nächster Mentalpunkt war der abzweigende Wanderweg nach Jedey. Und er wollte und wollte nicht kommen. Ein Druckschmerz im rechten Fuß machte ein hüpfen und springen, hinunter zum nächsten, dem vorletzten VP, fast unmöglich. Ich musste stoppen, mir den Schuh ausziehen, nachsehen, was los war.

Ich setzte mich an ein schattiges Plätzchen, öffnete die Verschnürung am Schuh und riss mir diesen mit einem leisen fluchen vom Fuß. Ich hatte ein paar Ersatzsocken im Gurt. Aber ich traute mich nicht. Noch geschätzte 15 km und ich vermutete Schlimmes, hatte ich den Strumpf erst einmal in der Hand.

Also zog ich alles noch mal gerade, dehnte die Fußsohle, schlüpfte wieder in der Schuh und weiter ging es. Es fühölte sich nun anders, irgendwie besser an. Vielleicht nur eine dieser Überempfindlichkeiten, die man manchmal so empfindet. Weiter ging es und es ging ganz gut. Stets musste der schnellere Lauf unterbrochen werden. Es musste geklettert oder vorsichtig gerutscht werden. Dieses Teilstück bedarf mit Sicherheit eines speziellen Trainings.

Immer schön auf dem Kamm entlang, bis zum Torre del Time

Immer schön auf dem Kamm entlang, bis zum Torre del Time

Hatte ich anfangs noch gehofft, die angegebene Entfernung würde zu weit sein, wurde ich beim Erreichen des Abzweigers nach Jedey, wir liefen mittlerweile im leicht Schatten spendenden Kiefernwald, eines besseren belehrt. Noch 2 km bis zum Torre del Time. Ja, es waren 11 Kilometer, die wir im ersten Abschnitt Downhill zu bewältigen hatten.

Von weitem schon sah ich den Feuerwachturm. Es war nicht mehr weit und dennoch zog es sich scheinbar endlos an mehreren Weinfeldern entlang. Endlich, die Fahrstraße wurde erreicht. Vor 2 Tagen war ich das lettzte Mal hier gewesen. Nur noch ein paar Biegungen. Die Wasservorräte waren aufgebraucht. Ein Mitläufer entleehrte auch sein Flaschen und gab mir noch einen Rest, um meinen Kopf zu kühlen.

Da war er endlich. Der langersehnte Getränkestand. Ich musste mich hinsetzen. Warf meine Handflasche zu Boden. Ich trank ausgiebig. Immer wieder musste ich mich hinsetzen. Man war ich im Eimer. Die Zeit war mir völlig egal. Es ging hier noch ums durchkommen.

An den Erfrischungsbehältern tauchte ich meinen ganzen Kopf unter Wasser. War das eine Wohltat. Handflaschen gab es hier keine. Also wühlte ich in einem der schwarzen Säcke nach einer Flasche. Ich ließ sie mit ISO füllen und weiter gings.

Langer Weg zum Ziel – nur noch ein einziger Kampf

Diese Strecke kannte ich. Ich war sie in den letzten Tagen mehrere Male in beide Richtungen gegangen. Es kam wieder Lauffreude auf. Hier konnte man richtig gut laufen, wenn mans denn konnte.

Ich erinnerte mich an viele Trainingsläufe wo es genau darum ging. Läufe im Elbi, den Großen Winterberg hinunter, wo es genug zu tippeln gab. Mein letztes Training in der Caldera, wo ich nur so über die großen Steine „flog“. All das kam mir in den Sinn, als ich den ein oder anderen, teilweise fluchend, im Downhill überlaufen konnte. Ich hatte auch muskulär überhaupt keine Not.

Ich kannte den Streckenverlauf genau. Nach 2 Kilometern ab Torre gab es ein kleines Wasserbecken. Hier hatte ich bereits beim ersten Vertikal-Training getrunken. Meine Mütze war mittlerweile trocken. Die Hitze wurde unerträglich. Trotzdem konnte ich problemlos über die Steine laufen. Meine verfluchte Strecke, noch im letzten Jahr war ich hier richtig angep…, machte mir Freude.

Irgendwann musste die Wasserstelle kommen. Mein Gatorade leerte sich wieder schneller, als mir lieb sein konnte. Ich musste besser haushalten, mit den Resourchen. ½ Liter Wasser hatte ich in Reserve. Dies musste die letzte Reserve bleiben. Am erhofften „Brunnen“ dann ein außerplanmäßiger Übergießer. Mit Eimer stand er bereit. Wie lange mochte er hier schon ausharren. Unglaublich völlig spontan. Nein, das war kein Ogffizieller. Das waren die Palmeros, die Transvulcania lebten.

Man nutzte meinen Winschatten aus ;-) Ein Mitläufer seit den Observatorien. Unglaublich. Immer wieder verloren wir uns und fanden "zueinander"

Man nutzte meinen Winschatten aus 😉 Ein Mitläufer seit den Observatorien. Unglaublich. Immer wieder verloren wir uns und fanden „zueinander“

Endlich war der letzte Downhill zu Ende. Jetzt war der Mirador del Time nicht mehr weit. Von dort nur noch 2,5 km bis zum letzten Süffelstand in El Puerto. An der langen Mauer bis zum Funkmast war dann die Kraft verbraucht. Laufen ging kaum noch. Immer wieder musste es unterbrochen werden.

Bevor wir die Stelle erreichten wieder ein inoffizieller Wasserstand. Palmeros hatten einen Wasserschlauch zur Erfrischung in der Hand und fragten nach den Körperteilen, die sie erfrischen sollten. Gegenüber ein langes Partyzelt mit Trinkbechern. Es war der Wahnsinn. Und immer wieder diese Anfeuerungsrufe und Respektsbekundungen. Danke!!!

Ich hatte kein Gefühl mehr, wie lange ich seit dem Torre unterwegs war. Irgendwann kam ich wieder ins kontrollierte laufen. Komischerweise wieder downhill. Wenn es schwierig, technisch anspruchsvoll wurde. Ich fand zurück in einen geordnetes Laufen.

Hinüber zum Mirador del Time

Hinüber zum Mirador del Time

Steil ging es zum Mirador del Time hinunter. Die Straße war abgesperrt. Viele Gäste waren aus den Autos gestiegen, applaudierten, feuerten an. Mir tat das ungeheuer gut. Ich winkte allen, bedankte mich. Was man so tun kann. Streckte den Daumen nach oben. Ihr seid einfach das geilste Publikum, was man sich wünschen kann. Und wer war ich? Teilnehmer, nicht Elite.

Die Zuschauer wussten auch genau, wer ein Marathoni (gelbe Nummern) und wer ein Ultramarathoni war. Ich war wieder guter Dinge, als ich den Asphalt zum Playa einbog. Noch 2,6 km und dann noch mal 5 bis Los llanos. Das war nicht mehr weit. Ich hatte die Strecken trainiert. Es würde alles gut werden.

Im vergangenen Jahr erlebte ich hier im Downhill mein Deja Vue. Heute bereitete mir der steile Weg keine Mühe. Sicher musste ich das ein oder andere Mal diagonal laufen. Aber ich rannte und ich rannte „richtig schnell“.

Als wir die Straße verließen, um am Rande einer der endlosen Bananenplantagen den nächsten Asphaltierten Abschnitt zu erreichen plötzlich allgemeines innehalten. Wir bewegten uns im Dreiteam die Straße hinunter. Eine Levada mit frischem Wasser wurde entdeckt. Schnell war der Kopf wieder erfrischt, die Laufmütze klebte wieder am Kopf. Unglaublich, wie wir nach Wasser gierten.

Am Ende der langen Fahrstraße, wir bogen auf den finalen Abstieg, „The Wall“ hinunter gab es auch wieder Zuschauer. Man konnte den Zielsprecher (Ziel des Marathon, sehr klug gewählt, denn so hatte jeder sein Publikum) 300 Meter unter uns schon hören. In endlosen Serpentinen läuft man nun dierekt zum Strand hinunter. Man kann das Ziel sehen und kommt ihm nicht näher. Immer wieder wird die Steilwand gequert. Ich weiß nicht mal mehr ob es sonnig oder schattig war. Ich wollte nur schnell ankommen und ich lief die Strecke komplett hinunter.

die letzten Meter bis zur Playa - 2500 hm im Downhill auf nur 17 km. Die Beine brannten

die letzten Meter bis zur Playa – 2500 hm im Downhill auf nur 17 km. Die Beine brannten

Dort, wo es im letzten Jahr richtig schwer war, fühlte ich Erleichterung beim Laufen, Schmerzen beim Gehen. Also lief, tippelte ich. Endlich, ich bog in die lange Uferpromenade ein. Zuschauer ohne Ende. Klatschen und Sypathiebekundungen, wie man es nicht beschreiben kann. Das war er, der Zielbogen. Dort durch und dann musste es irgendwo einen Kübel geben.

Mein Name wurde gerufen. Meine Name wurde als Ultramarathoni gerufen. Da machst Du dich grade, das zeigst du keine Schwäche. Endlich, das Verpflegungszelt. Ich aß ein paar Melonen, suchte einen Kübel, der meinen Kopf verkraften musste. Man war das noch heiß hier. Ich setzte die Brille wieder auf, tauchte meine Mütze noch einmal ins eiskalte Wasser. Meine Handflasche wurde aufgefüllt und ohne zu trinken ging es weiter.

Nur noch 5 Kilometer. Dafür in der prallen Sonne

Nur noch 5 Kilometer. Dafür in der prallen Sonne

Ich schaffte es sogar noch auf meine Uhr zu sehen und war hin und weg. Beim Verlassen des Süffelstandes zeigte sie eine Laufzeit von 11:07 Stunden an. Wildes rechnen setzte ein. Ja ich konnte es in einer Stunde schaffen. Kurz über zwölf Stunden. Die letzten 5 Kilometer hatten es in sich. 12:05 oder 12:10 Stunden. Eine Traumzeit. Ich musste nur noch ankommen und mein Zustand war mehr als schlecht. Ich kann es gar nicht beschreiben, woran es lag. Ich war einfach völlig ausgelaugt. Der Kopf war völlig leer. Ich hatte alle Motivation verloren. Nur noch ankommen … im Ziel sein … nicht mehr in dieser Hitze sein zu müssen

Der Kilian Killer wurde zum Kersten Killer

Das Auslassen der Getränkeversorgung fiel mir erst viel später auf. Zu spät, um zurück zu laufen. Stattdessen mussten wir an den Strand hinunter, um im Flussbett, im letzten Jahr gings noch an der Straße entlang, zur Bananenplantage hinauf zu laufen.

Auf dem Weg von der Promenade zum Strand passierte es. Ein Augenblick der Unachtsamkeit, die Brille noch nicht wieder klar und trocken und die Gedanken beim verpassten Trinken. Die ersten Stufe erwischte ich nicht richtig und der rechte Fuß war weg. Verdammte Axt. Der letzte Downhill, der noch nicht mal einer war und mir knickt es den Fuß weg. Schnell wurde alles gecheckt. Ich reagierte instinktiv noch recht gut. Keine totales Wegknicken. Alles gut. Ich konnte langsam weiter joggen. Immer das Kiesbett hinauf.

Ich „horchte“ in den Fuß hinein. Nein es klopfte und hämmerte erst mal nix. Die paar Meter sollte es gehen. Dann verließen mich meine Kräfte, wie auch meine umgebenden Mitläufer. Das Flussbett, das übrigens nicht stank, wie ich in einigen Berichten las, wurde zur Wandermeile. Ewig zog sich der Weg aus Geröll, Kies und kleineren Felsen am kleinen Küstenort El Puerto entlang. Nach gefühlten endlosen Kilometern endlich der Aufstieg. Unter der sonst überlaufeben Brücke gings hinauf in die Plantage. Hinauf. Ich konnte dem Gedanken nichts Gutes mehr abgewinnen.

Playa de Tazacorte

Playa de Tazacorte

Mein Kopf war völlig abwesend. Ich schleppte mich jeden Meter hinauf. Immer wieder Gatorade. Innerlich muss ich total verklebt gewesen sein. Unterwegs fand ich noch eine angetrunkene Fclasche, die ich mit den Resten aus meiner Flask auffüllte. Ich tran, wie ein Loch.

Hier gibt’s aber auch keinen Schatten. Ich musste unterwegs sogar, sie Hände auf die Oberschenkel gestützt pausieren. Etwas, was mir noch nie passierte. „Alles ok“ meine Antwort auf besorgte Fragen meiner Mitkämpfer. Es war gar nichts ok. Ich wollte nur noch ins Ziel

Die 300 Höhenmeter zogen sich wie Kaugummi. An der langen Geraden noch mal ein außerplanmäßiger Getränkestand. Ich trank eine halbe Flasche Wasser ohne abzusetzen. Und auch am roten Haus, dem Ende des quälenden Aufstiegs der aus dem letzten Jahr bekannte und auch erwartete  Wasserstand der Anwohner. Eigentlich sollte ich nun wieder laufen. Es ging einfach nicht.

Ich erreichte den blauen Teppich, schaute auf die Uhr. Es waren noch 2 km und ich war 11:48 Stunden unterwegs. Ich schaffte es knapp über 12 Stunden. Mehr war nicht mehr zu machen. Im Idealfall joggste die 2 km im lockeren 6-er Schnitt zu ende. Heute ging nix mehr. Wir beide, ein spanischer Transvulcanero und ich, speedwanderten stattdessen im 8 min/km Tempo den „Teppich“ hinauf. Die ganze lange Gerade.

Immer wieder jubeln und klatschen in den Bars am Wegesrand. Wir mussten Hände abklatschen und bedankten uns. Es war so emotional. Wir bedankten uns. Die Tränen standen uns in den Augen, als wir die Daumen hoben. Selbst beim Polizisten, der für uns die Hauptverkehrstraße sperrte, bedankten wir uns. Das waren ganz, ganz große Emotionen, die da auf den letzten Metern herüberkamen.

Dann war sie endlich erreicht, die vorletzte Kurze zum Ziel. Hände wurden uns entgegengestreckt. Wir kamen ans laufen. Einer Hand drückte ich meine leere Handflasche in die Hand. Sorry … ich war einfach … so glücklich, es geschafft zu haben.

Da war sie endlich, die lange Zielgerade. Der rote Teppich bis zum Zielbogen. Die Startnummer wurde gerade gerückt (riss dann auch noch ab), der Hüftgurt unters Laufshirt gestopft. Ordentlicher Zieleinlauf ist wichtig und dann trabte ich den langen roten Teppich hinauf.

nur noch wenigeMeter

nur noch wenigeMeter

Immer wieder suchte ich die Hände auf beiden Seiten zu treffen. Die Emotionen kochen hier einfach über. Nur für diesen Augenblick haben sich die ganzen Strapazen gelohnt. Verdammte S… ist das geil.

Nach

12:03:14 Stunden

Durchlief ich überglücklich den Zielbogen. Riss die Arme hoch. Und genoss das wirklich nette Umhängen der momentan wertvollsten Medaille meiner Lauf-Historie.

Im Ziel, geschafft und glücklich.

Im Ziel, geschafft und glücklich.

Im Ziel wurden als erstes die müden Füße von Schuhen und Socken befreit. Und da sah ich auch schon das Malheur, das mich seit km 60 ärgerte. Blutblasen unter beiden Fußballen und an der rechten Ferse. Offensichtlich war der Körper mit seinen anderen Unzulänglichkeiten beschäftigt, das ich diesen Schmerz gar nicht mehr bewusst wahr nahm. Jetzt war er präsent. Laufen ohne Schuhe war sehr, sehr schmerzhaft. Zum Glück war der Fußpfleger gleich in der Läuferarea präsent und ich konnte meine Wunden professionell versorgen lassen. Welche Wohltat.

Erst auf und dann knall harter Downhill zur Küste

Erst auf und dann knall harter Downhill zur Küste

Der Abend gehörte dem Event. Stundenlang verharrte ich auf der Plaza Espana, guckte Zieleinlauf-Kino und wohnte der Siegerehrung bei. So glücklich kann man in den Schlaf sinken. Nach 22 Stunden wurde es dann Zeit .

Die Stars des Laufes standen nicht nur auf der Bühne. Siegerehrung Ultramarathon International

Die Stars des Laufes standen nicht nur auf der Bühne.
Siegerehrung Ultramarathon International

Meine Laufstrecke gibts hier: Klick

Das offizielle Dokument

Das offizielle Dokument

Die kleine und die große

Die kleine und die große

Startnummer, Telefonbuch und "Roadbook"

Startnummer, Telefonbuch und „Roadbook“

Die Ergebnisliste kann hier eingesehen werden: clasificaciongeneral_ultra

4 Kommentare:

  1. Klasse Bericht, tolle Fotos und gleich zwei Medaillen… Was will man mehr 🙂

  2. Pingback:Einer fehlt noch zum Quartett – Transvulcania 2018 –   Trailrunning nicht nur im Norden

  3. Pingback:(via @instagram) 2019 … 10 Tage #lapalma 2020 … eine Linksammlung meiner 11 Starts auf der Isla Bonita –   Trailrunning nicht nur im Norden

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