Mehrberg

Der letzte etwas längere Ausflug (nach bisherigem Kenntnisstand) sollte mich, in dieser Woche am Samstag, in ungeahnte Höhen katapultieren. Leider gibts auf meiner Runde nicht so viele Berge. Realistisch betrachtet gibt es hier überhaupt keine Berge, sondern lediglich ein paar Erhebungen. Dem Namen nach aber sind die höchsten doch in meiner unmittelbaren Nähe, sodass ich zur Vorbereitung auf meine 850 Höhenmeter-Wettkampf-Runde moderate Anfahrtswege habe.

Meine mentalen Wegpunkte

Nach 15 Minuten hatte ich das Getränkedepot eingerichtet und meine Karre stand am Startpunkt der langen Runde. Die Vorbereitung hatte ich natürlich auf den Forerunner geladen und auch meine (mentalen) Wegpunkte hatte ich im kleinen Trinkrucksack gebunkert. Die Festlegung bestimmter Fixpunkte hat sich als sehr hilfreich herausgestellt. Besonders bis zum 35. Kilometer. Danach hat sich eine beängstigende Routine eingestellt. Bereits beim zweiten 50-er verzeichnete ich dieses Phänomen und gestern wars noch extremer, dieses Ichlaufdochschonsolangeundkanns-Gefühl.

Anfangs lief ich erst mal auf bekannten Pfaden nach Hohe Mistorf hinauf. Meine Pace war dabei erschreckend hoch, und obwohl ich mich um ein moderates Tempo bemühte, kam ich immer wieder bei 5:15 min/km raus. Ich lief jedoch locker und fühlte mich auch so und konnte meine Muskulatur nach den kurzen Anstiegen immer gut entlasten. Erst, ich hatte Ponstorf nach gut 35 Minuten erreicht und war noch mal in den Ort hinab gelaufen (hm sammeln), als ich in den Wald hinauf joggte, stellte sich das Zieltempo ein. Zum Hardtberg schließlich hatte ich dann mächtig zu schnaufen und mein Puls erreichte schon mal die 90 % HFmax. Dafür aber rennste das letzte Stück gefühlt senkrecht hoch. Ich hatte gelernt, mit dem extremen Muskelschmerz umzugehen und auch die Entspannungsphase hat sich erfreulich verkürzt. Wieselflink gings auf herrlichem Singletrail durch den Wald, den Berg wieder hinunter auf den Waldweg, der mich im Nu nach Hagensruhm brachte.

Meine erster Kontakt-hier bergab. Gestern lief ich in entgegengesetzter Richtung und traf sogar 4 Spaziergänger.

Schnell waren die letzten Hügel genommen und Retzow erreicht. Die folgenden Kilometer sollte es erst einmal mehr ab als auf gehen, um dann den finalen Aufstieg zur Friedrich-Franz-Höhe in Angriff zu nehmen. In Gülitz gabs das obligatorische Hundegebell, sogar Menschen gab es in der im Jahre 1314 gegründeten Siedlung, die mich verwundert anschauten. Ich hob den Finger zum Gruß und verschwand wenig später im Wald. Der Regen vom Wochenbeginn hatte die Graswege etwas in Mitleidenschaft gezogen. Ich gelangte jedoch unverletzt und trockenen Fußes auf den befestigten Teil des Rundweges „Mecklenburgische Schweiz“. Meine Geschwindigkeit bewegte sich auf bergan im 5:20-er Bereich. Würde das so weitergehen? Ich verdrängte die Gedanken und musste es auch, denn die Rampe zur Friedrich-Franz-Höhe verlangte meine ganze Aufmerksamkeit. War ich in der vergangenen Woche auf dem „Gipfel“ noch völlig atemlos, gings diese Woche „locker“ weiter auf den Heesterberg und anschließend hinunter auf den Radweg (HM 1:55 Std.).

Alles lief perfekt. Ich fühlte mich topfit. Hatte nun auch endlich das Wunschtempo im 5:20-er Bereich verinnerlicht. Lediglich der kleine Anstieg zum Heuweg nach Gülitz hinauf lies die 5:40 auf dem Forerunner erscheinen. Das erste Gel wurde auf dem Erholungspfad nach Jettchenshof in die Hand gedrückt. Igitt, war das ne Schwabbelsuppe. Ich leckte mir also alle Finger, glücklicherweise hatte ich wenige Kilometer vorher die Handschuhe ausgezogen, nach den Kohlenhydraten und erreichte nach knapp 29 Kilometern mein Getränkedepot. Schnell war die Trinkblase gefüllt und das Energiegel in der Fronttasche verstaut. Weiter gings, in der Vorwoche mein „schlappes“ Stück. Heute war alles anders und ich lief im Wohlfühltempo zum nächsten Blätterdach. Das nächste Energie-Gel wurde gemeinsam mit dem ersten Energie-Drink vernascht. Die Kühle des Waldes war mir heute nicht willkommen. Hier sank die Lufttemperatur auf frostige Werte. Am Jägerhof passierte ich eine klatschende Reisegruppe, was ich mit internationalem Läufergruß erwiderte.(?) Danke für die Motivation.

Ich hatte bereits den 32. Kilometer in den Beinen und bereits knapp 3 Stunden unterwegs. Meine kleine Schwächephase dauerte ganze 2 Kilometer (5:28,5:31), dann hatte ich mich wieder in der Reihe. Ab Vietzenhof kann man die folgenden 5 Kilometer fast lückenlos überblicken. Leider gibts kein Foto. Schnell war Basedow mit seinem herrlichen, da hervorragender Laufuntergrund, Lenne-Park durchquert und ich befand mich nach knackigem aber kurzem Anstieg auf dem Radweg, der den Malchiner See, leider nur auf kurzem Abschnitt, umrundet. Ehe ich richtig zur Besinnung kam, war km 40 gespeichert und ich rechnete ein bissl mit der verbleibenden Strecke umher.  Der Plan sah hier Endbeschleunigung, beim einem Ultraplan etwas umstritten, vor. Ich legte ein wenig zu, ohne es zu übertreiben. Die Berganstrecken lief ich im „normalen“ Tempo der Ebene, das war Belastung genug. Als ich die Kastanienallee vermessen hatte, kam mein letzter großer Anstieg in Sicht.

Nach dem Hardtberg (km8) der zweite extreme Anstieg. Nur hier hatte ich bereits 43 Kilometer (Marathon bei 3:48 Std. – konstante 2. Hälfte) in den Beinen. Ich gönnte mir das letzte RedBull und zog das zweite Laufshirt über. Die Sonne war nun hinterm Wald verschwunden und es wurde sau kalt. Für die nun folgenden 500m brauchte ich ganze 3:25 Minuten. Meine Oberschenkel hatte keine Lust, aber der Kopf funktionierte noch. Ich motivierte mich den Berg hinauf, und als es weniger steil bergan ging, hatte ich mein 5:20-er Tempo wieder abgenommen. Unfassbar, ich konnte es selbst kaum glauben, mit welcher Leichtigkeit ich lief. Ich war bereits über 4 Stunden unterwegs und konnte mein Wunschtempo problemlos halten. Als ich den Wald verließ hatte ich mir in dieser Woche noch ein kleines Highlight aufgespart. Der kurze Anstieg nach Neu-Panstorf sollten den Hakenberg in Remscheid simulieren. Klappt natürlich nicht, aber ein bisschen Anstieg ist besser als gar keiner.

Die letzten zwei Kilometer folgte ich der Bundesstraße. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich nach 50,77 km meinen Startpunkt. Das wars jetzt also. Der letzte lange Lauf in Vorbereitung auf meinen 3. Ultralauf war Geschichte und … ich fühlte mich sehr gut. Zwei Bananen und 15 Fahrtminuten später lag ich in der Badewanne und verspürte doch meine letzten 4:35 Stunden im Körper. Heute ist bereits alles wieder fast normal, der nachmittägige RECOM-Lauf wird die Wahrheit ans Tageslicht fördern. Immer wieder faszinierend zu erleben, was der Körper zu leisten imstande ist. Ich war im 5:26-er Tempo unterwegs und hatte mit 76 % HFmax gepulst, trotz 575 positiver Höhenmeter. Der Trainingseffekt ist nicht mehr zu leugnen. Nächsten Sonntag gibts nur noch einen kurzen 35-er (oder weniger) und dann kann ich endlich auf 63 Kilometern die Wahrheit erfahren.