50 km Ultramarathon Rodgau

Es tut mir leid, dass es sicher nicht in einem Durchgang zu lesen ist … ich war aber auch sehr lange unterwegs … um diese Zeit zu schaffen. Danke an alle, die die Vorbereitung bis hierher unterstützt haben.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus und einer dieser sollte im Monat Januar geworfen werden. Ich hatte bereits mehrfach Berichte und Doku’s über DAS Ultralaufevent des Frühjahrs nahe Frankfurt/Main gelesen und gesehen und wollte nun endlich einmal Teil dieser „verschworenen“ Gemeinschaft werden. Der Entschluss war bereits im Dezember gefasst, der Support auch abgesichert doch leider ist so eine weite Voraussicht nicht immer umzusetzen. Und so geschah es dann auch, dass das Event fast zu scheitern drohte. Tausend Dank an den Landschaftsflitzer für die Rückreise nach anstrengendem Studientag und an Juliregen für das Quartier bei An- und Abreise, trotz Prüfungswahn.

Freitags begann die Anreise ins über 600 km entfernte Rodgau, die durch einen kurzen Zwischenstopp unterhalb der Kernberge unterbrochen wurde. Samstag früh dann hieß es zeitig Aufstehen, der Weg war trotz alledem noch weit und die Wettervorhersage nicht die Beste. Nach 160 entspannten Minuten im Blech erreichte ich halb neun den Stadtteil Dudenhofen.

Schnell war der Parkplatz zugewiesen und nach kurzem Umparken, man ist ja nicht allein hier, gings auch gleich zur Startnummernausgabe. Diese fand in diesem Jahr im benachbarten Tennisclubheim statt. Etwas beengt, aber nichts Tragisches. Zusammenrücken stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach knapp 10 Minuten hatte ich meine „1031“ (die LaFlitzer-Glücksnummer ;-)) in der Hand und zurück gings zum Auto. Die fehlende Begleitung war sehr ungewohnt, löste aber auch nicht wirklich Stress aus. Ich hatte noch einen gute Stunde bis zum Start, die ich auch dringend brauchte, wie sich noch herausstellen sollte.

Verpflegung verstauen, Startnummer anbringen, Eigengetränkt „mixen“ und umfüllen und die Zieltasche packen verbrauchten fast eine halbe Stunde. Das Roadbook musste umplatziert werden … Klebeband alle … ich blieb ruhig. Aber so ist es meistens, trotz perfekter Vorbereitung gibts immer einen Ausrutscher. Wohin mit dem Zettel nun, unter die Uhr geklemmt. Auf das Trostpflaster wollte ich nicht verzichten, obwohl ich die Zwischenzeiten und markanten Wegpunkte gespeichert hatte … es beruhigt so ungemein, wenn es auch eigentlich nur gut für die Psyche ist. Doch darauf kommts doch an???

Nun begann mein unerwartet langer Fußmarsch. Ich wusste von einem Kilometer ab Turnhalle. Ich stand aber nicht dort und so wurde eine Viertelstunde draus. Es war viertel vor Zehn. Recht schnell war die Eigenverpflegung am V-Punkt, nur 150 m von Start und Ziel entfernt, deponiert. Nun hieß es: lange Sachen aus und Startvorbereitungen treffen im überdachten Riesenpavillon. Kurz behost, aber lang beärmelt, natürlich mit Handschuhen, gabs den letzten Gang ins blaue Haus und 2 Minuten vor 10 stand ich dann endlich in der Startaufstellung. So eng war’s das letzte Mal 2007 beim HM in Dresden. Schnell noch ein wenig Stand-Lauf-ABC, die Worte des Bürgermeisters waren kurz und bündig und der Countdown wurde heruntergezählt.

Kurz nach Zehn gings los, nach 20 Sekunden lief ich über die Startmatte und drückte den Startbutton des Forerunners. Alles lief: der Schrittzähler, der „Brustwärmer“ zählte und AC-DC säuselte mir ins Ohr, das heute mal wieder die doppelte Behütung erhalten hatte. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt empfand ich es als sehr kalt um die Haare.

Schnell hatte ich ins Tempo gefunden. Das Vorgefühl ließ mich nicht im Stich und so pacte ich die erste 500m-Runde in 4:54 min/km. Besser konnte es nicht laufen. Der Master-, und einzige, da alle 5 km passiert, Verpflegungsstand wurde passiert und dabei gleich noch mal die Anwesenheit der kleinen Grünen (Eigenverpflegung) kontrolliert. Alles bestens. Die befürchtete Bedrängnis blieb aus. Meine Startposition war gut gewählt, ich konnte frei laufen. Nach exakt einem Kilometer auf der Garmin folgte die Beschilderung … perfekt.

Ich hatte mein Tempo beibehalten. Alles andere hätte mich auch gewundert, „The Clock“ funktionierte perfekt. Dass die ersten Kilometer die entscheidenden sind, sollte sich heute zeigen. Schnell war auch der zweite Kilometer, bereits wieder bewaldet erreicht und die Marathonmarkierung wurde erstmals passiert. Leider lagen hier keine Zeitmatten, wie ich zum Bedauern feststellen musste. Schade, nichts Offizielles also, sollte ich meinen Masterplan umsetzen können. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken an die erste Enttäuschung, die ich glücklicherweise ins Nebensächliche verschob.

Wie bei jedem längeren Läufchen hatte ich mir wieder 3 mögliche Szenarien zurechtgelegt, die nacheinander abzuarbeiten waren, wenn sich im Rennverlauf eine Anpassung des Ziels erforderlich machen sollte:

Plan A (Masterplan): Pace 4:59 min/km – Marathondurchgangszeit bei 3:30 Stunden – Zielzeit 50 km in 4:10 Stunden.

Plan B: Pace 5:06 min/km – Marathonzielzeit: 3:36 Stunden (PB) – Zielzeit 50 km 4:15 Stunden.

Plan C (Notplan): Zielzeit 50 km unter 4:41 Stunden und somit neue PB.

Nachdem ich das erste Mal die Wendestrecke hinauflief und auf der Gegengeraden Markus Schubath (#twitterlauftreff) sah, war ich optimistisch im richten Tempo zu laufen. Er hatte ein 50 km Leistungsvermögen um die 4:05 Stunden … seine Marathonzeit freilich Hammer, dagegen. Ich war so jedoch gut motiviert, kontrollierte regenmäßig meinen Puls, der trotz des etwas zu hohen Tempos (+5-7 sec. über Plan) bei 84 % HFmax lag. Konstanz dieses Wertes über eine möglichst lange Zeit sollte Aufschluss über den bereits erreichten Trainingseffekt, den ich mir bei meinen langen Samstagsausflügen antrainiert hatte, geben. Nach 5 Kilometern liefen wir erstmalig wieder durch Start und Ziel und ich konnte die positiv angezeigten Zwischenzeiten meiner Uhr als Resümee an der großen LCD-Anzeige sehen. Trotz Brutto-Zeit-Anzeige lag ich locker im Plan. Puls bei 84, alles gut. Ich „fragte“ die beteiligten Körperteile ab und bis auf ein leichtes Grummeln im Magen (hmmm???) „meldete“ sich keines weiter. Nach weiteren 700 Metern wurde erstmals getrunken. Ich wählte Tee und wie durch Zauberhand beruhigte sich mein Magen.

Es lief bestens, immer wieder konnte ich mich einer kleinen Gruppe anschließen, überholte aber meist, da ich Angst hatte, dadurch das Tempo zu verbummeln. Diese Entscheidung erwies sich durch aus als sehr nützlich. Meine Rundenzeiten pegelten sich nun exakt bei 4:55 min/km ein. Auch Kadenz und Puls passten mit den Traumwerten zusammen. So ging die 2. Runde bereits 1 Minute vorzeitig zu Ende. Kurz nach dem Passieren der Mattensammlung wackelte es in der Brust … Bänderriss … Mein Brustgurt war der Belastung nicht gewachsen 😉 und wollte sich auf der Hüfte aus dem Geschehen ausblenden. Nach 200 Metern Gefummel und Gerückte war alles wieder am Platz. Inklusive Erläuterung an begleitende Läufer, denen die Seltsamkeit meiner Laufbewegung scheinbar auffiel. Mir waren die Messwerte doch recht wichtig. Zu oft schon, hatte ich nicht rechtzeitig „gebremst“ und hatte nach hinten heraus dafür bezahlt. Ich wollte heute weder im Laktat „ertrinken“ noch mehr Energie verbrauchen, als ich zur Verfügung hatte.

Heute lief ich wie ein Uhrwerk. Nach der Einführungsrunde lief ich die folgenden 3 in 24:18-24:15-24:20 Minuten. Ja, ich kann mittlerweile mein Tempo recht gut kontrollieren, die Werte sind der Beweis. Mein Hauptziel, die Marathonqualifikation für Boston (3:30 Std.) zu schaffen, war fest im Kopf verankert. Jedes Mal, wenn ich die Marathonmarkierung passierte, rechnete ich die noch verbleibenden Durchläufe herunter.

Irgendwann fing der Forerunner an, zu schludern und piepte bereits vor der offiziellen Kilometrierung. Das gefiel mir gar nicht und aus diesem Grunde legte ich wohl in den folgenden Runden eine Schippe drauf? Mittlerweile hatte das allgemeine Überrunden eingesetzt. Sowohl ich wurde von den Spitzenläufern überrundet, noch mehr aber hatte ich mit vorbeilaufen zu tun. Ich hatte es mir allerdings schlimmer vorgestellt. Bei ausweglosem Platzangebot gabs eine kurze Ansage und es wurde weggerückt … Danke, all den Platzmachern :-), sicher wars etwas lauter. Dafür aber verständlich (Kopfhörerthema).

Die Wegesituation verschlechterte sich zusehends. Die anfangs schnellbedeckten Teilstücke verwandelten sich in Schlammpfade. Die mich Überholenden waren bis zum Genick mit Schlamm besprenkelt. Viel besser sah ich sicherlich auch nicht aus. Meine neuen „Speedcross-3“ ließen jedoch nichts ins Innere dringen. Schade aber um die schneeweißen K-Socken, die heute wohl ihren letzten „strahlenden Tag“ erleben sollten.

Die Runden vergingen recht zügig, sicher sorgten die stetigen Überholvorgänge, beim normalen Streckenlauf ja eher unwahrscheinlich, für Abwechslung. Ich war heute auch sehr um meine Versorgung bemüht und zwang an den vorgeplanten Punkten die GELe in den Mund. Das erste gabs bereits beim 16. Kilometer. Nummer zwei bei 26 und nach weiteren 5 Kilometern war dann auch schon RED-Bull-Time. Kilometer 30 war überschritten, meine Rundenzeit sollte die kommenden 5km-Abschnitte bei 24:06 min liegen. Auch Herzilein zeigte sich von seiner geschulten Seite und blieb im idealen 86-er Bereich.

Nachdem ich die Eigenverpflegung am km-Schild-1 deponiert, man will ja nicht stehend am entsprechenden Tisch trinken, ich lief die Verpflegungsstellen und ging nicht beim trinken (und es klappte perfekt), schloss ich mich Joachim Groß an (Startnr. 1184), mit dem ich nahezu 7 Kilomter lief. Er war mir dann zu schnell und ich ließ ihn laufen. Am einzigen Hügelchen (kurz hinter km 4) lugte dann schon mal die 90 auf meinem Herzfrequenzmesser hervor. Das war nicht gut und wurde prompt korrigiert. Richtige und wichtige Entscheidung!!!

Den 35. Kilometer ließ ich völlig problemlos hinter mir. Keine Anzeichen von physischer Schwäche. Ich hatte heute einen  Lauf. Oder … zahlte sich das Training endlich mal zum richtigen Zeitpunkt aus? Mein „BOSTON-Mantra“ zeigte Erfolg, auch wenn ich das ein oder andere Mal laut werden und dies dann meinen Laufkollegen erklären musste. Aber … wenns hilft, ich arbeite an anderen Methoden. Nach dem 7. Zieldurchlauf gabs einen Roadbook-Check, seit km 12 trug ich es zusammengerollt als „Staffelstab“. Ich hatte locker 6 Minuten auf die 3:30 Stunden herausgelaufen. Nun hieß es nur noch 😉 durchhalten. Die Enddistanz spielte in meinem Kopf zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Rolle. Ich lief auf die Marathonmarkierung fixiert, verpflegte mich zielstrebig am km 0,8 und belohnte mich mit einem freudigen Zieldurchlauf pro Runde. Der 40. Kilometer wurde immer noch unter 25 Minuten (Rundenzeit) abgeschlossen (3:14:45 Netto) und nun wusste ich, dass ich für die verbleibenden 2,2 km keine 15 Minuten brauchen werde. Ich gönnte mir am km 41 noch den Rest meiner Eigenverpflegung, schaltete auf Zeitanzeige und lief überglücklich nach 3:25:59 Std. an der Marathon-Distanz-Markierung vorbei. Ich hatte es geschafft. Meine Beine spürten, nachdem das Adrenalin der letzten km meinen Körper „verlassen“ hatte, nun die enorme Anspannung. Doch die verbleibenden 8 Kilometer waren nur noch Kür. Ich hatte meine Pflicht erfüllt. Jetzt tat ich das, was ich die letzten dreieinhalb Stunden perfekt umgesetzt hatte, gleichmäßig und kontrolliert laufen. Der 45. Kilometer, die vorletzte Runde also, wurde in 5:06-er Pace heruntergelaufen. Ich war voller Euphorie und, als ich plötzlich Markus sein grünes Laufshirt leuchten sah, packte mich der Ehrgeiz.

Nun wurde alles zum letzten Mal passiert. Der Verpflegungsstand, an dem ich in Runde 10 eigentlich noch mal richtig „Schlemmen“ wollte, wurde lediglich um eine viel zu kalte Cola erleichtert. Erstmals im Gehen, zumindest 10 Meter mischte ich mich unter die wandernden Mitkämpfer. Beim Eintritt in den Wald, kurz vor km 2, sagte ich meiner (im Papierkorb!!!) entsorgten grünen Süffelflasche: „Adieu“. Und … nach dem passieren der Marathonmarkierung fasste ich den Entschluss, noch mal anzugreifen. Ich überholte, was das Zeug hielt, so meine Empfindung. Zuerst Markus und dann viele, viele andere Mitstreiter. Auch Joachim (1184), mein treuer Begleiter von km 26 bis 34, musste seinem hohen Tempo Tribut zollen. Wie bei jedem längeren Lauf hatte bei einigen bereits der wandernde Streckenabschnitt des Laufes eingesetzt. Ich fand, nach 2 verbummelten (500m-)“Runden“, sogar wieder zu meiner 4:50-er Pace und checkte noch mal alle „Beteiligten“ auf ihren Versehrtheitsgrad.

Vergessen die schmerzenden Beine bei km 41, vergessen die Atemnot hinter dem 43. Kilometer. Nun war „Grademachen“ angesagt. Ich bog auf die 800m lange Zielgerade. Ich lief wie in Trance. Alles passte heute wunderbar. Der Forerunner wurde auf Gesamtzeit umgeschaltet und … Ich würde sogar noch meinen idealistischen Masterplan unterbieten. Und das um ganze 4:30 Minuten. Unglaubliches spielte sich auf den letzten Metern in meinem kleinen Kopf ab. Es war unfassbar, noch vor 4 Stunden unvorstellbar gewesen. Ende Januar in dieser Form … wo soll das noch hinführen? Ich war kaputt und erfreut zugleich.

Nach 4:05:30 Stunden überlief ich die Zielmatte und hatte es geschafft.

Mein erster offizieller 50 km Ultramarathon wurde unter der prognostizierten Zeit beendet. Bisher einmalig, aber hoffentlich passiert das jetzt öfter. Hm. Beim Müritzlauf hat’s ja auch schon mal geklappt, doch von der pace nicht vergleichbar.

Nun ist eine kurze, aber intensive Regeneration angesagt, bevor der alte Plan wieder aufgegriffen wird. Der Rennsteig ruft, die Oberelbe winkt und der Citylauf in Dresden rechnet sowieso mit mir.

Die geheimen Messwerte eines Ultraläufers

2 Kommentare:

  1. An dieser Stelle nochmal meinen herzlichen Glückwunsch zu der tollen Leistung! Jetzt schön regenerieren und auf geht’s an neue Aufgaben!

    • Danke für die Wünsche. Schade nur, dass deine Aufgaben einen gemeinsamen Ausflug nicht zuließen. Im nächsten Jahr klappts vielleicht? Gute Genesung für Dich!!!

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