Heidschnucken-Ultra-2017 oder Einmal durch die Heide nach Hamburg

Die neue Heidschnuckenwegmarkierung

Im das gleiche Bild am Freitag

Irgendwann, an einem dieser Projektabende … Mann sitzt stundenlang am Rechenknecht, durchforstet die Weiten der Onlinewelt und stößt auf Auffälligkeiten … muss es passiert sein. Ich entdeckte einen Lauf durch die Lüneburger Heide. Der Start ist von 05:00 bis 07:00 möglich und das Ende des Laufes wird in Hamburg-Eisendorf sein. Klingt interessant. Etwas welliges Profil, nichts dickes. Wechselnder Untergrund, „wenig“ Asphalt. Da schicke ich mal eine Mail zu Elke und Frank und bekunde meinen unbändigen Willen. Wann die Anmeldung erfolgte? Auf jeden Fall zu spät, denn ich landete in der Warteliste des privaten Einladungslaufes. Und so war der Lauf dann auch aus den Augen aus dem Sinn.

Nur nicht die Heidparkranger erzürnen.

Fünf Wochen nach dem „Marathon des Sables“ einen Hunderter+ zu laufen ist sicher einen Versuch wert, so die damalige Intension und pünktlich, mitten in den Nachwehen des Wüstenlaufes, flatterte eine Mail ins Postfach mit der Info …. Freie Startplätze und Nachrücker aus der Warteliste kommen zum Zuge. Ok. Ich hatte mich hier also irgendwann einmal angemeldet.

Ich bekundete meinen Willen, zu laufen und keine drei Tage später stand ich auf der Startliste. Nun noch schnell die Frau überzeugt und schon war das nächste Hotel gebucht. Alt bekannt und super schön, mitten in der Heide gelegen.

kleines, feines Hotel in Höpen

Die Anreise am Freitag, da spät, verlief reibungslos und unspektakulär. Wenn man mal von dem Dauerregen ab Wismar absieht.

Es war, wie vorhergesagt. Anreise im Regen und auch die Nacht vor dem Rennen hatte der Himmel alle Schleusen geöffnet. Blitz und Donner begleiteten durch die Nacht.

Der Abend vor dem race

Nach dem ersten Erwachen halb zwei am Morgen war nicht mehr an Schlaf zu denken. Es wird also ein ganz normaler Ultra. Wenig Schlaf vorher, viel Adrenalin nachher 😉 Kurz vor vier schälte ich mich dann endgültig aus dem Bett. Das morgendliche Ritual des Fußbodenleerens ein bekanntes. (Nur in der Wüste war es einfacher, da musst Du bis auf Teppich und „Kartoffelsack“ alles aufladen). Nach zwanzig Minuten war ich von Schneverdingen nach Soltau gereist. Der Parkplatz, Start- und Briefingort im Zentrum des kleinen, aber weitläufigen Ortes war auf Anhieb gefunden. Und … der Regen hatte seine Tagesaufgabe erledigt und alles unter Wasser gesetzt, was ging. In Soltau hingegen recht normale Bedingungen …

Viiiel zu zeitig traf ich am Startpunkt ein. Die 05:00 Startgruppe war noch am briefen und andächtigen lauschen, was Frank und Elke zum Rennverlauf zu sagen hatten. Pünktlich um 05:15 gings dann los und ich hatte alle Zeit der Welt, die Ankunft der anderen (sechs Uhr-)Starter zu verfolgen und mich mental auf die Tagesaufgabe einzustimmen. Alles alte Heidschnuckenläufer an der Startlinie … fast. Der Startschuss erfolgt wieder pünktlich.

Teile der 6 Uhr Startgruppe

Das Füßescharren hatte genau um 05:58 ein Ende. So speicherte es die Fenix. Der Chef gab den Weg frei zum Lauf auf einem der 10 schönsten deutschen Fernwanderwege, wie Mann gelesen hat. Eine Runde durch den Stadtpark, kreuz und quer, immer den Leitschnucken folgend, ging es hinaus aus der Stadt hinein in den Wald und auf/in die Heide.

Ich hatte mich auf ein gemütliches Läufchen eingestellt. Endzeit um die 16 Stunden hatte ich mir so ausgemalt. Hier wurde deutlich zügiger los gerannt. Die Spitze im 6-min-Tempo. Der Rest gestaffelt bis 6-20-er pace dahinter. Na gut. Wir werden mal mitlaufen und sehen, wo das hinführt. Mann will sich ja nicht gleich hängen lassen. Gibt ja wieder Gerede 😉 Ihr kennt das. Die pace trotzdem konstant. Als nach gut 10 Kilometern der erste Süffelstand (Wasserstelle) auftauchte war ich bereits auf Position eins (von hinten) gelandet. Da es für mich kein Versorgen gab, alle Wassertanks noch prall gefüllt, gab ich den Durchläufer. Perfekt auf drei und dabei blieb es im wesentlichen dann auch auf den nächsten 50 Kilometern. Mein roadbook hatte ich zugriffssicher auf dem Rücken. Man will sich nicht verwirren und die 6 VPs und 2 Wasserstellen konnte ich mir auch so ganz gut merken. Glaubte ich zumindest.

Standardmarkierung

Nach 20 Kilometern war das Frühstücksbuffet erreicht. Ich hatte ein Brötchen mit Käse und Salami bestellt und bekam es auch prompt gereicht. Neben den anderen ultratypischen Gerichten, die hier im Übermaß vorhanden waren. Die erste Flask war geleert auf den ersten 2:15 Stunden und wurde wieder befüllt. Fast pausenlos gings weiter VP3 (km40), wo ich Corinna treffen sollte. Sie wollte eine gemütliche Wanderung vom Hotel nach Niederhaverbeck machen. Die alte Fenix mit dem Track am Arm sollte sie es finden. Für die verabredeten 4,5-5 Stunden Laufzeit, die ich bis dahin brauchen sollte, war ich jedoch viel zu zügig. Aber es lief und so lief ich halt. Am VP rumlümmeln geht ja immer, so meine Extension.

Behringer Heide

Irgendwann nach weiteren 10-12 Kilometern sollte ein Süffelstand (Selbstbedienung) kommen. Ich hatte mir nur Behringen als Ort gemerkt. Den erreichte ich auch ohne mich zu verlaufen (der Track war auf der Uhr und lief permanent), nur den VP entdeckte ich nicht. Da es noch früh am Tage war und Hitze auch nicht wirklich stattfand, konnte ich es verschmerzen. In Behringen selbst verlief ich mich dann übrigens gleich (100m, nichts dickes). Weiter ging es in die Behringer Heide. Ein Traum von Sand, der sich da vor meinen Augen ausbreitete und mich zum IPhone greifen ließ. Herrliche Landschaft, topfeben und fast völlig windstill. Die Sonne schien, momentan tat nichts weh, nichts schlimmes jedenfalls. Ich war eingelaufen. Jetzt konnte es los gehen.

Nicht der einzige Stegtrail

Bei km 33 verließen wir die Idylle und kehrten auf einen Plattenweg zurück, der uns, endlos erscheinend, nach Niederhaverbeck bringen sollte. Mittlerweile meldete sich auch mein rechtes Knie wieder zu Wort und gab zu verstehen, dass ich lebte. Hmmm. Das war nicht gut. Gedanken an Schonung und Abbruch wurden verdrängt. DNF war irgendwie gar keine Option. Obwohl es natürlich verlockend ist, mit Corinna vom VP ins Hotel zu wandern. Daraus sollte aber nichts werden. Wenigstens bis zum Mittag musste ich erst mal durchhalten. Und das gab es bei Kilometer 54 in Undeloh. Vorerst galt es aber VP bei Kilometer 40 zu erreichen, den die Fenix bereits bei Kilometer 38 vermeldete. Kurz vorher traf ich Corinna. Gemeinsam joggten wir die paar hundert Meter zum überdimensionalen VP (das Angebot betreffend). Heute war jemand anderes der bunte Hund und kannte schon alle rund um den kleinen Campingtisch und die Campingstühle.

Für mich galt es Wasser aufzufüllen. Zwei Flasks hatte ich die letzten 20 Kilometer vernascht. Ich glaub, ein paar Melonen hatten es mit noch angetan. Auch Bestellungen für den VP in Buchholz (km 84) hätte ich aufgeben können. Na das überforderte mich total. Also erst mal weiter. (Wenns am Schönsten ist, soll man ja los). Wir beiden Königskinder wanderten noch 500 m gemeinsam und ich übergab die Wanderstöcke. Die alpengleiche Umgebung war hier dann doch nicht und mit poles eher overdressed unterwegs. Weiß mans? Jetzt ja.

Allein ging es weiter zum höchsten Berg der Heide den Wilseder Berg. Höchster Hügel weit und breit mit stattlichen 1680 Höhendezimetern. Der ragt natürlich raus, würde man sich auf Meeresniveau bewegen. Ich tat das nicht und so dauerte es eine Weile, bis ich ihn entdecken konnte. Immer dem schwarzen „H“ folgend erreichte ich seinen Gipfel. Viele Wanderer hatten sich bereits auf den Weg gemacht. Es wurde voll in der Heide. Weiter ging es im „Downhill“ nach Wilsede. Eine netter, kleiner Weiler mit kleinem Rasthaus, Museum und ein paar Häuslein.

Heide satt, satte Heidi

Immer noch ,keine Heidschnucke gesehen. Hatten die alle frei oder gabs die nur der Legende nach? Ich war gespannt … Irgendwann, man hat sich eingelaufen und ist im Ultra. Die Kilometer haben keine Dimension mehr. Man läuft so vor sich hin, lugt in die Landschaft und in sich hinein. Das rechte Knie tat noch ordentlich seinen Job. Wie lange nur, war die bange Frage. Aber was solls. Dieses Speedwandern hat auch seinen Reiz und wenn es nicht mehr anders geht, dann soll es eben so sein. Ich lief. Durchquerte wirklich tolle Landschaft. Begegnete ein paar wenigen Ausflüglern. Läufer? Fehlanzeige. Wir waren ja auch nur zu 18. gestartet. Da ist die Läuferdichte eher eine -dünne.

Meine Garmin hatte nach gut 6 Stunden den 50. Kilometer gespeichert. Immer noch recht schnell unterwegs, zu schnell eigentlich. Doch es würde sich relativieren. Dar Laufuntergrund wieder sandig. Herrlich. Das Kopfkino ging an und spielte den Sound der Wüste. Dazu der strahlende Sonnenschein. Ihr könnt euch vorstellen, wo ich war.

Marathon des Sables Stage 3 Kurz vor CP 2

Immer wieder flogen die Gedanken in die weite Ferne. Nur das Piepsen der Fenix, wenn der nächste Kilometer geschrieben wurde, weckte. Der Ortsrand von Undeloh wurde erreicht. Ein kleines Dorf mit viel Beschilderung. Wichen wir doch vom Hauptweg ab und genossen die Gastfreundschaft eines Gewerkschaftshauses. Für mich hieß es hier nicht nur die (vorbestellte) Kraftbrühe mit Nudeln vertilgen. Auch dopbag-Station war hier. Mit Kilometer 54 nahezu Halbzeit und damit immer wieder angenehm, neue, trockene Sachen und Schuhe anzuziehen. Ich wechselte von „Hoka Challenger ATR 3“ auf „Hoka Clifton 3“. Alles bewährtes Material. Fußprobleme waren hiermit ausgeschlossen. Gut 30 Minuten dauerte meine Mittagspause …

Weiter zum nächsten Checkpoint, der uns bei km 69 erwarten sollte. Von hier dann nur noch ein Marathon. Das macht Distanzen überschaubar. Mein allgemeiner Zustand war noch ganz ordentlich. Erste Schwächephasen hatte ich hinter mir. Ein paar Ansagen mussten gemacht werden, damit body&brain miteinander harmonierten. Der obligatorische Verläufer nach der langen Pause raubte keine 200m. Ich hatte meine Uhr an die Powerbank gehängt, da nur noch 40% Akkukapazität zur Verfügung standen. Bei dauernder Navigation incl. Kartendarstellung (für mich völlig) normal. Die Uhr am Hüftgurt macht Navigation schwieriger.

Bank für Heidschnuckentrailrunner

Zurück auf dem Track … Es lief so vor sich hin. Wurde zwischenzeitig mal vom Dennis überholt, der am Ende des Tages auf der 6 reinkommen sollte. Es wurde etwas zäh und dann wieder gut. Das Geläuf etwas anspruchsvoller und irgendwann, wie aus dem Nichts war der letzte Marathon angebrochen. Der VP wieder ein Gedicht. Ich hätte am liebsten abgebrochen und nur noch gefuttert. Nein, ich habe kein Bild gemacht. Es gab allllles. Sogar Eier, von denen ich gleich 2 verdrückte. Ganz klar, was wenige Kilometer später passiert.

Einmündung zur VP-(Ziel)Geraden

Es war einfach zu schön hier. Für eine besonders lustige Begebenheit sorgte der Hausbesitzer, vor dessen Grundstück der Verpflegungsstand aufgebaut war. Er wollte unbedingt mal ein paar Läufer sehen, die bereits 70 km gelaufen waren. Besondern verblüfft war er nicht. Wir sahen eben noch frisch und knackig aus. Nicht mal 2 Marathons in den Beinen 😉

Ich verabschiedete mich. In gut 15 Kilometern gabs ja bereits wieder was zu futtern. Es wurde Torte und anderer leckerer Kuchen angekündigt. Na wenn das keine Motivation ist. Dennoch wurde es schwerer. Zäher. Die Ermüdung setzte langsam ein. Ich musste das Kopfkino wieder einschalten, das rechte Knie rebellierte ein wenig. Mann musste nach Lösungen suchen. Ich lief und joggte und hikte. Wie es gerade passte. Der Pfad wurde zusehends anspruchsvoller, wenn auch nichts dramatisches. Irgendwann pipste dann die Fenix den 80. Kilometer. Kurz zuvor eine herrliche Sandpassage und der Aufstieg zum Brunsberg (1290 hdm).

Aufstieg zum Pferdekopf ?)

Ja, es war idyllisch hier und sollte noch besser werden, als wir den Brunsberg verließen. Hier gab es endlich mal einen längeren downhill nach Buchholz hinunter. Am Stadtrand entland, durch die grüne Lunge sozusagen, passierten wir den wohl größten Ort auf unserer Hamburgreise.

Der Verpflegungspunkt wurde bald noch verpasst. Das war knapp. Getränkevorräte wieder nur zur Hälfte aufgebraucht. Ich gönnte mir nur eine kurze Pause, wenngleich ich mich setzen musste. Der Wiederanlauf zwar um so schwerer. Aber nach 85 km mal 3 Minuten sitzen ist schon eine besondere Wohltat. Nun waren es nur noch 27 Kilometer. Mit laufen war nun nicht mehr viel. Das linke Knie schmerze beim gehen, das rechte beim laufen. Ich gönnte ihnen abwechselnd den Schmerz. Ich musste mich schweren Herzens von meiner 14:30-er Zielzeit verabschieden. Aber würde alles tun, noch vor Sonnenuntergang im Ziel zu sein. Mann kann auch mit 8:30-er pace walken und joggen. Das sollte passen.

Im Stadtpark von Buchholz gabs die größte Blätter. Die Nachwehen vom VP km 69 hatten eingesetzt. Weiter durch die Stadt und auf schier endlosem Asphalt zum km 90. Hier musste ich dann mal ein Lebenszeichen ins soziale Netz pusten. Nicht das man mich noch suchen kommt. Ich war gut am hiken. Zwischendurch ein Ansatz von joggen. Es wurde schwer aber nicht aussichtslos.

Einmal zurück bitte

Das rechte Knie funktionierte nicht mehr im Anstieg. Dann eben wandern. Und damit es nicht zu geradlinig wird, gabs hinter Buchholz noch mal einen fetten Verläufer. Es wurde mühselig. Den Kopf nach unten hieß es einfach nur step by step. Immer mal wieder einen Abzweig verpasst, obwohl die Ausschilderung tadellos war. Mann träumt so vor sich hin, nach all der Zeit auf der Suche nach den Heidschnucken. Habe übrigens keine gesehen. (im Tunnel 😉 )

Nachdem wir den Dorfrand von Nenndorf verlassen hatten, gab es dann doch noch mal ein beeindruckendes Stück Landschaft. Der Aufstieg nach Langenrehm stand an. Letzter VP und dann nur noch 12 km. Ich stapfte tapfer die Wiesen- und Waldwege entlang. In Langenrehm verließen wir den Heidschnuckenweg und folgten der angebrachten Ausschilderung nach Hamburg/Eißendorf. Um das zu begreifen umrundete ich den kleinen Ort komplett und rannte erst mal, aus Macht der Gewohnheit, dem schwarzen „H“ hinterher. Der VP ein unbesetzter mit (schon wieder) viel zu viel. Ich trank, aß zwei Bockwürste und nahm mir noch ein paar Salzstangen mit auf den langen Radweg nach Vahrendorf.

Wieder eine Autobahn A7? oder A261? oder A1?

Wir passierten Sieversen und Leversen und Sottorf, eher es in Vahrendorf bergan ging. Nach Ehestorf hinüber. Der 100. Kilometer bereits am letzten VP gespeichert wurde die Restdistanz fassbar. Ich legte noch mal einen Zahn zu … einen halben. Dieser Störenfried rechts unten verhinderte die Ankunft mit der 14 vorn. War mir aber letztendlich auch Hupe. Es war ein tolle Reise von Soltau nach Hamburg. Wirklich beeindruckend und die Teilnahme habe ich zu keiner Zeit bereut.

In Eißendorf dann noch mal ein Schilderwald zum Ziel bei Frank und Elke, die uns sogar den roten Teppich (mit hamburger Humor) vor die Füße warfen. Danke für dieses tolle Event an alle Helfer und Läufer. Nach

15:26 Stunden

Keine hat sich verfranzt

hatte ich meine Heidschnuckensuche beendet. Zwei Stunden später saß ich im Zug nach Soltau und halb zwei in der Früh hatte ich unser Hotel wieder erreicht.

Eine lange Reise, die nach Wiederholung schreit. Selten solch einen tollen und liebevoll organisierten Lauf erlebt.

Glücklich auf dem Tebbisch

Beurkundet – Erfolgreicher Heidschnuckensucher 2017

Höhenprofil des nicht profillosen Ultras

Ergebnisliste

Fortsetzung folgt nicht mehr, habe fertig.